Timon Gremmels (SPD): Landesregierung zaudert weiter

Anlässlich des ersten Jahrestags der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima am kommenden Sonntag hat die SPD-Landtagsfraktion eine Bilanz zum Stand der Energiewende in Hessen gezogen. „Das Motto von Frau Puttrich lautet scheinbar ein Schritt vor und zwei Schritte zurück“, sagte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Timon Gremmels am Montag in Wiesbaden.

„Die Landesregierung zaudert weiter.“, so Gremmels. Unmittelbar nach der Atomkatastrophe von Fukushima habe Ministerpräsident Bouffier zunächst die Parole „weiter so“ ausgegeben, dann widerwillig den Kurswechsel der Bundeskanzlerin nachvollzogen und schließlich mit dem Energiegipfel nur einen Minimalkonsens erreicht, dessen Umsetzung aber weiter „vertrödelt“ werde. „Die SPD hat bereits vor Monaten einen Gesetzentwurf zum Energiekonsens vorgelegt, die Landesregierung braucht noch bis Mai. Sie verkennt bis heute die Notwendigkeit der Energiewende, vor allem aber deren Chancen für Arbeit, Wohlstand und regionale Wertschöpfung.“

Zwar sei die Landesregierung beim Ausbau der Windenergie in Hessen mittlerweile formal auf den SPD-Kurs eingeschwenkt und habe Abstand von der Verunglimpfung der Windräder als „Windkraftmonster“ genommen, doch reichten die dürftigen Eckpunkte ihres letzte Woche bekanntgewordenen „Energiezukunftsgesetzes“ nicht aus, der Energiewende in Hessen zum Durchbruch zu verhelfen, betonte Gremmels.

Gleiches gelte auch für die energetische Gebäudesanierung, die in Hessen sträflich vernachlässigt werde. Die deutliche Kritik des Verbands der südwestdeutschen Wohnungswirtschaft zur Unterfinanzierung mit Mitteln des Landes spreche Bände.

Und bei dem aktuellen Thema der völlig überzogenen und übereilten Kürzungspläne für die Einspeisevergütung von Solarstrom durch die Bundesregierung schweige Umweltministerin Puttrich bisher weitestgehend. „Ein Jahr nach Fukushima hat die Bundesregierung keinen absurderen Beitrag zu leisten, als die Solarstromförderung zu kürzen. Und die Landesregierung nimmt davon kaum Notiz. Das kann man nur als Beleg für ein anhaltendes Desinteresse an der Energiewende von Schwarz-Gelb werten.“

Im hessischen Energiekonsens sei der Vorrang für die dezentrale Erzeugung klar festgeschrieben worden. Wenn jedoch die Photovoltaik-Kürzung – wie von schwarz-gelb in Berlin geplant – durchkomme, werde eine bedeutende dezentrale Energieerzeugungsart in Deutschland stark gefährdet. Auch das im Energiegipfel festgeschriebene Potenzial der Energieerzeugung aus Sonnenenergie von ca. 6 TWh/a sei dann kaum noch zu erreichen.

„Die SPD erwartet von Umweltministerin Puttrich, dass sie sich zum Energiekonsens bekennt und im Sinne der Beschlüsse des Energiegipfels in Berlin interveniert. Es kann nicht sein, bundesweit in Anzeigenkampagnen für die Photovoltaik zu werben, beim Frontalangriff der Berliner Koalition dann aber abzutauchen. Die Konsensergebnisse müssen auch offensiv gegenüber dem Bund verteidigt werden“, forderte Gremmels. Auch Minister Posch schweige sich zu diesem Thema aus, obwohl diese Kürzung insbesondere tausende Arbeitsplätze in der nordhessischen Solarwirtschaft gefährde.

Die SPD-Landtagsfraktion habe daher einen Antrag in den Landtag eingebracht, der die Rolle und Bedeutung der Photovoltaik für eine dezentrale hessische Energiewende unterstreiche, auf die enorme Kostenreduzierung in den letzten Jahren hinweise, für eine moderate zusätzliche Reduzierung plädiere sowie auf die Wirtschafts- und Arbeitsmarktaspekte der Solarregion Nordhessen abhebe. „Wir fordern die hessische Landesregierung auf, die Regierungspläne in dieser Form im Bundesrat zu stoppen und den Vermittlungsausschuss einzuberufen“, so Gremmels.

Auch der Geschäftsführer des Kompetenznetzwerk dezentrale Energietechnologien (deENet) Dr. Martin Hoppe-Kilpper wies auf den enormen Stellenwert der Photovoltaik für den wirtschaftlichen Aufschwung Nordhessen hin. In einer wissenschaftlichen Untersuchung „Nordhessen 2020: Dezentrale Energie und Arbeit“ wurde 2007 herausgearbeitet, dass bis 2020 bereits rund 20.000 Arbeitsplätze dem Wirtschaftsbereich dezentrale Energie und Energieeffizienz in Nordhessen zugeordnet werden könnten. „Damit würde diese Branche in der Region bis zum Jahr 2020 eine ähnlich große ökonomische Bedeutung erlangen, wie sie heute die Automobilindustrie hat.“

Im Jahr 2011 habe die Branche bereits rund 14.000 Arbeitsplätze in Nordhessen gestellt, sowohl im produzierenden Bereich als auch bei Dienstleistern und im Handwerk. Der größte Anteil lag jedoch mit ca. 10.000 Arbeitsplätzen in produzierenden Unternehmen, fast dreimal so viel wie noch im Jahr 2007. Allein bei SMA sei die Mitarbeiterzahl von 2007 bis heute von etwa 1.800 auf über 5.300 gestiegen.

Die zum 9. März vorgesehene kurzfristige Absenkung des Vergütungsniveaus um nochmals bis zu 30 Prozent droht jetzt jedoch den Photovoltaik-Markt zu überfordern und den weiteren Ausbau abzuwürgen. „Dies würde unmittelbar auch nordhessische Unternehmen betreffen, mit deutlichen Auswirkungen auf Zulieferer, Handwerker, sonstige Dienstleister, einschließlich Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen und damit schließlich das gesamte nordhessische Clusternetzwerk Dezentrale Energietechnologien“, so der deENet-Geschäftsführer.

„Die im Raum stehenden zusätzlichen und vor allem sehr kurzfristig anberaumten Kürzungen drohen jedoch den PV-Markt einbrechen zu lassen und damit auch die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von Nordhessen massiv zu beeinträchtigen“. Die Erneuerbaren Energien benötigten auch zukünftig langfristig angelegte, verlässliche Rahmenbedingungen aber keine kurzfristige Richtungsänderung.