Mobilität von morgen in Hessen.

Wie wird der Verkehr in Zukunft aussehen? Schaffen wir es, genauso mobil zu sein und trotzdem den Planeten zu schützen? Im Hessischen Landtag arbeitet eine Kommission an dem Masterplan für Hessens Mobilität der Zukunft.

SPD-Landtagsfraktion – Christina Schäfer

 

Mobilität bedeutet Freiheit. Und um diese Freiheit auszuleben, nehmen wir in Deutschland meistens das Auto. Doch in die Unbekümmertheit, mit der wir uns bislang bewegt haben, hat sich ein schlechtes Gewissen geschlichen: der Klimawandel mit seinen Bildern von brennenden Wäldern, schmelzenden Gletschern und verdorrenden Feldern. Ein Teil unserer geliebten Mobilitätsfreiheit ist zu Teufelszeug geworden. Aber wie lässt sich der ökologische Fußabdruck der eigenen Mobilität verkleinern? Wie können wir es schaffen, im ländlichen Raum echte Alternativen zum Auto anzubieten? Und wie schaffen wir es, alle Menschen an einer Mobilität der Zukunft teilhaben zu lassen?

Millionen Menschen in Hessen unterwegs

Hessen ist so etwas wie die Mobilitätszentrale Deutschlands: Es liegt mitten in der Republik, beherbergt Deutschlands größtes Autobahnkreuz, den größten Bahnknotenpunkt und den größten Flughafen. Darüber hinaus ist die Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main die Logistikdrehscheibe der Bundesrepublik. Täglich sind hier Millionen Menschen unterwegs, die mit Staus auf den Straßen und mit Verspätungen und drangvoller Enge im öffentlichen Verkehr konfrontiert sind. „Wir haben in Hessen zu viel Verkehr auf zu wenig Infrastruktur“, fasst Tobias Eckert, Verkehrsexperte der SPD-Landtagsfraktion Hessen zusammen.

Anders sieht es in den ländlich geprägten Regionen aus, Staus sind hier kein Thema, dafür aber das eingeschränkte Angebot an Bussen und Bahnen. Zwischen Stadt und Land gibt es deswegen ganz unterschiedliche Vorstellungen von einer Mobilität der Zukunft.

Vision der Zukunft in Stadt und Land

Die meisten Stadtmenschen stellen sich ihr Viertel so vor: möglichst wenige Autos auf den Straßen, dafür Platz für Cafés, spielende Kinder und Stadtgrün. Und wenn es doch mal gebraucht wird, holt man sich das Elektroauto vom Carsharing aus der Quartiersgarage.

Die Vision eines ländlich lebenden Menschen in Hessen könnte so aussehen: Mit dem eigenen Elektroauto geht es morgens bis zur nächsten Pendlergarage, von dort mit dem Elektroschnellbus oder der Bahn zur Arbeit – beide fahren natürlich zuverlässig alle zehn Minuten und sind hell, sauber und komfortabel.

Aber die Realität – ob im Ballungsraum oder auf dem Land – ist bekanntlich eine andere.

Masterplan-Schmiede für Hessens Mobilität

„Wir wünschen uns alle weniger Autos. Doch wir haben uns auf ein Leben mit dem Auto eingestellt und gestalten unseren Alltag entsprechend. Auf Komfort und unsere Gewohnheiten verzichten wir nicht einfach so“, sagt die Verkehrsexpertin Prof. Dr. Barbara Lenz. Ihre Expertise liegt in der Betrachtung von Mobilität aus sozialwissenschaftlicher Perspektive.

Die SPD-Landtagsfraktion konnte Prof. Lenz als ständige Beraterin für die „Enquete Mobilität“ gewinnen, also für die Kommission des Hessischen Landtags, die im Herbst 2020 eingesetzt wurde, um einen Masterplan für die Zukunft der Mobilität in Hessen zu erarbeiten. Gemeinsam mit den Abgeordneten der SPD beschäftigt sich Prof. Lenz vor allem mit der Frage, was Menschen zum Umstieg vom Auto auf alternative Verkehrsmittel bewegen könnte. Sie sagt: „Die autofreie Zukunft wird es nicht geben. Wir werden auch in 20 Jahren noch Auto fahren und hochmobil sein. Aber auch ohne die Abkehr vom Auto ist klimafreundliche Mobilität möglich: Wenn wir ausschließlich elektrisch und ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien fahren würden, wären wir schon ziemlich gut. Die Technologien für einen klimafreundlichen Verkehr und die dafür nötige Infrastruktur sind alle schon vorhanden. Wir brauchen aber den Mut und die Bereitschaft, sie konsequent einzusetzen.“

