
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Dr. Thomas Spies hat die deutliche Kritik der Wissenschaftsministerin Kühne-Hörmann an der Rhön AG als Beleg dafür gewertet, dass die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen-Marburg durch die CDU-geführte Landesregierung ein Fehler war. Bei einer Pressekonferenz der SPD zur veränderten Situation am Universitätsklinikum Gießen-Marburg auf Grund der Übernahme des Betreibers Rhön AG durch den Gesundheitskonzern Fresenius sagte der SPD-Gesundheitspolitiker: Die Ministerin hat in der Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst herausgestellt, dass es eine Besonderheit einer Uniklinik ist, nicht zur Gewinnerwirtschaftung geeignet zu sein. Daran wird sich auch unter dem neuen Betreiber Fresenius nichts ändern. Zudem hat sie die umfangreichen Probleme mit dem privaten Betreiber bestätigt. Die Privatisierung ist ganz offensichtlich gescheitert. Das haben Landesregierung und Mehrheit in der Ausschusssitzung auch zugegeben.
An beiden Standorten bestehe zudem eine hohe Verunsicherung und der erklärte Unwille, weiterhin einem privaten Betreiber ausgeliefert zu sein. Das Vertrauen in die Unterstützung durch die Landesregierung ist massiv geschädigt, sagte Spies. Deshalb müsse nun die Wahrung des Verfassungsgerichtsurteils zu den Arbeitsverhältnissen abgesichert werden. Das Urteil hat dem Land klare Pflichten zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte aufgegeben, die nur durch eine Verlängerung der Entscheidungsfrist gewahrt werden können, sagte Spies, der auch gesundheitspolitischer Sprecher der SPD ist. Ursprünglich seien drei, dann sechs Monate Frist vorgesehen. Diese Frist muss bis nach einer Entscheidung über die zukünftige Entwicklung ausgedehnt werden, also um weitere drei bis sechs Monate. Weil dies dränge, lege die SPD-Fraktion einen dringlichen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte am Universitätsklinikum Gießen und Marburg vor, mit dem die Umsetzung festgeschrieben wird.
Die voreilige Festlegung des Ministerpräsidenten auf einen weiteren privaten Betreiber bezeichnete Spies als nicht hilfreich. Bouffiers Willkommensgeste schwächt schon jetzt die Verhandlungsposition des Landes. Ausgerechnet einen Pharmariesen ins Boot zu holen, bringt außerdem zusätzliche Risiken mit sich. So kann das UKGM Drittmittelforschung mit Anbietern jenseits des Freseniuskonzerns künftig abschreiben. Das schadet Hessen, dass ja als Apotheke Europas gilt.
Jetzt komme es darauf an, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, die die Interessen von Patienten, Beschäftigten, Forschung und Lehre vor den Ertrag eines Unternehmens stelle, sagte Spies. Dabei müssten alle Wege offen bleiben. Auch eine Teil- oder gesamte Rückführung in das Landeseigentum sei bei den Überlegungen zu berücksichtigen. Spies bekräftigte das Angebot der SPD-Fraktion zur Kooperation. Die Herausforderungen können nur gemeinsam bewältigt werden. Wir stehen für ein gemeinsames Vorgehen auf Augenhöhe ohne Vorbedingungen zur Verfügung. Einzige Prämisse ist, dass die Interessen von Patienten, Beschäftigten, Forschung und Lehre unbedingten Vorrang vor den Interessen einer Aktiengesellschaft haben müssen, so der SPD-Politiker.
Er wies darauf hin, dass die von der SPD-Fraktion vorausgesagten Probleme bei der Privatisierung vollständig eingetroffen seien. Dazu gehörten Personalabbau, erhebliche Klagen der Patienten über Einbußen, Schwierigkeiten bei der Personalbeschaffung, Interferenzen mit Forschung und Lehre und die Orientierung auf ökonomische Erwägungen. Diese Probleme haben etwa beim Vertragsbruch bei der Partikeltherapie oder beim Personalabbau zu schweren Konflikten mit der Landesregierung geführt, sobald die Landesregierung anfing, die Interessen des Landes tatsächlich wahrzunehmen. Das Verhältnis scheint zerrüttet, so Spies. Doch die Probleme könnten nicht nur dem speziellen Betreiber Rhön zugerechnet werden, sondern lägen im System. Den Erfordernissen einer Kapitalgesellschaft als Betreiber, auch dem im DAX notierten Freseniuskonzern, liege ein solches Verhalten inne, so Spies und zitierte Staatsminister Jörg-Uwe Hahn: Der Vorstand eines DAX-Unternehmens wird von der Börse getrieben (14. 4. 2012 bei der Eröffnung der Oberhessenschau in Marburg).
Spies bekräftigte die wichtige Funktion der Universitätsklinika für das ganze Land. Neben Forschung und Lehre und regionaler Krankenhausversorgung leisteten sie eine wichtige Aufgabe in der Sicherung der medizinischen Versorgung für ganz Hessen. So übernähmen sie die Ausbildung und räumliche Bindung von Medizinstudierenden gegen den drohenden Ärztemangel und von Fachärzten in vielen Spezialbereichen, führten hochspezialisierte Behandlung wie Transplantationen durch, böten eine übergreifende stationäre Versorgung in kleinen klinischen Fächern, erfüllten Spezialaufgaben wie Rechtsmedizin, Humangenetik und Hochsicherheitsdiagnostik etwa im Infektionsbereich.