FDP und SPD wollen die Vergabepraxis des Innenministeriums von einem Untersuchungsausschuss überprüfen lassen. Das gaben die beiden Fraktionsvorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel und René Rock am Freitag in einer Pressekonferenz im Landtag bekannt. Zuvor hatten die innenpolitischen Sprecher beider Parteien, Nancy Faeser und Wolfgang Greilich, Akteneinsicht im Innenministerium genommen. Sie waren dabei zu dem Schluss gekommen, dass die Vergabeverfahren über millionenschwere Verträge nicht den Anforderungen genügen, die an solche Vertragsabschlüsse zu stellen sind. Im Einzelnen geht es um die Anschaffung einer Analysesoftware namens Palantir und um Abschleppaufträge der Polizei in den Jahren 2014 bis 2017.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Schäfer-Gümbel kritisierte, dass das Innenministerium in beiden Fällen „auf eher plumpe Art und Weise“ versucht habe, den Anschein einer ordnungsgemäßen Vergabe zu erwecken. „Die Unterlagen sprechen aber eine andere Sprache. Wir haben deutliche Hinweise, dass bei der Beschaffung der polizeiliche Analyse-Software ‚Gotham‘ das Vergabeverfahren mit Macht in die gewünschte Richtung gesteuert wurde, weil der Auftragnehmer offenbar von Anfang an feststand. Und das, obwohl das beauftragte Unternehmen wegen des Verdachts mangelhafter Datensicherheit schon länger in der Kritik steht. Ein anderer Fall sind die Abschleppaufträge von der Polizei – die wurden massenweise freihändig vergeben, ohne Rahmenvertrag, ohne Preisvergleiche. Der Innenminister hat bisher bei Nachfragen von SPD und FDP mit wechselnden, nicht belastbaren Zahlen hantiert und musste sich mehrfach korrigieren. Wir müssen deswegen annehmen, dass er sein Haus nicht im Griff hat. Es kann nicht sein, dass ausgerechnet das Ministerium, das wie kein anderes für Recht und Ordnung steht, sich über elementare gesetzliche Vorgaben für öffentliche Aufträge stellt. Da der Innenminister in der Vergangenheit die erforderlichen Auskünfte nicht geben konnte oder nicht geben wollte, sehen wir keine andere Möglichkeit als die Klärung in einem Untersuchungsausschuss. Wir wollen damit durchsetzen, was der Rechnungshof schon vor zwei Jahren angemahnt hat – dass das Innenministerium sich bei der Auftragsvergabe endlich an Recht und Gesetz hält“, stellte Schäfer-Gümbel fest.
Auch die Anschaffung der Analysesoftware „Gotham“ weise klärungsbedürftige Aspekte auf, so Nancy Faeser, die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. Sie sagte: „Offenbar auf persönlichen Wunsch des Innenministers wurde die Software im Schnellverfahren installiert – und zwar nicht beim Landeskriminalamt, das die richtige Behörde für so ein Programm gewesen wäre, sondern beim Polizeipräsidium Frankfurt. Die Begründung des Ministers, in Frankfurt gebe es eine ausgeprägte Salafistenszene, zu deren Beobachtung die Software eingesetzt werde, überzeugt ebenso wenig wie das überstürzte Vergabeverfahren. Hinzu kommt noch, dass zu keinem Zeitpunkt ernsthaft Alternativen geprüft wurden, beispielsweise das vom Land Niedersachsen selbst entwickelte Programm ‚Knime‘. Stattdessen arbeitet die hessische Polizei nun mit einer Software, die von einem – freundlich ausgedrückt – umstrittenen Unternehmen stammt. So wird der Hersteller von ‚Gotham‘ mit der Skandalfirma Cambridge Analytica in Verbindung gebracht. Deswegen stellen sich hier neben Fragen zu dem eigentümlichen Vergabeverfahren auch ernsthafte Probleme bei der Datensicherheit, die man bei einer korrekten Ausschreibung hätte erörtern und ausräumen können. Wir sind uns mit der FDP einig, dass ein Auftrag dieser Größenordnung nicht in dieser Form vergeben werden kann. Weil auch hier alle bisherigen Erklärungen des Innenministers unzureichend waren, ist der Untersuchungsausschuss das einzige Mittel, um Licht in die Sache zu bringen.“