Steht Ihr Mann hinter Ihnen, Frau Innenministerin?

Bild: Peter Jülich

Nancy Faeser ist die erste deutsche Innenministerin, jetzt will sie die erste hessische Ministerpräsidentin werden. Was eine erfolgreiche Politikerin wie Nancy Faeser gefragt wird:

SPD-Landtagsfraktion – Christina Schäfer, Isabel Kunkel, Lucy Webb Weilacher

Am 8. Dezember 2021 wird Nancy Faeser erste deutsche Bundesinnenministerin. „Ich hatte durchaus den Eindruck, dass sich in meinem  Ministerium einige zunächst daran gewöhnen mussten, dass nun erstmals eine Frau an der Spitze steht. Das haben aber alle schnell geschafft, und heute spielt es keine Rolle mehr“, sagt Faeser. Sie muss sich hingegen nun daran gewöhnen, dass Medien nicht nur über ihre Arbeit als Innenministerin schreiben, sondern auch über ihre Rolle als Frau und Mutter. Wie oft sie ihren Sohn sieht. Ob ihr Mann hinter ihr steht. Fragen, die sie sich in Interviews häufig stellen lassen muss. Auch die Frage der Kompetenz im politischen Betrieb wird bei Faeser viel strenger und eifriger diskutiert, als es bei ihren männlichen Vorgängern der Fall war. Doch die Hessin verschafft sich schnell Respekt auf der politischen Bühne des Bundes. Sie ist Juristin und hat viele Jahre Innenpolitik in Hessen gemacht. Ihr Können stellt sie als Bundesministerin unter Beweis. Das Innenministerium hat seit ihrem Amtsantritt viel geleistet: „Wir haben nach Beginn des schrecklichen Angriffskrieges in der Ukraine über eine Million Geflüchtete schnell und unbürokratisch in Deutschland aufgenommen. Darauf bin ich stolz“, sagt Faeser. Ihre Rede gegen Rechtsextremismus vor dem Deutschen Bundestag, in dem sie den Rechtsextremismus als größte Gefahr für Deutschland bezeichnet und einen Aktionsplan ankündigt, findet große Aufmerksamkeit. Seitdem wird der Rechtsextremismus, aber auch die organisierte Kriminalität in Deutschland härter als je zuvor bekämpft.

Bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar setzt Faeser ein Zeichen für Vielfalt, für Frauenrechte und für die Rechte von Homosexuellen, indem sie auf der Stadiontribüne neben Fifa-Präsident Gianni Infantino ihren pinken Blazer auszieht und die One-Love-Binde an ihrem Oberarm entblößt. „Ich bin damit eingetreten für eine Haltung, die mir wichtig ist, und gegen die Fifa, die den Spielern Strafen angedroht hatte, wenn sie diese One-Love-Armbinde tragen. Wenn ich dafür meinen Oberarm zeigen muss, dann mache ich das“, sagt sie. Das Bild, das Faeser mit dieser Aktion erzeugt, löst in den sozialen Medien positive Euphorie aus: Eine Frau in Pink setzt ein Zeichen für Vielfalt inmitten von schwarz gekleideten konservativen Männern, die für das Gegenteil stehen.

Bild: Peter Jülich

Dann entscheidet sich Faeser, dass ihr berufliches Ziel in ihrer Heimat Hessen liegen soll. Auf einem Treffen der SPD im nordhessischen Friedewald wird sie von ihren hessischen Genossen zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, die am 8. Oktober 2023 stattfinden wird, gewählt. Mit 100 %. Alle Anwesenden erheben sich, applaudieren. Nancy Faeser ist zu Tränen gerührt: „Für mich ist Hessen Herzensangelegenheit, meine ganze Leidenschaft. Ich trete dafür an, Hessens erste Ministerpräsidentin zu werden“, sagt sie am Abend des 3. Februars.

In den kommenden Tagen muss sich Faeser vor allem eine Frage immer wieder stellen lassen: wie sie die Doppelbelastung von Ministerverantwortung und Spitzenkandidatur stemmen will. Eine Frage, die einem Mann so nicht gestellt werden würde, da ist sie sich sicher. Die mediale Kritik an ihrer Entscheidung, nur als Ministerpräsidentin nach Hessen zurückzukehren und während der Zeit vor der Wahl das Innenministerium weiterzuführen, ist groß. Doch diese Kritik hält Faeser aus. „Es ist eine demokratische Selbstverständlichkeit, aus einem Amt heraus zu kandidieren“, entgegnet sie den Vorwürfen.

„Hessen braucht eine neue Politik, eine Landesregierung, die die Menschen in den Mittelpunkt stellt.“

Wenn sich Nancy Faeser zurückerinnert, ob ihr Geschlecht eine Rolle bei ihrer Auswahl gespielt hat, sagt sie: „Das Gesamtpaket war entscheidend – und dazu gehört mein politisches Profil, meine Erfahrung und meine Persönlichkeit genauso wie die Tatsache, dass ich die erste Frau in diesem Amt bin. Es gibt in der Innenpolitik leider immer noch nicht so viele Frauen wie in anderen Politikbereichen. Ich will dazu beitragen, dass sich das ändert.“ Sie habe sich riesig gefreut, als Bundeskanzler Olaf Scholz sie angerufen und gefragt habe, ob sie Deutschlands erste Innenministerin werden will. Aber vor allem sei es eine große Ehre für sie, an dieser entscheidenden Stelle Verantwortung für die Sicherheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land zu tragen. Die Sicherheit der Frauen sei Faeser ein besonderes Anliegen: „Wir können es als Gesellschaft niemals akzeptieren, wenn Männer Frauen Gewalt antun. Ich will dafür sorgen, dass wir genauer hinschauen und Strategien dagegen entwickeln“, sagt sie. Als Innenministerin hat sie noch viel vor. An den Wahlkampf in Hessen denkt sie noch nicht: „Vor allem vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine ist jetzt nicht die richtige Zeit für einen Wahlkampf“, sagt sie.

Bild: Peter Jülich

Mit ihrer Arbeit als Innenministerin will sie auch die Menschen in Hessen davon überzeugen, dass sie die Richtige ist, um ihre Heimat in eine gute Zukunft zu führen. Beim Hessengipfel der SPD in Friedewald spricht sie ein emotionales Statement in die Kameras: „Ich mache den Menschen in Hessen ein Angebot. Ich trete dafür an, dass Hessen moderner, sozialer und stärker wird. Hessen braucht eine neue Politik, eine Landesregierung, die die Menschen in den Mittelpunkt stellt. Und ganz persönlich finde ich auch: Hessen braucht nach so langer Zeit mit männlichen Ministerpräsidenten eine Frau an der Spitze, die frischen Wind in die Staatskanzlei bringt.“