
Bei der Vorstellung des SPD-Positionspapiers Altersgerechter Umbau auf dem Land hat der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion Günter Rudolph betont, dass die Politik die besonderen Bedürfnisse älterer Menschen auf dem Land stärker in den Fokus nehmen muss. Gerade für diejenigen, deren Mobilität eingeschränkt ist, muss das Leben auf dem Land leichter gemacht werden, forderte der SPD-Politiker bei einer Pressekonferenz am Montag in Wiesbaden.
Die älteren Menschen, die auf dem Land leben, wohnen in der Regel gerne dort, es ist ihre Heimat. Es wird jedoch immer schwieriger, weil sich auch auf dem Land die Familienstrukturen verändern und junge Menschen wegziehen. Die Versorgung mit den Dingen des täglichen Lebens, mit Gesundheitsdienstleistungen, dem öffentlichen Personennahverkehr und vielem andere mehr sind in Gefahr, denn die zurückgehende Zahl der Menschen macht diese Einrichtungen weniger rentabel, sagte Rudolph.
Zur Lösung dieser Probleme gebe es keine Patentrezepte, die auf alle ländlichen Räume in Hessen passe. Was wir brauchen ist ein Rahmenkonzept, das genügend Flexibilität lässt, um vor Ort passende Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Wir haben dabei auch im Blick, dass Maßnahmen, die der älteren Bevölkerung nutzen, in der Regel auch für jüngere Menschen von Vorteil sind, so Rudolph.
In Anlehnung an die soziale Aufrüstung des Dorfes, die unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn ins Leben gerufen wurde, forderte Rudolph eine neue Initiative, einen neuen Hessenplan. Wir brauchen heute aber nicht in erster Linie bauliche Maßnahmen, sondern wir brauchen eine Belebung vorhandener Bauten wie etwa der Dorfgemeinschaftshäuser. Wir müssen soziale Prozesse in Gang bringen, auch durch bürgerschaftliches Engagement, das durch Hauptamtliche unterstützt wird, sagte Rudolph.
Die SPD-Landtagsfraktion stelle mit dem Konzeptpapier Altersgerechter Umbau auf dem Land einen umfassenden Lösungsentwurf vor, der den Bedürfnissen der älteren Generation auf dem Land gerecht werde. Wir haben dabei ausdrücklich im Blick, dass der größere Teil der älteren Menschen auf dem Land weiblich ist und ganz andere Probleme hat als Männer. Frauen in dieser Altersgruppe haben weniger oft einen Führerschein, gehen nicht gerne alleine in eine Gaststätte. Daraus folgt, dass sie weniger mobil und in ihren Kommunikationsmöglichkeiten eingeschränkt sind, wenn der Laden im Dorf nicht mehr da ist. Dem muss Rechnung getragen werden, so Rudolph.
Die wesentlichen Punkte des Konzeptes beschrieb Rudolph wie folgt:
Im Bereich Wohnen sei eine unabhängige, aufsuchende Fachberatung notwendig, die unbürokratische Hilfe leiste, wenn der Verbleib in der eigenen Wohnung aufgrund baulicher Hindernisse gefährdet sei. Anders als in den Städten lebten Menschen auf dem Land zumeist im Eigentum, das nicht barrierefrei ausgestattet sei. Barrierefreier Wohnraum in räumlicher Nähe stehe nicht zur Verfügung. Hier könnten nur individuelle Lösungsmöglichkeiten gesucht werden. Dies sollte im besten Fall präventiv erfolgen.
oAuf dem Land gebe es bisher nur wenige Beispiele gemeinschaftlichen Wohnens im Alter. Auch deshalb werde diese Wohnform kaum als Lösung gesehen. Durch entsprechende Fördermaßnahmen könne hier die Akzeptanz gefördert werden.
oDas auf dem Land traditionell stärker vorhandene Gemeinschaftsgefühl, das höhere ehrenamtliche Engagement und die bessere Nachbarschaftshilfe sollten genutzt werden, um das Leben in den eigenen vier Wänden auch im Alter zu ermöglichen. Es müsse aber vermieden werden, ehrenamtliches Engagement zu überfordern. Es sei immer auch eine hauptamtliche Struktur vonnöten.
Mobilität auf dem Land sei einer der kritischen Punkte. Ein Öffentlicher Personennahverkehr müsse im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse vorgehalten werden. Auch hier gelte es, individuelle Lösungen für die einzelnen Regionen zu finden und gegebenenfallls bürgerschaftliches Engagement zu nutzen.
Medizinische Versorgung sei für die ältere Generation auf dem Land eines der zentralen Probleme. Hier müssten die Kommunen in die Lage versetzt werden, wenn möglich, selbst aktiv werden zu können, wenn es keine Ärzte mehr gebe, die sich auf dem Land niederlassen wollten. Die Lösung könne in primärärztlichen Zentren mit angestellten Ärzten liegen, die mit Zweigstellen arbeiten. In diesen Zweigstellen könnte entsprechend ausgebildetes Pflegepersonal die erste Anlaufstelle sein. Darüber hinaus könnten stundenweise Arztsprechstunden die Versorgung sicherstellen.
Der Ausbau ambulanter Pflegedienste sei eine weitere Herausforderung. Die Bandbreite gehe von einfachen Hilfsdiensten beim Einkaufen bis hin zu komplizierter und umfassender Pflege. Teile würden privatwirtschaftlich angeboten, seien aber unter Umständen für die betroffenen Menschen nicht bezahlbar. Auch hier könne ehrenamtliches Engagement genutzt werden, allerdings ebenfalls nur in Verbindung mit hauptamtlichen Kräften.
Initiativen zur Verbesserung der Nahversorgung müssten verstärkt unterstützt werden. Dabei könnten Läden multifunktional gestaltet, gegebenenfalls auch ein Café integriert und im Dorfgemeinschaftshaus angesiedelt werden. Dies erleichtere die Rentabilität und sichere so die Existenz der Läden.
Dorfgemeinschaftshäuser müssten Orte der Begegnung bleiben oder wieder werden. Parallelstrukturen sollten möglichst vermieden werden, denn es werde auf dem Land nicht möglich sein, sowohl Vereinshäuser, Kirchengemeindehäuser und Dorfgemeinschaftshäuser zu unterhalten. Sinnvoll sei es, die Interessen der Vereine, der Kirchen und freier Initiativen zu bündeln und in eine Infrastruktur einmünden zu lassen, bevor alles unrentabel werde.
Wir wollen, dass das Leben auf dem Land lebenswert bleibt. Hessen besteht nicht nur aus den großen Städten im Rhein-Main-Gebiet, Hessen ist ohne die ländlichen Gebiet im Odenwald, in der Wetterau und im Werra-Meißner-Kreis, um nur einige Beispiele zu nennen, nicht denkbar. Wir wollen in diesen Regionen gleichwertige Lebensbedingungen erhalten, damit sie auch für zukünftige Generationen interessant bleiben, so Rudolph.