Thorsten Schäfer-Gümbel: Soziale Herkunft darf nicht länger über Bildungsweg entscheiden! – Ist Bouffier CDU-Frontmann oder Ministerpräsident? Frontmann!

Beim heute in Baunatal stattfindenden Bezirksparteitag der nordhessischen SPD hat der hessische SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel im Streit mit Bouffier um den Bildungsgipfel nachgelegt und den Ministerpräsidenten erneut aufgefordert, seinen Kurs in Bildungsfragen klar zu ziehen. „Spätestens in der vergangenen Woche haben Herr Bouffier und seine hessische CDU die Vertrauensbasis für eine Einigung beim Bildungsgipfel schwer beschädigt. Wenn Bouffier beim Landestag der Jungen Union Hessen beteuert, die CDU werde ihre Überzeugungen nicht aufgeben und keinen Millimeter von ihrer Grundlinie abgehen, lässt das arge Zweifel an der notwendigen Kompromissbereitschaft, die für eine Einigung notwendig wäre, vermissen. Auch die von Bouffier verwendete Formulierung „inhuman“ im Bezug auf unsere bildungspolitischen Vorstellungen ist nicht nur völlig deplatziert, sondern ein weiterer Affront, der den Bildungsgipfel gefährdet. Vor die Alternative gestellt, ob Bouffier CDU-Frontmann oder Ministerpräsident sein will, entscheidet er sich immer für den Frontmann. Die Messlatte für eine Einigung mit uns ist, dass zukünftig nicht mehr die soziale Herkunft den Bildungsweg von Kindern entscheidet“, sagte der SPD-Politiker.

Diese Entwicklungen mache die Sozialdemokraten auch bösgläubig. "Wir fragen uns: Wenn wir denn eine Einigung erzielen, wie können wir die Umsetzung auch sicherstellen? Die fehlende Umsetzung der Ziele des Energiegipfels hat unser Vertrauen in die CDU-Landesregierung nicht gerade gestärkt. Deshalb müssen wir auch die Frage der Kontrolle der Umsetzung einer möglichen Vereinbarung etwa durch einen Beirat oder anders gestalteten Aufpasser diskutieren. Interpretationen, es ginge uns um einen Posten sind völliger Unsinn", sagte Schäfer-Gümbel. Er wies darauf hin, dass die SPD bereits seit dem 20. Januar dieses Jahres mit dem Kultusminister im Austausch dazu stehe, welche Punkte der SPD besonders wichtig seien und welche Korridore es für mögliche Vereinbarungen gebe.

Zu den Zielen der SPD beim Bildungsgipfel sagte Schäfer-Gümbel: „Hessen hat gerade einmal fünf echte Ganztagsgrundschulen und steht damit im Ländervergleich schlecht da. Wir wollen eine deutliche Verbesserung der Situation. Der „Pakt für den Nachmittag“ ist aber keine Alternative zum Ausbau echter Ganztagsschulen. Hessen braucht hier einen konkreten Ausbauplan. Wir wollten ursprünglich in dieser Legislaturperiode 500 Grundschulen zu Ganztagsschulen im Profil 3 machen. Auch Schulen der Sekundarstufe I brauchen eine Ganztagsperspektive. Hier muss sich die Landesregierung bewegen.“

Auch für den Bereich Inklusion brauche Hessen einen Masterplan. „Kinder müssen wirklich inklusiv unterrichtet werden und Lehrkräfte inklusiv unterrichten können. Das funktioniert am besten in Ganztagsschulen. Die Bedingungen für inklusive Beschulung sind an den hessischen Schulen völlig unzureichend“, so Schäfer-Gümbel. Die Schulsozialarbeit dürfe nicht schleifen gelassen werden. „Das Land muss die Kosten für Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter mit übernehmen. Ziel sollte das Erreichen der bekannten Drittelfinanzierung sein, die 2013 Bestandteil sowohl Ihres letzten Wahlprogramms wie auch des unseren war“, sagte der Fraktionsvorsitzende. Dazu bedürfe es eines Ausbaus der Berufsorientierung, die an Gymnasien als Pflichtstunden im Lehrplan stehen und der in allen Schulformen genügend Zeit und Raum eingeräumt werden müsse. Dies müsse sich ebenso in der Lehrerausbildung wiederspiegeln, die im Fach Arbeitslehre massiv zurückgefahren wurde.

Bei der Umsetzung des längeren gemeinsamen Lernens sei außerdem Bewegung nötig. „Es kann nur eine Zwischenlösung sein, dies, wie von der Landesschülervertretung vorgeschlagen, auf Schulstufen oder Schulformen zu begrenzen. Alle Schulen, die sich dafür entscheiden, sollte ein Umbau im Rahmen ihrer Schulentwicklung ermöglicht werden. Schäfer-Gümbel wies die immer wieder von der CDU ausgesprochene Unterstellung, die SPD wolle das Gymnasium „abschaffen“, zurück. Eine Bestandsgarantie für diese Schulform geben wir für die nächsten zehn Jahre gerne ab. Gleichzeitig schlagen wir die Einführung der Gemeinschaftsschule als pädagogisches Prinzip vor, dem sich alle Schulen, die dies wollen, verpflichten können“, sagte Schäfer-Gümbel.

Die Debatte zur Lehrerbildung müsse über die Punkte, in denen Einigkeit bestehe, wie die Eignungsfeststellung, den Praxisbezug und die 1. Phase der Lehramtsausbildung hinaus geführt werden. „Es müssen auch strittige Themen geklärt werden. Das gilt etwa für die Anforderungen, die an Lehrkräfte gestellt werden. Ein Studium von sechs Semestern ist für die Grund-, Haupt- und Realschule nicht mehr zeitgemäß. Eine Erhöhung der Studiendauer auf zehn Semester wäre sehr hilfreich, um den neuen Herausforderungen dieses Berufs besser zu begegnen. Gleichzeitig sind wir bereit, eine Bestandsgarantie für das Referendariat abzugeben.“

„In diesen Bereich haben wir Verhandlungskorridore beschrieben. Wir hoffen, dass nun die Landesregierung darauf eingeht und wir ein Paket zustande bekommen, das einer positiven Schulentwicklung der nächsten zehn Jahre gerecht wird. PR-Kompromisse und Hochglanzbroschüren werden den Anforderungen einer modernen Bildungspolitik nicht gerecht“, so Schäfer-Gümbel.

Die Umstrukturierung des KFA bezeichnete Schäfer-Gümbel als tiefgreifende Fehlentscheidung. „Der vorliegende Gesetzentwurf ist Beleg der zutiefst kommunalfeindlichen Einstellung der schwarz-grünen Landesregierung. Er betoniert die massive Unterfinanzierung der hessischen Kommunen und nimmt ihnen finanziell die Luft zum Atmen. Wenn in den hessischen Gemeinden, Städten und Kreisen künftig Kitagebühren, Grundsteuern und Eintrittspreise erhöht, die Öffnungszeiten von Büchereien, Schwimmbädern, Senioren- oder Jugendclubs gekürzt oder Einrichtungen geschlossen werden, geht das direkt auf das Konto von CDU und Grünen“, sagte der SPD-Politiker in Baunatal.