Svenja Beck wurde Opfer von schwerer Gewalt in ihrer Beziehung. Sie schaffte den Weg heraus. Heute hilft sie anderen Betroffenen.
Interview – Svenja Beck
geführt von Nadine Gersberg
Svenja, du warst selbst von häuslicher Gewalt betroffen, hast zwei Femizid-Versuche überlebt. Heute hilfst du mit deinem Verein anderen Frauen, toxische Beziehungen zu überwinden. Woher nimmst du deine Stärke?
Ich gewinne meine Stärke aus Selfcare. Ich achte darauf, dass ich mir selbst auch etwas Gutes tue. Die größte Kraft ziehe ich aus meiner Familie.
Was brauchen Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, um sich aus ihrer Beziehung zu lösen?
Sie brauchen das Gefühl, ernst genommen zu werden. Sie brauchen Unterstützung, ein Netzwerk. Daran hapert es aber leider oft. Viele öffentliche Stellen wollen alleine mit den Frauen arbeiten. Ich finde, die Hilfsangebote sollten sich untereinander vernetzen. So hätten Betroffene mehrere Stellen, an die sie sich zu gegebener Zeit wenden können.
Wie kann man Frauen, die am Anfang einer Beziehung zu einem narzisstischen Mann stehen, warnen?
Frauen sollten auf ihr Bauchgefühl hören. Die meisten von Gewalt betroffenen Frauen haben schon am Anfang ihrer Beziehung ein schlechtes Bauchgefühl, das sagt, da stimmt was nicht, pass auf. Dieses Bauchgefühl sollten Frauen ernst nehmen und die Finger von diesem Menschen lassen.
Du berichtest in deinen Vorträgen, dass sich gewaltvolle Beziehungen in vielen Vorgängen gleichen. Gibt es andere Warnsignale außer ein Bauchgefühl? J
a, vor allem am Anfang einer toxischen, gewaltvollen Beziehung gibt es Warnsignale. Etwa das „Love Bombing“. Die Männer überhäufen die Frauen mit Liebe. Aber gleichzeitig schränken sie damit die Frau auch ein. Es passiert auch häufig, dass die Männer den Frauen großes Interesse signalisieren und dann plötzlich den Kontakt komplett einstellen, damit die Frau angekrochen kommt und den Kontakt sucht. Bahnt sich eine gesunde Beziehung an, dann melden sich beide, der Kontakt vertieft sich und wird nicht plötzlich abgebrochen.
Was braucht Hessen, um Frauen besser vor Gewalt schützen zu können?
Sehr viele Selbsthilfegruppen und ein Netzwerk der Hilfsangebote, das ich ansprach. Frauen müssen die Möglichkeit haben, sich früh an jemanden wenden können, ohne Angst vor Konsequenzen.
Es gibt bei Vergewaltigung die Möglichkeit, ins Krankenhaus zu gehen und dort alles feststellen und festhalten zu lassen und später zu überlegen, ob man eine Anzeige machen möchte oder nicht. Die sogenannte Soforthilfe nach Vergewaltigung. Gibt es das auch für häusliche Gewalt?
In Baden-Württemberg ja, bei uns in Hessen nicht. Heidelberg hat eine Gewaltambulanz. Da werden die Daten ein Jahr lang gespeichert. Bei uns in Hessen ist es mir nicht bekannt, dass es das gibt, aber ich finde, jede große Stadt sollte dieses Angebot haben.
Welche Rolle spielen Kinder bei der Trennung von einem gewalttätigen Partner?
Kinder spielen eine große Rolle. Ich sage immer: Genau wegen der Kinder sollte man sich trennen, damit sie die Chance auf eine normale Kindheit haben. Viele Frauen haben aber Angst, nach einer Trennung die Kinder abgenommen zu bekommen.
Viele Menschen wissen nicht, wie sie reagieren sollen, wenn sie häusliche Gewalt, z. B. in der Nachbarschaft, mitbekommen. Wie können sie den Betroffenen am meisten helfen?
Die Betroffenen immer ansprechen, wenn sie alleine sind. Auf sie zugehen und signalisieren: Ich sehe, was da passiert, wenn du Hilfe brauchst, kannst du mich ansprechen. Das ist sehr wichtig, damit sich Betroffene nicht alleine fühlen. Und wenn man Schreie oder Ähnliches hört, sofort die 110 anrufen.
Welche Tipps gibst du Frauen, die sich aus einer gewalttätigen Beziehung befreit haben?
Sie sollten sich Hilfe von außen holen und eine Psychotherapie oder Traumatherapie machen. Man kann sich auch an Trauma- Ambulanzen wenden. Oder natürlich auch an unseren Verein.
Was liegt dir noch besonders am Herzen? Was möchtest du betroffenen Frauen mitgeben?
Ich möchte betroffenen Frauen Mut machen! Ihr könnt es schaffen, aus eurer gewalttätigen Beziehung auszusteigen! Ein schönes Leben wartet auf euch! Es gibt einen Weg da raus.
Svenja Beck lebte fünf Jahre lang in einer toxischen Partnerschaft. Diese war geprägt von emotionalem sowie narzisstischem Missbrauch und
starker körperlicher Gewalt. Die Trennung ist gelungen, weil sie
sich intensiv mit dem Thema emotionaler Missbrauch beschäftigt
und sie Unterstützung von vielen Menschen hatte. Svenja leistet Aufklärungsarbeit und hat dafür den Verein T.o.B.e „Toxische
Beziehungen überwinden“ gegründet.
Das Thema Gewalt gegen Frauen beschäftigt auch die SPD-Landtagsfraktion. Gemeinsam setzen wir uns mit unterschiedlichen Initiativen gegen Gewalt und für Frauen ein.
Unsere aktuellen Initiativen sind:
Antrag zur Bedarfsdeckenden Förderung der Betriebskosten- und Personalkostenzuschüsse für Frauenhäuser
Antrag, Drucksache 20/9925
Öffentlichkeitskampagne „Gegen sexuelle Belästigung“
Antrag, Drucksache 20/9918
Präventionsarbeit zur Aufklärung über Loverboy-Methode
Antrag, Drucksache 20/9919
Ausweitung der Weiterbildungen zur Sensibilisierung und Supervisionsangebote beim Umgang mit häuslicher Gewalt in hessischen Behörden
Antrag, Drucksache 20/9920
Förderung von Selbsthilfegruppen
Antrag Drucksache 20/9921
Öffentlichkeitskampagne für „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“
Antrag, Drucksache 20/9923
Ausweitung Täter*innenarbeit/Krisenberatung bei häuslicher Gewalt
Antrag, Drucksache 20/9883
Versorgung von Gewaltopfern: Psychosoziale Beratung ausbauen
Antrag, Drucksache 20/9884
Sensibilisierung für das Thema häusliche Gewalt in hessischen Behörden, Polizeidienststellen und Schulen
Berichtsantrag, Drucksache 20/6211
Upskirting: Unbefugtes Anfertigen von Bildaufnahmen intimer Körperbereiche einer Person in der Öffentlichkeit unter Strafe stellen Antrag,
Drucksache 20/1230
Cybergrooming
Kleine Anfrage, Drucksache 20/1162
Loverboy-Methode zur Erzwingung von Prostitution
Kleine Anfrage, Drucksache 20/1163