Norbert Schmitt: Landesregierung schwimmt im Geld – historischer Tiefststand bei öffentlichen Investitionen

Der Hessische Landtag hat heute in Erster Lesung den Gesetzentwurf der Landesregierung für die Feststellung des Haushaltsplans des Landes für das Haushaltsjahr 2017 beraten. Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Norbert Schmitt, übte heftige Kritik an der Verweigerungshaltung der schwarz-grünen Landesregierung im Bereich der Investitionen und warf der Koalition vor, sich lediglich mit fremden Federn zu schmücken.

„Die Landesregierung schwimmt im Geld, weil die Konjunktur gut läuft und der Bund Milliarden Euro Hessen zur Verfügung stellt. Im Vergleich zur Vorgängerregierung hat Hessen sagt und schreibe 4,7 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. So hat alleine der Bund seit 2014 seine finanziellen Leistungen an Hessen um 1,2 Milliarden Euro aufgestockt. Dazu kommen 3,2 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen. Dank sollte die schwarz-grüne Landesregierung vor allem an die Bundesregierung senden, statt sich in selbstverliebtem Eigenlob zu ergötzen“, sagte Schmitt.

Trotz der Mehreinnahmen in Milliardenhöhe in den vergangenen drei Jahren würden in Hessen aber die Investitionen abgesenkt. Im Jahr 2013 – dem letzten Haushalt von CDU und FDP – hätten die Investitionsausgaben noch bei 2,15 Milliarden Euro gelegen. Jetzt sollen sie um weitere rund 150 Millionen Euro auf 2 Milliarden Euro abgesenkt werden. Der Finanzminister schwimme im Geld und trockne gleichzeitig die Investitionen aus.

Öffentliche Investitionen
„Der Anteil öffentlicher Investitionen in Hessen hat in den Jahren 2015 und 2016 historische Tiefstände erreicht. Ein Umsteuern ist nicht vorgesehen. Trotz eines hohen Investitionsstaus im Bereich von Straßenbau und Öffentlichen Personennahverkehr gibt, trotz eines Fehlens von bezahlbaren Wohnraum, trotz historischer Tiefstände bei kommunalen Investitionen und einer Milliardenlücke im Schulbau, trotz dringend notwendiger Investitionen in Sportstätten, der umweltgerechten Sanierung von Gebäuden und eines Ausbaus der Breitbandverbindungen, insbesondere im ländlichen Bereich. Im Jahr 2019 sollen die Investitionen nochmals um rund 100 Millionen Euro abgesenkt werden! Die Investitionen sind das Stiefkind dieser Landesregierung“, kritisierte der SPD-Finanzexperte.

Der Sanierungsstau bei der Straßeninfrastruktur in Hessen betrage Minimum vier Milliarden Euro. CDU und Grüne wollten 2017 dafür lediglich 7 Millionen Euro mehr bereitstellen. Dies sei peinlich und lächerlich.

Eine neue Studie der Wirtschaftsberatungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers zeige, dass Hessen nur 400 Euro pro Einwohner für Investitionen aufbringe und damit unter dem Durchschnitt von 462 Euro pro Einwohner der alten Flächenländer liege. Es existiere somit im Vergleich einen Minderbedarf bei Investitionen von 376 Millionen Euro.

Auch die hessische Wirtschaft in Form der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) habe bei ihrer Halbzeitbilanz für diese Landesregierung auf eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft hingewiesen. Dort sind die öffentlichen Investitionsquoten für das Jahr 2015 der Bundesländer im Vergleich dargestellt. Hessen nehme dabei den drittletzten Platz ein.

„Die Ausrede, dass unter anderem die vielen Ausgaben für den Länderfinanzausgleich eine der Ursachen sind, widerlegen die fast doppelt so hohen Investitionsquoten von Bayern und Baden-Württemberg, die ebenfalls Geberländer sind. Damit wird klar, die niedrige Investitionsquote hat etwas mit politischer Schwerpunktsetzungen zu tun“, so Schmitt.

Wohnungsbau
„Wir müssen feststellen, dass es in Hessen durch die Versäumnisse der Landesregierung derzeit ein Wohnungsdefizit von über 65.000 Wohnungen gibt. Der öffentlich geförderte Wohnungsbau muss deshalb zusätzlich unterstützt und mit jährlich mindestens 2000 Wohnungen im ersten und zweiten Förderweg finanziell gefördert werden. CDU und Grüne wollen aber wiederum im Jahr 2017 nur 1380 Wohnungen fördern. Diese Förderung ist ausschließlich den Zuweisungen vom Bund zu verdanken. Im Bereich des Sozialen Wohnungsbau gibt es keinen einzigen Euro aus Landesmittel. Die 96,55 Millionen Euro, die CDU und Grüne ausgeben, sind bis zum letzten Cent Mittel, die Bundesbauministerin Hendricks an Hessen überweist“, sagte Norbert Schmitt.

