Um die Menschen seines Landes zu vereinen und die Integration der Heimatvertriebenen zu fördern, lässt der damalige SPD-Ministerpräsident von Hessen, Georg-August Zinn, ein Fest veranstalten. Drei Tage lang präsentieren alle, die in Hessen leben, in der Stadt Alsfeld ihre Traditionen und Brauchtümer und feiern gemeinsam.
SPD-Landtagsfraktion – Christina Schäfer
Es ist das Jahr 1961. Das Kriegsende liegt 16 Jahre zurück. Der Wiederaufbau lässt hier und da zarten Wohlstand zu. Doch Deutschland ist geteilt. Der Bau der Berliner Mauer beginnt. Heimatvertriebene und Flüchtlinge kamen nach dem Krieg aus Pommern, Schlesien und dem Sudetenland. Sie haben zwar mit aufgebaut, und doch leben viele immer noch in Luftschutzbunkern oder Wellblechhütten. Die Situation in der Republik macht dem damaligen SPD-Ministerpräsidenten von Hessen, Georg-August Zinn, große Sorgen. Das ärmere Nordhessen und das wohlhabendere Südhessen wurden 1945 zu einem Bundesland zusammengefasst. Das neue Hessen hat eine Million Heimatvertriebene aufgenommen. Um die Menschen seines Landes zu vereinen und die Integration der Heimatvertriebenen zu fördern, lässt Zinn ein Fest veranstalten. Drei Tage lang präsentieren alle, die in Hessen leben, in der Stadt Alsfeld ihre Traditionen und Brauchtümer und feiern gemeinsam. Am Sonntag, 2. Juli 1961, endet das Landesfest. Bei heiterem Wetter tritt der Ministerpräsident vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Alsfeld ans Rednerpult. Er lobt die Organisation, betont das gemeinsam Erreichte und das Verbindende lebendiger Traditionen. Er spricht über die Zerrissenheit in der Welt und die Bedeutung der Heimat für alle Menschen. Dann sagt er einen Satz, der in die Geschichtsbücher des Landes eingeht: „… denn Hesse ist, wer Hesse sein will.“ Ein Satz, der damals wie heute aktuell ist. Georg-August Zinn wollte, dass Hessen Heimat für alle Menschen ist, unabhängig von Herkunft und Religion.
Seitdem hat das Landesfest bereits 59-mal an 50 verschiedenen Orten stattgefunden. Zinns Vision ist aufgegangen. Er hat eine Tradition geschaffen, die bis heute Menschen in Hessen verbindet.
Zur Tradition ist mittlerweile auch die Kritik an den Kosten geworden. Schon 1970, als der Hessentag in Wiesbaden stattfand, beklagte man vonseiten der Opposition (damals war das die CDU), dass die Ausrichtung „in die Millionen Mark gehende Beträge verschlinge“.
„Dafür haben wir aber auch 300.000 Menschen die kostenlose Teilnahme an Veranstaltungen ermöglicht.“
Tatsächlich habe der Hessentag in Wiesbaden rund 240.000 Mark gekostet, so der damalige Oberbürgermeister Rudi Schmitt: „Dafür haben wir aber auch 300.000 Menschen die kostenlose Teilnahme an Veranstaltungen ermöglicht.“ Heute kostet die Ausrichtung des Hessentags wirklich Millionenbeträge. Hohe Sicherheitsvorkehrungen, Hunderttausende Besucherinnen und Besucher und ein Staraufgebot, das mittlerweile zum Standard bei den Hessentagen gehört, schlagen kräftig zu Buche. Das Land Hessen unterstützt die ausrichtenden Städte. Pfungstadt bekommt in diesem Jahr 8,5 Millionen Euro aus dem Landestopf. Ob das reicht? In den vergangenen Jahren haben einige Städte trotz der Zuschüsse hohe Verluste eingefahren. Spitzenreiter war Stadtallendorf, das 2010 5,9 Millionen Euro Miese machte. Doch die Ausrichtung des Hessentags bringt auch mit sich – Tourismus und Wirtschaft werden gestärkt, die Infrastruktur wird aufgewertet, und die Bekanntheit steigt. Einige Fans des Hessentags beklagen, das Fest sei über die Jahre größer und anonymer geworden. Heimat, Traditionen und Miteinander würden hinter kommerziellen Veranstaltungen und Menschenmassen verschwinden.
Günter Rudolph, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion und Stammgast auf dem Hessentag, findet die Kritik gerechtfertigt: „Man kann schon diskutieren, ob man unbedingt eine Arena für Konzerte mit 25.000 Menschen braucht“, sagt er, doch seinen Sinn habe der Hessentag nicht verloren. „Das Fest bringt Menschen zusammen. Auch heute präsentiert das Land hier seine Vielfalt. Es geht zwar nicht mehr um die Integration der Heimatvertriebenen, die ist längst gelungen. Doch auch in unserer Zeit wird das Land bunter. Viele unterschiedliche Kulturen sind auf dem Landesfest vertreten. Wer auf den Hessentag kommt, ist bereit, sich auf etwas Neues einzulassen.“ Der Fraktionsvorsitzende findet, das Fest müsse nachhaltiger werden. „Nachhaltigkeit sollte ein Kriterium für die Auswahl der Bewerber um die Ausrichtung sein. Nur ein Konzept, das umwelt- und klimaschonend ist, sollte Zustimmung finden“, so Rudolph. In diesem Jahr findet der Hessentag zum 60. Mal statt.
In diesem Jahr findet der Hessentag zum 60. Mal statt. Pfungstadt ist Austragungsort.
Pfungstadt ist Austragungsort, wie schon einmal im Jahr 1973. Damals kamen 160.000 Besucherinnen und Besucher, dieses Jahr werden 600.000 Menschen erwartet. Auch hier stehen Stars auf dem Programm, wie die Sängerinnen Sarah Connor und Andrea Berg oder auch Komiker Bülent Ceylan. Die Regionen Hessens präsentieren sich auf dem „Hessenmarkt“ an Ständen, die heimische Flora und Fauna gibt es im Rahmen einer Ausstellung des Umweltministeriums „Natur auf der Spur“ zu entdecken. Kulturvereine und Religionsgemeinschaften stellen sich vor. 110 Gruppen haben sich für den traditionellen Festzug angemeldet. Sie wollen ihre Trachten, Traditionen und Brauchtümer präsentieren. Unter ihnen sind Gruppen aus Nord- und Südhessen sowie aus der Türkei, der Ukraine, Italien und Namibia.