
Der Fraktions- und Landesvorsitzende der hessischen SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel, und der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Thomas Spies, haben bei einer Pressekonferenz anlässlich der gescheiterten Übernahme des UKGM-Eigentümers Rhön durch Fresenius die Landesregierung dazu aufgefordert, endlich eine Lösung für das Chaos um das Universitätsklinikum Gießen und Marburg zu präsentieren. Die Landesregierung hat auf ganzer Linie versagt. Mit ihrer missglückten Privatisierung das UKGM und ihrem Wortbruch beim Personalabbau hat sie nicht nur das Fundament für die Verunsicherung von Beschäftigten und Patienten gelegt, sie hat auch verpasst, sich frühzeitig ausreichende Mitbestimmungsrechte in der neuen Gesellschaft zu sichern. Nun ist der Ministerpräsident selbst mit seinem Vorhaben, den missliebigen Eigentümer Rhön durch einen Konkurrenten zu ersetzen, gescheitert, sagte Schäfer-Gümbel am Montag in Wiesbaden. Die gescheiterte Übernahme von Rhön durch Fresenius sei eine weitere Hiobsbotschaft für das UKGM.
Eine bloße Übernahme des UKGM durch ein anderes privates Unternehmen ist aber, als wolle man den Teufel mit dem Belzebub austreiben. Eine sichere und zuverlässige Gesundheitsversorgung darf einfach nicht von den Interessen einzelner Finanzinvestoren abhängen. Erst durch die Privatisierung ist es möglich geworden, dass das Klinikum zum Spielball der Finanzmärkte werden konnte. Nun ist es am Verursacher, nämlich der Landesregierung, die Gesundheitsversorgung in Gießen und Marburg wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen., sagte Schäfer-Gümbel.
Er wies darauf hin, dass die SPD-Fraktion die Probleme bei der Privatisierung vorausgesehen hätte, vom Personalabbau und den erheblichen Klagen der Patienten über die Einbußen und Schwierigkeiten bei der Personalbeschaffung bis hin zu den Interferenzen mit Forschung und Lehre und der Orientierung auf ökonomische Erwägungen. Diese Probleme haben etwa beim Vertragsbruch bei der Partikeltherapie oder beim Personalabbau zu schweren Konflikten mit der Landesregierung geführt, sobald die Landesregierung anfing, die Interessen des Landes tatsächlich wahrzunehmen. Das Verhältnis scheint zerrüttet, so Schäfer-Gümbel.
Spies nannte die Privatisierung des UKGM an die Rhönkliniken eine unendliche Geschichte der Stümperei. Die Liste der Fehler, die die Landesregierung bei der Privatisierung des UKGM gemacht hat, ist lang, so der SPD-Politiker. So sei die Privatisierung nicht nur falsch und unnötig gewesen, sondern auch Ausdruck stümperhaftesten Vorgehens. Das Land hat gerade fünf Prozent der Anteile an der Gesellschaft, die faktisch nahezu keine Rechte enthalten. Insbesondere hat das Land keine Einsicht in Betriebsdaten, keinen Sitz im Aufsichtsrat und keine anderen Aufsichtsrechte. Zudem könne der Landesrechnungshof die Verwendung der Landesmittel für Forschung und Lehre nicht prüfen, so Spies. Nach einer aktuellen Untersuchung sei eine Quersubventionierung der Patientenversorgung mit Steuergeldern anzunehmen, wie sich auch die Hochschulsenate feststellen. Das ist aber durch die Privatisierung Kerngeschäft des privaten Betreibers, so Spies.
Bei der Ankündigung eines massiven, Versorgung, Forschung und Lehre gefährdenden Personalabbaus von 500 Stellen Anfang 2012 habe die Landesregierung für Chaos und Verwirrung gesorgt und damit die Interessen des Landes gefährdet. So habe Bouffier voreilig und ohne Kenntnis der Situation verkündet, die Stellenstreichungen seien vom Tisch. Sein Versprechen ein Moratorium beim Personalabbau durchzusetzen hat Bouffier gebrochen, so Spies. So seien zahlreiche befristete Verträge entgegen der Ankündigung nicht verlängert worden, aktuell würden weitere 236 Stellen abgebaut werden
Spies bekräftigte die wichtige Funktion der Universitätsklinika für das ganze Land. Neben Forschung und Lehre und regionaler Krankenhausversorgung leisteten sie eine wichtige Aufgabe in der Sicherung der medizinischen Versorgung für ganz Hessen. So übernähmen sie die Ausbildung und räumliche Bindung von Medizinstudierenden gegen den drohenden Ärztemangel und von Fachärzten in vielen Spezialbereichen, führten hochspezialisierte Behandlung wie Transplantationen durch, böten eine übergreifende stationäre Versorgung in kleinen klinischen Fächern, erfüllten Spezialaufgaben wie Rechtsmedizin, Humangenetik und Hochsicherheitsdiagnostik etwa im Infektionsbereich.
