Rudi Schmitt holte als Oberbürgermeister von Wiesbaden 1970 den Hessentag in die Landeshauptstadt. Damals war er 42 Jahre alt. Heute, 53 Jahre später, ist Rudi Schmitt 95 Jahre alt. Wir haben ihn in seinem Haus in Wiesbaden besucht, und er hat uns aus seinen Erinnerungen an das Landesfest erzählt.
SPD-Landtagsfraktion – Christina Schäfer
Der Hessentag hatte bislang nur auf dem Land stattgefunden. Ich dachte, er sollte auch mal in der Landeshauptstadt stattfinden. Da ich lange der Landtagsfraktion angehört hatte, verfügte ich über beste Verbindungen. Vor allem kannte ich auch Albert Osswald, den damaligen Ministerpräsidenten von Hessen, sehr gut. Gemeinsam mit ein paar Leuten aus der Staatskanzlei haben wir eine Arbeitsgruppe gebildet und uns um den Hessentag beworben. Wissen Sie, damals war die SPD noch die Hessen-Partei. Wir hatten Mehrheiten im Land und in vielen Kommunen und stellten die meisten Oberbürgermeister. Osswald war schließlich einverstanden, es mit dem Hessentag in einer Großstadt zu versuchen. Wir haben ein tolles Programm auf die Beine gestellt. Es wurde eine Landtagsbesichtigung angeboten und Parlamentarier und Minister stellten sich der direkten Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern. Das wurde gerne angenommen. Für den Festumzug haben wir eine große Sitztribüne neben dem Rathaus aufstellen lassen. Es gab Speisestände und die örtliche Brauerei, die es damals in unserer Stadt noch gab, bot sogar Freibier an. Auf dem Festumzug präsentierten die Gemeinden und Landsmannschaften ihre Trachten und Tänze. Wissen Sie, nach dem Krieg waren viele Heimatvertriebene aus dem Sudetenland, aus Pommern und Schlesien nach Hessen gekommen. Sie hatten es hier zunächst nicht leicht, lebten in schwierigen Verhältnissen. Manche waren in Luftschutzbunkern untergebracht, die waren ja nun frei. Andere lebten in Nissenhütten. Der Hessentag gab ihnen die Möglichkeit, teilzunehmen und ihre Trachten und ihre Kultur zu zeigen und sich in der neuen Heimat angenommen zu fühlen. Auch die Einheimischen aus dem Odenwald, dem Vogelsberg und der Schwalm kamen nach Wiesbaden und nahmen am Festumzug teil. Als Oberbürgermeister von Wiesbaden war es mir wichtig, auch unsere Amerikaner zu beteiligen. Schließlich lebten damals 30.000 Amerikaner mit Familien in unserer Stadt. Sie haben mitgemacht mit Spielmannszügen und Kapellen. Eine Polizeipyramide war Teil des Umzugs und auch die Bundeswehr war vertreten. Ein besonderer Moment für mich war der Empfang im Rathaus, den ich geben durfte. Ich begrüßte den Ministerpräsidenten Albert Osswald, sein Kabinett und alle angereisten Oberbürgermeister aus Hessen. Sie alle haben sich dann ins Goldene Buch der Stadt eingetragen.
Leider war während der Festtage. Das Wetter eher mäßig, und es kamen nicht so viele Besucher wie gewünscht. Nun liegt Wiesbaden ja auch im südlichen Teil von Hessen, vielleicht war die Anreise für viele einfach zu weit. Für unsere Hotels und die Tourismusbranche war es dennoch eine lohnenswerte Veranstaltung. Das Aufräumen anschließend war kein großes Thema, das hat hier in der Stadt eigentlich immer gut geklappt. Es hat sich auch niemand von den Wiesbadenern beschwert. Der Hessentag in Wiesbaden war eine gute Sache. Dennoch entschied die Landesregierung, eine derart volksnahe Veranstaltung in Zukunft wieder auf dem Land stattfinden zulassen. Mein Eindruck ist, dass es politisch funktioniert hat – die Einrichtung des Hessentags. Die Integration der Heimatvertriebenen war damals ein wichtiges Anliegen. Wir hatten zu der Zeit im Land eine Koalition aus SPD und dem Bund der Heimatvertriebenen (BHE). Diese Menschen haben einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau nach dem Krieg, zur Wirtschaft und Landwirtschaft in Hessen geleistet. Die Wiesbadener Landsmannschaften mit ihren Trachtenvereinen nahmen auch an anderen Veranstaltung teil, an der Fastnacht und den Kerben. Dabei wurde Zusammenhalt demonstriert und gelebt, alle in einer Heimat. Für den einen Teil war es die alte Heimat, für den anderen Teil die neue. Vor allem Georg-August Zinn hat zu dieser Zusammengehörigkeit beigetragen. Er war der Landesvater für alle. Sein Hessentag war ein Fest für alle, da haben sich alle kennengelernt.
Vita Rudi Schmitt
Rudi Schmitt ist am 8. Januar 1928 in Frankfurt am Main geboren
- Volksschule
- Kriegseinsatz 1944
- Dazwischen Hilfsarbeiter
- Studium Lehramt/Uni Frankfurt
- 1954 Wahl in den Hessischen Landtag als Abgeordneter der SPDFraktion
- damals mit 26 Jahren der jüngste Abgeordnete
- 1960 wurde er neben seinem Abgeordnetenmandat Dezernent für Schule und Kultur im Magistrat der Stadt Wiesbaden unter Oberbürgermeister Georg Buch.
- 1968 wurde Rudi Schmitt mit 40 Jahren der bis dahin jüngste Oberbürgermeister der Stadt Wiesbaden.
- Er war leidenschaftlicher Tennisspieler und Bergsteiger.
- Er war 63 Jahre mit Marliese Schmitt verheiratet, die 2017 verstarb. Er hat drei Töchter und drei Enkel.“