Gesprächsprotokolle aufgezeichnet von Luisa Neurath und Christina Schäfer
Annika Roth ist Geschäftsführerin der Blechwarenfabrik Limburg.
Ich hatte eigentlich gar nicht vor, in der Blechwarenfabrik Limburg zu arbeiten, in der mein Vater Geschäftsführer war – und schon gar nicht hätte ich gedacht, dass ich selbst so schnell Geschäftsführerin werden würde. Als ich nach meinem BWL-Studium mit Schwerpunkt in der nachhaltigen Unternehmensführung Berufserfahrung sammeln wollte, wurde in der Blechwarenfabrik eine Stelle im Energiemanagement frei. Und einige Jahre später, nach meinem berufsbegleitenden Master in International Management, hatte ich die Chance, gemeinsam mit meinem Bruder die Projektleitung für den Neubau der Fabrik zu übernehmen.
2020 musste dann eine Stelle in der Geschäftsführung neu besetzt werden – und ich wurde mit 28 Jahren die jüngste Geschäftsführerin der Blechwarenfabrik Limburg. Ich bin dort für die Bereiche Finanzen, Personal und Kommunikation zuständig. Das Gute ist, dass ich durch die Projektleitung für den Neubau der Fabrik im Betrieb stark verankert bin und durch meine Arbeit im Bereich des Energiemanagements habe ich gewissermaßen alle Bereiche im Blick.
Ich finde es schade, dass Frauen in Führungspositionen heutzutage immer noch als Besonderheit wahrgenommen werden. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Frauen Unternehmen leiten – ohne Quote, sondern einfach, weil sie die notwendigen Fähigkeiten für den Job besitzen. Auch wenn die Hürden groß sind oder zumindest groß aussehen, können sich Frauen mehr zutrauen.
Verena Bentele ist Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland.
Als VdK-Präsidentin kann ich mich parteipolitisch unabhängig für soziale Gerechtigkeit einsetzen und für einen besseren Sozialstaat eintreten. Schon immer begeistert mich die Themenvielfalt des Verbandes, das große Engagement der Ehren- und Hauptamtlichen und die Größe und Durchsetzungsstärke eines Verbandes mit fast 2,2 Millionen Mitgliedern.
Für mich als Frau in der Position ist es viel wert, dass auch schon vor mir eine Frau an der Spitze des VdKs stand. Ulrike Mascher hat mir den Weg geebnet. Trotzdem bin ich bei Medienauftritten oder politischen Diskussionen sehr oft die einzige Frau auf einem Podium. Meine Ideen werden manchmal nicht so wahrgenommen, wie wenn ein Mann sie äußern würde. Da sind Durchsetzungsstärke und Ausdauer gefragt. Aber ich merke, dass ich anderen Frauen Mut mache, für ihre Ideen einzutreten und Verantwortung zu übernehmen. Diese gegenseitige Unterstützung empfinde ich als sehr wertvoll. Man muss als Frau mehr kämpfen, um wahrgenommen zu werden. Ich bin in meinem Verband und im politischen Geschäft außerdem noch relativ jung, da braucht es schon viel Power, um sich durchzusetzen und sich nicht ausbremsen zu lassen. Es ist noch immer viel selbstverständlicher, dass Männer an der Spitze einer Firma, eines Ministeriums oder eines Verbandes stehen. Bei Frauen wird doppelt und dreifach hingesehen, ob sie das schaffen. Will sie Kinder, kann sie das vereinbaren, ist sie kompetent genug und so weiter. Diese Fragen werden Männern nicht gestellt. Diskriminierung ist immer noch strukturell in unserer Gesellschaft vorhanden. Frauen verdienen weniger, sie müssen den Großteil der Care-Arbeit erledigen und leiden stärker an Armut. Ich persönlich erfahre Diskriminierung oft unterschwellig als Frau, zum Beispiel wenn meine Ideen von Männern kopiert werden oder wenn mir der Erfolg nicht so zugeschrieben wird.