Die Fehler der Landesregierung
1.Die Privatisierung war unnötig:
a.Schon in den neunziger Jahren war der Neubau Giessen in der mittelfristigen Finanzplanung der Regierung Eichel vorgesehen. Er wurde noch Anfang 2003 von der Regierung Koch mit 300 Millionen Euro europaweit ausgeschrieben. Erst durch politische Entscheidung im Sommer 2003 wurde dieser Plan gestoppt, obwohl anschließend das Hochschulbauprogramm HEUREKA mit 3 Milliarden Euro (250 Mill. Euro per anno) aufgelegt wurde.
b.Es gab zahlreiche Alternativvorschläge (Stiftungsmodelle, PPP-Modelle, reinen Immobilienfond für die Gebäude etc.), die 2004 und 2005 der Landesregierung angetragen wurden und die es ermöglicht hätten, die Kontrolle über den Betrieb zu behalten, statt sich von einem privaten Konzern abhängig zu machen.
c.Insbesondere der heutige Ministerpräsident Bouffier war Betreiber der Privatisierung und hat Alternativen verhindert.
2.Die Privatisierung war handwerklich außerordentlich schlecht gemacht
a.Das Land hat nur 5 % Anteil an der Gesellschaft, die faktisch nahezu keine Rechte enthalten. Insbesondere hat das Land keine Einsicht in Betriebsdaten, keinen Sitz im Aufsichtsrat und keine anderen Aufsichtsrechte.
b.Der Landesrechnungshof kann, obwohl UKGM die Landesmittel für Forschung und Lehre für die Medizin in Gießen und Marburg verwaltet (über 100 Millionen Euro p. a. ), keine eigenen Prüfungen vornehmen.
c.Das Land hat praktisch keine eigenen Möglichkeiten, bei Einschränkungen der Freiheit von Forschung und Lehre selbst tätig zu werden, obwohl es einen verfassungsmäßigen Schutzauftrag hat.
d.Es ist fraglich, ob die vereinbarte Bereitstellung und Einsatz der Partikeltherapieanlage oder die vereinbarte Nachzahlung von 100 Millionen Euro durchgesetzt werden kann, obwohl behauptet wurde, diese sei für die Vergabe an Rhön von entscheidender Bedeutung gewesen.
3.Die Landesregierung hat sich für den Fortgang von 2006 bis 2011 nicht interessiert
a.in zahlreichen parlamentarischen Initiativen wurde die Landesregierung nach
i.der Entwicklung der Personalzahlen,
ii.der Entwicklung der Überstunden
iii.der Abgrenzung der Ausgaben für Krankenversorgung (Rhön) und Forschung und Lehre (Landesmittel)
iv.Gefährdungen von Facharztausbildungen
v.Auswirkungen auf die Ausbildung der Studierenden
etc. gefragt, konnte oder wollte aber keine Antwort geben und hat es insbesondere Vermieden oder war nicht in der Lage, genaue Informationen zu wesentlichen Landesinteressen zu erhalten.
b.Die Veröffentlichung zur Prüfung durch den Wissenschaftsrat 2008 war unvollständig und hat wesentliche Risiken und Probleme, z. B. den zu schlechten und im bundesweiten Vergleich bereits damals extrem unterdurchschnittlichen Personalschlüssel, ignoriert-
4.Auf die Ankündigung eines massiven, Versorgung, Forschung und Lehre gefährdenden Personalabbaus von 500 Stellen am UKGM Anfang 2012 hat die Landesregierung mit Chaos und Verwirrung reagiert und damit die Interessen des Landes gefährdet.
a.Bereits in der Auseinandersetzung um die Partikeltherapie in Marburg konnte die Regierung keinerlei Erfolge nachweisen, nachdem sie selbst aus der Presse von der Einstellung des Betriebs erfahren hatte
b.Auch vom Anfang des Jahres bekannt gewordenen, geplanten Abbau von 500 Stellen in 2012 will die Regierung nichts gewusst haben
c.Die Regierung hat die unwahre Behauptung, es gebe keine Pläne zum Abbau von 500 Stellen, unkritisch kolportiert. Inzwischen liegen öffentlich Beweise für den Plan, 500 Stellen abzubauen, vor.
d.Auf die Ankündigung reagierte die Regierung mit aufgescheuchten Reaktionen, ohne irgendein Ergebnis
e.Das Versprechend es Ministerpräsidenten, er werde ein Moratorium beim Personalabbau herbeiführen, wurde gebrochen:
i.Zahlreiche befristete Verträge wurden entgegen der Ankündigung doch nicht verlängert
ii.aktuell sollen weitere 236 Stellen abgebaut werden
f.die angekündigte Mediation durch Parteigänger der Regierung hat kein Ergebnis gebracht
g.die öffentliche Erklärung der Wissenschaftsministerin im Wissenschaftsausschuss, schlimmer als mit Rhön könne es nicht kommen, erweist sich angesichts der aktuellen Entwicklung als extrem ungeschickt.
5.Der Ministerpräsident hat erklärt, die Pläne von Fresenius zur Übernahme der Rhön-Kliniken AG seien auf seine Initiative zurückzuführen. Diese Aussage ist entweder unwahr, oder der Ministerpräsident ist auch mit seinem letzten Rettungsversuch einer gescheiterten Aktion erneut gescheitert.