Bildungspolitik
Hessen werde ‚schlauer sicherer‘, behaupten Finanzminister Schäfer und Kultusminister Lorz mit dem Verweis auf Mehreinstellungen bei Lehrerinnen und Lehrern. Aber dies sei auch dem Bedarf geschuldet, der sich durch die Flüchtlingsbetreuung, durch Inklusion, bei der Hessen immer noch Schlusslicht sei, und für bessere Ganztagsbetreuung, ergebe. „Aber in der Grundunterrichtsversorgung gibt es sogar einen Stellenrückgang um 428 Stellen. Der Zuweisungserlass des Kultusministeriums vom 13. Juni 2016 listet 38.043 Stellen auf, im Schuljahr zuvor waren es 38.471. Das ist ein Rückgang um 1,1 Prozent. Die Schülerzahl sinkt aber nur um 0,7 Prozent. Damit verschlechtert sich das Schüler/Lehrer-Verhältnis von 19,74 auf 19,82 Schüler pro Lehrer. Eine besondere Verschlechterung gibt es an den Grundschulen von 19,86 auf 20,06. Der Slogan der Landesregierung ‚Hessen wird schlauer‘ wirkt angesichts dieser Zahlen wie ein Hohn. Wer sich mit diesen Zahlen auseinandersetzt merkt, dass die Landesregierung die Bürgerinnen und Bürger für dumm verkaufen will“, so der SPD-Politiker.

Innere Sicherheit
Ähnlich verhalte es sich mit dem Motto von CDU und Grüne „Hessen wird sicherer“. So erfreulich es sei, dass CDU und Grüne endlich den SPD-Forderungen nach Mehreinstellungen bei der Polizei nachkommen, umso unerfreulich sei es, wie die Öffentlichkeit über die wahren Zuwächse getäuscht werde. Der Stellenplan mache deutlich: real gäbe es 2017 gerade einmal 95 Polizeistellen mehr. Vor dem Hintergrund der Arbeitszeitverkürzung werde es tatsächlich sogar weniger Polizei auf der Straße geben als in diesem Jahr. Die Zahl der Gesamtarbeitsstunden der Polizei gehe 2017 nämlich zurück. Zudem würden fast 30 Angestelltenstellen bei der Polizei gestrichen und die Arbeit durch Beamtinnen und Beamte übernommen werden.

Soziales und Arbeitsmarktpolitik
„Für Sozialdemokraten ist das Thema Soziales von besonderer Bedeutung. Sozialpolitik wird in dieser Regierung aber kurz gehalten und an den Rand gedrängt. Sieht man sich den Einzelplan genauer an, stellt man fest, dass die Zuwendungen für die Altenpflegschulen um 3,5 Millionen Euro gekürzt werden, obwohl das ein echter Zukunftsberuf ist, bei dem es eine hohe Nachfrage gibt. Die Altenpflegeschulen sind schon in den vergangenen Jahren mit der Landesförderung nicht ausgekommen. Es ist zudem ein großer Fehler, dass auch bei den Arbeitsmarktprogrammen gekürzt wird. Die Anzahl der Menschen, die besondere Hilfen für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt benötigen, ist weiterhin hoch.
Im Bereich der Kinderbetreuung leitet die schwarz-grüne Landesregierung nicht vollständig die 58 Millionen Euro weiter, die der Bund aus dem Wegfall des Betreuungsgeldes dem Land zur Verfügung stellt. Die klebrigen Hände der Landesregierung kommen dort wieder einmal zum Vorschein“, so Schmitt.

Flüchtlingspolitik
Natürlich stehe der Landeshaushalt durch die Herausforderung der Flüchtlingsversorgung und der Integration derjenigen, die in Hessen bleiben dürfen, vor besonderen – auch finanzpolitischen – Herausforderungen. Die SPD habe sich konstruktiv in dieser Debatte eingebracht und vertrete weiterhin die Haltung: Offenheit, Klarheit und Wahrheit in der Beschreibung der Probleme und der Herausforderungen, aber auch Entschiedenheit, Haltung und Klarheit zu einem humanen Umgang mit Flüchtlingen und einem klaren Widerspruch zu allen ausländerfeindlichen und rassistischen Gesinnungen. Die SPD werde weiterhin den Konsens suchen.

„Trotz zahlreicher Herausforderungen hat das Land 2017 erhebliche finanzpolitische Spielräume, die unzureichend genutzt werden. So erfreulich Mehreinstellungen in wichtigen Bereichen sind, umso unerfreulicher sind die weiterhin völlig unzureichenden Investitionen in den vorher genannten Bereichen. Hier lebt Hessen von der Substanz. Hessen wird nur schlauer, sicherer und gerechter werden, wenn es bei den Investitionen endlich wieder bergauf geht. Das ist aber von dieser der Landesregierung nicht zu erwarten“, fasste Schmitt die Kritik zusammen.