Thorsten Schäfer-Gümbel: Vertrauen durch Stabilität zurückgewinnen

In der Erwiderung auf die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten hat der SPD-Fraktionsvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel am Dienstag in Wiesbaden betont, dass verlorenes Vertrauen in die Europäische Union und die europäische Idee nur durch Stabilität zurückgewonnen werden können.

Schäfer-Gümbel sagte in der Debatte: „Vertrauen durch Stabilität! Denn was brauchen wir nötiger, um Europa zusammenzuhalten? Wir haben aus dem Blick verloren, was auf dem Spiel steht – Europa ist ein Friedensprojekt und damit in allererster Linie den Menschen verpflichtet. Allen Menschen. Egal, ob sie auf Lesbos, auf Lampedusa oder in London leben. Wir sind mehr als nur eine Verwaltungseinheit, es ist uns gelungen, nach Jahrhunderten von Morden und Grauen eine Staatengemeinschaft zu schaffen, die eine Idee ist. Die Idee, dass Menschen unterschiedlicher Länder und Kulturen über Jahrzehnte zusammenwachsen können und die Angst voreinander verlieren.“

Europa brauche dringend wieder das Gefühl, gemeinsam etwa geschaffen zu haben, was beschützens- und erhaltenswert sei. „Die Menschen Europas sind verunsichert. Die Verunsicherung rührt daher, dass Europa nicht in der Lage war, eine zufriedenstellende, eine menschliche Antwort auf die beiden großen europäischen Krisen zu finden: Die Bankenkrise und die Flüchtlingskrise.“

Die soziale Ungleichheit in Europa nannte Schäfer-Gümbel „unkalkulierbaren Sprengstoff“. "Wenn jeder zweite Mensch unter 25 Jahren in Spanien arbeitslos ist und in Griechenland und Portugal das Sparen wichtiger wird als das Investieren, kann das Leben nicht besser werden. Doch das muss weiterhin unser Anspruch für Politik sein!"

Auch Schäfer-Gümbel sprach sich dafür aus, die europäische Bankenaufsicht nach Frankfurt zu holen. An den Ministerpräsidenten gewandt sagte er: „Doch ich unterstütze Sie nur, wenn Sie die damit verbundenen Implikationen für Hessen ernst nehmen. Die Angst vor steigenden Mieten in Frankfurt, wenn die halbe Londoner City zu uns zieht, ist nicht unberechtigt. Die Landesregierung unternimmt schon heute zu wenig, um den Bedarf an Wohnungen zu decken.“ Und auch wenn Londoner Banker schlimme Verkehrsprobleme gewohnt seien, lasse sich mit den täglichen Staus rund um Frankfurt nun wirklich keine Standortwerbung betreiben.

Die Fusion von London Stock Exchange und Deutscher Börse wertete Schäfer-Gümbel unter den bislang ausgehandelten Bedingungen als erledigt. Es bleibe abzuwarten, ob die Festlegung von London als Hauptsitz Bestand habe. „Dass die Deutsche Börse das erforderliche Zustimmungsquorum zur Fusion absenkt, ist ein bedenklicher Schachzug mit Geschmäckle.“

Noch völlig offen seien die weiteren wirtschaftlichen Folgen eines Brexits für die hessische Wirtschaft. Hessen exportiere Waren im Wert von rund 4,5 Milliarden Euro nach Großbritannien. „Also kann Hessen kein Interesse daran haben, dass Brexit heißt: Tür zu und Schlüssel wegschmeißen. Auch nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU haben wir ein großes Interesse daran, die wirtschaftliche Vernetzung zu erhalten.“

Als besonderes Beispiel könne hierfür OPEL gelten. Über seine Schwestermarke Vauxhall verkaufe Opel in Großbritannien so viele Autos wie sonst in keinem anderen Land Europas. „Hier sieht man, dass der Brexit auch zu einer großen industriepolitischen Frage wird. Dazu haben wir heute vom Ministerpräsidenten aber nichts gehört.“