In den Städten gebe es schon ein breites Angebot an öffentlichen Mobilitätsangeboten, führt Prof. Lenz aus. Dort sei man bis in die Nacht hinein mit Bus und Bahn schnell und verlässlich unterwegs. „Zudem gibt es Sharing-Angebote für Autos, E-Roller oder Fahrräder. All das findet aber auf dem Land zu wenige Nutzer und ist nicht wirtschaftlich. Deswegen bleibt das Auto im ländlichen Raum auf absehbare Zeit das Verkehrsmittel der Wahl“, erklärt Lenz.

Klimafreundlich ohne Verbote

„Und genau deswegen dürfen wir das Auto nicht grundsätzlich verteufeln“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Tobias Eckert, der verkehrspolitische Sprecher seiner Fraktion und ihr Obmann in der Verkehrsenquete des Hessischen Landtags. Er fordert: Nur die Mischung aus allen Verkehrsmitteln kann die Lösung sein. „Wir müssen auf dem Land die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge ausbauen und gleichzeitig in den Städten konsequenter zum Umsteigen auf den ÖPNV animieren, indem wir Busse und Bahnen komfortabler, verlässlicher und vor allem wieder erschwinglich machen. Das 9-Euro Ticket hat ja bewiesen, wie viel sich da über den Preis bewegen lässt.“ Auch das Rad habe in der Stadt noch viel Potential, glaubt Eckert: „Wenn wir mehr gute Radwege schaffen und sichere Abstellmöglichkeiten an Umsteigepunkten aufstellen, dann werden noch mehr Menschen auf das Rad umsteigen.“

Die Arbeit in der Enquetekommission erlebt der SPD-Verkehrsexperte als wegweisend: „Die Kommission wurde ja – übrigens maßgeblich auf Betreiben der SPD-Fraktion – eingerichtet in dem Bewusstsein, dass die Mobilität der Zukunft nur im Ganzen gedacht und geplant werden kann, nicht in Fragmenten. Alles, was das Land Hessen plant, muss verzahnt sein mit den Planungen der Kommunen und mit denen des Bundes. Am Ende geht es darum, ein intelligentes System der verschiedenen Fortbewegungsmittel zu schaffen, das den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht wird und gleichzeitig alle zuverlässig dorthin bringt, wo sie hinwollen. Wenn wir diesem Ziel nahekommen, ist schon viel  gewonnen.“

 

Prof. Dr. Barbara Lenz ist Geografin und Verkehrsforscherin. Von 2007 im April 2021 war sie Direktorin des Instituts für Verkehrsforschung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Sie lehrt weiterhin an der Humboldt-Universität zu Berlin und war bzw. ist Mitglied einer Vielzahl von wissenschaftlichen Beiräte an der Schnittstelle von Mobilität und Klimaschutz.

 

Enquete Mobilität

Auf Antrag der Fraktionen von SPD und FPD  hat der Hessische Landtag im Herbst 2020 die Enquetekommission eingesetzt.

Aufgabe: Die Kommission soll ein Verkehrs konzept für die Mobilität in Hessen 2030  entwerfen.

Mitglieder: 15 Abgeordnete aller Fraktionen  und je Fraktion eine beratende Sachverständige oder ein beratender Sachverständiger.

Beratend in der Kommission:  Hessischer Landkreistag, Hessischer Städte-  und Gemeindebund, Hessischer Städtetag, House of Logistics and Mobility GmbH (HOLM), LAG ÖPNV, Nordhessischer Verkehrsverbund (NVV), Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV), Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN), Regionalverband FrankfurtRheinMain und Zweckverband Raum Kassel.

Besonderheit: Anders als im politischen Alltag ringen die Abgeordneten in den Sitzungen der Kommission nicht um Einzelthemen, sondern arbeiten gemeinsam an einer funktionierenden Lösung. „So müsste Politik öfter funktionieren“, sagt Tobias Eckert, Obmann der SPD in dieser Kommission, „es ist wichtig, dass alle Parteien das Konzept mittragen, denn es soll über Legislaturperioden hinaus  unsere Mobilität gestalten.“