Zwar sind wir vor dem Gesetz gleich, aber in der Realität zeigen sich die Unterschiede zum Beispiel im Gender Pay Gap, Gender Care Gap, Gender Pension Gap, dem Gender Data Gap in der Medizin. Frauen sind zudem überproportional hoch von Gewalt betroffen: Jeden dritten Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch den Partner oder den Ex-Partner. Das alles beweist: Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Die Politik muss Frauen als Fachkräftepotenzial ernst nehmen und fördern. Der Staat muss für die Vereinbarkeit von Pflege/Kindererziehung und Arbeit Rahmenbedingungen schaffen und diese verstärkt an Männer richten. Die Fehlanreize des Ehegattensplittings müssen abgeschafft werden. Und es braucht ein echtes Entgeltgleichheitsgesetz für diskriminierungsfreie, tarifliche und nichttarifliche Löhne.
Carolin Weyand ist Strafverteidigerin und Vorsitzende der Vereinigung Hessischer Strafverteidiger.
Als Strafverteidigerin, vor allem als Vorsitzende der Vereinigung Hessischer Strafverteidiger bin ich als Frau immer noch eine Rarität. Strafverteidigung ist ein männerdominiertes Berufsfeld. Abgeschreckt hat mich das nie. Für mich war früh klar, dass ich Anwältin werden wollte. Ich bin sehr wertegeprägt und liberal aufgewachsen. Der Beruf der Strafverteidigerin war daher genau richtig für mich. Ich setze ich mich für die Rechte des Einzelnen ein und gebe denen eine Stimme, die keine haben.
„Carolin, du plädierst wie ein Mann.“
Auf meinem beruflichen Weg habe ich bei Männern und von Männern gelernt. Anfangs habe ich mich stark angepasst, keinen Nagellack getragen, keine Röcke und Rüschen. Im Gerichtssaal sagte mir mal eine Kollegin: „Carolin, du plädierst wie ein Mann.“ Vermutlich habe ich mich angepasst, um in dem männlichen Berufsfeld respektiert zu werden. Mit der Zeit habe ich mich aber als Frau in diesem Beruf gefunden. Schließlich kommt es nicht nur auf „männliche Eigenschaften“ an. So kann ich Menschen und Prozesssituationen schnell gut einschätzen und zu meinen Mandanten auch auf emotionaler Ebene rasch ein vertrauensvolles Verhältnis entwickeln. Diese eher typisch weiblichen Fähigkeiten kann ich für die erfolgreiche Führung eines Mandates sehr gut nutzen.
Auf meinem Karriereweg wurde auch ich als Frau diskriminiert. Während meines Referendariats forderte mein damaliger Ausbilder mich zu Beginn der Ausbildungsstation auf, für eine gute Note meine Bluse für ihn zu öffnen. Das habe ich nicht getan. Die Zeit in der Station war in der Folge sehr unangenehm für mich und endete mit einer schlechteren Note. Aber: Ich hatte auf meinem beruflichen Weg auch immer starke männliche Förderer an meiner Seite.
Wir Frauen werden schon sehr früh sexualisiert, das gehört zu unserer Lebenswirklichkeit. Das Frausein habe ich aber nie als Manko gesehen. Trotzdem glaube ich, dass Frauen dazu tendieren, dass Frausein durch ein besonders hohes Maß an Fleiß ausgleichen zu wollen. Als ich Mutter wurde, wurde mir deutlich, dass Frauen in Deutschland formell den Männern gleichgestellt sind, dass Mütter es aber ungleich schwerer haben, ihren Beruf auszuüben, als Väter. Schließlich übernehmen Frauen immer noch den Großteil der Care-Arbeit. Familiäre Fürsorge ist sehr wichtig und wertvoll; nicht nur für die einzelne Familie, sondern für unsere Gesellschaft als Ganzes. Wenn uns Frauen formell alle Möglichkeiten eröffnet sind, dann muss es auch faktisch möglich sein, diese zu nutzen. Niemand kann alles schaffen! Die positive Aussicht: Immer mehr Frauen kommen in Führungspositionen und Männerdomänen an. Damit verändert sich die Arbeitskultur. Wir Frauen müssen mutig sein, fordern und uns durchsetzen. Ich bin voller Hoffnung – the future is female.