Warum hört der Radweg auf?

SPD-Landtagsfraktion – Luisa Neurath

Ob Rennrad, E-Bike, Mountainbike oder Lastenrad: Das Fahrrad boomt. Wer an einem schönen Sommerwochenende auf dem Fuldaradweg R1 in Nordhessen unterwegs ist oder die Sonne am Frankfurter Mainufer genießt, kann eindrucksvoll beobachten, dass sich das Fahrrad in den letzten Jahren vom Drahtesel zum Lifestyleprodukt entwickelt hat. Für viele Radfahrerinnen und Radfahrer ist es als Alltagsfahrzeug nicht mehr wegzudenken. Doch ist das Fahrrad in all seinen verschiedenen Formen und Funktionen mittlerweile als Verkehrsmittel der Zukunft im Straßenverkehr angekommen?

Es gibt viele gute Gründe dafür, aufs Fahrrad umzusatteln. In Sachen Klimabilanz ist wahrscheinlich nur das Wandern umweltfreundlicher, Fahrräder verursachen keine gesundheitsschädlichen Abgase und brauchen weniger Platz als Autos, die unsere Innenstädte verstopfen – etwa acht Fahrräder passen auf den Platz eines parkenden PKWs. Gleichzeitig stärkt das Radfahren die Gesundheit: Ein Forschungsteam der Universität Zürich fand heraus, dass sich Personen, die regelmäßig mit dem Fahrrad fahren, gesünder fühlen, mehr Energie und weniger Stress haben als andere. Als Ausdauersport stärkt es das Herz- Kreislauf-System und das Immunsystem. Durch die Vielzahl von verschiedenen Fahrradmodellen ist außerdem für jedes Fitness- und Fähigkeitslevel etwas dabei.

Wer häufig mit dem Fahrrad in Hessen unterwegs ist, merkt allerdings schnell, dass Fahrrad und Auto noch längst keine gleichwertigen Verkehrsmittel sind. Viele Radwege hören plötzlich auf, oder einfache Fahrbahnmarkierungen auf vielbefahrenden Hauptstraßen sollen als Fahrradweg genügen. An anderen Stellen konkurrieren Fußgänger und Radfahrer um den wenigen Platz auf den Bürgersteigen – da sind Konflikte vorprogrammiert. Schon Mark Twain zog in seinem Essay „Wie man ein Hochrad zähmt, das Fazit (frei zitiert): „Besorge dir ein Fahrrad. Du wirst es nicht bereuen – sofern du überlebst.“ Von gefährlichen Überholmanövern über tote Winkel bis hin zu sich plötzlich öffnenden Türen parkender Autos gibt es im Straßenverkehr viele Gefahren für Radfahrerinnen und Radfahrer. Im Jahr 2020 starben insgesamt 426 Radfahrer im Straßenverkehr, auch weil gerade ältere Personen mit Pedelecs ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen.

Was müsste sich ändern, damit das Fahrrad in Zukunft gleichberechtigter am Straßenverkehr teilnehmen kann? Zunächst einmal müssten an Hessens Landesstraßen mehr Radwege gebaut werden – aktuell haben nämlich nur 12 Prozent der 7.200 Kilometer Landesstraßen einen Radweg. Laut dem hessischen Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ADFC gibt es zudem „Hinweise auf jahrzehntelange Vernachlässigung“ der hessischen Radwege, die Sanierung und der Ausbau des Radwegenetzes verliefen schwach bis mäßig. Dabei können Hessens Kommunen beim Fahrradklimatest 2020 des ADFC e. V. punkten: Unter den fahrradfreundlichsten Städten befinden sich zum Beispiel Frankfurt am Main und Baunatal – und in der Landeshauptstadt Wiesbaden hat sich das Fahrradklima im Vergleich zur Befragung 2018 am stärksten verbessert. Damit in Zukunft noch mehr Menschen auf das Rad umsatteln, fordern der ADFC von der hessischen Landesregierung eine bessere Finanzierung des Radwegebaus sowie schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren.

 Radverkehr in Hessen:

 25.000 Kilometer Radwege gibt es in Hessen, 3.300 Kilometer davon sind Radfernwege. Quelle: ADFC Hessen e. V.

Nur an 12 % der Landesstraßen gibt es einen Radweg. Quelle: ADFC Hessen e. V.

42 % der Hessinnen und Hessen wollen das Fahrrad in Zukunft häufiger nutzen. Quelle: Fahrrad-Monitor 2021, Sinus-Institut für Marktund Sozialforschung im Auftrag des hessischen Verkehrsministeriums

Luisa Neurath ist Referentin für Social Media der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag.