
Bei der heutigen Aktuellen Stunde zum Thema Asylrecht sagte der hessische SPD-Landes- und Fraktions- und stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel:
Nach monatelangem Streit hat sich die Große Koalition auf das Asylpaket II verständigt. Dabei waren wesentliche Punkte des Pakets bereits im November verabredet worden.
Die Verabschiedung war schon deshalb geboten, weil die zunehmende öffentliche Kritik an der Nicht-Beschlussfassung des Asylpakets II zunehmend die Akzeptanz der humanitären Flüchtlingspolitik insgesamt in Frage stellt. Die Umfragen sind ein Beleg dafür. Der Dauerstreit in der Groko, wesentlich durch die täglichen Attacken der CSU auf die Bundeskanzlerin angefeuert, hat zudem zu einer deutlich kritischeren Einschätzung in der Öffentlichkeit geführt, ob die "Politik", die Lage im Griff hat. Dieser Streit hat massiv geschadet und wird weder Horst Seehofer noch anderen Teilen der CDU helfen.
Kompromisse wie das Asylpaket II sind der Natur nach Entscheidungen, in denen sich keine Seite mit ihren Vorstellungen zu 100 Prozent durchsetzt und man Kröten im Interesse des Gesamtergebnisses schlucken muss. Genau so ein Kompromiss ist das Asylpaket II. Lassen Sie mich zu den drei wichtigsten Punkten etwas sagen.
Familiennachzug: Es ist für mich mit Blick auf Syrien ein schwer erträglicher Kompromiss, dass wir jetzt den Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige um zwei Jahre aussetzen wollen. Die Vorstellung, dass Familienväter sich unter großem Risiko buchstäblich ans rettende Ufer durchschlagen und ihre Frauen und Kinder in den Flüchtlingslagern zurücklassen müssen, löst bei mir mehr als Beklemmung aus. Die Konsequenz wird sein, dass diese Frauen und Kinder sich selbst auf den gefährlichen Weg machen. Dass diese Familien im Zusammenhang mit den Kontingenten Vorrang haben sollen, ist eine gangbare Auflösung. Ich erlaube mir den Hinweis, dass das reguläre Verfahren zur Familienzusammenführung in der Vergangenheit aber auch bis zu 1,5 Jahren und länger gedauert hat.
Ausbildung und Beschäftigung: Für die Integration von Flüchtlingen und die Bereitschaft der Unternehmen zur Ausbildung sind die Neuregelungen ein ganz wichtiger Fortschritt. Sie bringen nicht nur den Flüchtlingen Sicherheit und Perspektive, sondern auch den Ausbildungsbetrieben.
Sichere Herkunftsstaaten: Die Ausweitung des Konzepts der Sicheren Herkunftsstaaten auf die Maghreb-Staaten ist umstritten. Um ein wichtiges Missverständnis auszuräumen: Die Einstufung führt nicht zur Aussetzung des individuellen Rechtsanspruchs auf Asyl. Dennoch sind die Anerkennungsquoten im niedrigen einstelligen Bereich. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es eher um Arbeitsmigration für diese Länder geht und deshalb hat die übergroße Mehrzahl im Asylverfahren nicht zu suchen. Es ist allerdings der Beleg, dass wir endlich ein Einwanderungsgesetz brauchen, um diese Frage endlich systematisch anzugehen.
Eine Einstufung ohne Rückführungsabkommen macht allerdings keinen Sinn. Deshalb bin ich froh, dass es einen Durchbruch in den Verhandlungen mit den Staaten gegeben hat. Übrigens unter der Zusage, dass wir uns stärker am Aufbau wirtschaftlicher und sozialer Perspektiven für diese Länder beteiligen. Der hessische Innenminister hat ja im Vorgriff auf die geplante Regelung angekündigt, Flüchtlinge aus diesen Ländern nicht mehr auf die Kommunen zu verteilen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle sagen: Es kann nicht sein, dass der Innenminister mit einer Regelung plant, die anschließend von dieser Landesregierung im Bundesrat nicht mitgetragen wird. Das wäre unredlich.