Merz und Hofmann (SPD): Kampf der sexuellen Gewalt gegen Kindern und Jugendlichen ernst nehmen

Der kinder- und familienpolitische Sprecher und die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Gerhard Merz und Heike Hofmann haben bei der Vorstellung des SPD-Aktionsplans zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen die Untätigkeit der Landesregierung in diesem sensiblen Bereich kritisiert. „Fast ein Jahr nach der öffentlichen Anhörung im Landtag zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen hat die Landesregierung die Erkenntnisse noch immer nicht umgesetzt. Wir haben uns die Vorschläge, die Expertinnen und Experten in dieser Anhörung zur Vorbeugung, zur Intervention und zum Opferschutz gemacht haben, sehr genau angesehen und daraus einen Aktionsplan entwickelt. Mit den Maßnahmen wollen wir verhindern, dass sich Ereignisse, wie sie etwa am Canisius-Kolleg oder an der Odenwaldschule stattgefunden haben, wiederholen“, erklärte Gerhard Merz bei der Pressekonferenz der SPD in Wiesbaden.

Die rechtspolitische Sprecherin Heike Hofmann betonte, dass der Prävention sicher die größte Bedeutung zukomme. „Aber wir müssen davon ausgehen, dass wir sexuellen Missbrauch nicht immer verhindern können. Deshalb brauchen wir auch einen verbesserten Opferschutz, damit Kinder und Jugendliche Hilfe finden und in Anspruch nehmen können.“

„Die Präventionsarbeit mit Kindern und Eltern sowie allen hauptamtlich oder ehrenamtlich in der Bildung, Betreuung oder Erziehung tätigen Personen muss verstärkt werden“, stellte Merz fest. Dazu gehöre an erster Stelle die Verbesserung der Erziehungskompetenz der Eltern. „Starke Eltern können ihren Kindern helfen und erkennen vor allen Dingen, wann ihr Kind Hilfe braucht. Dies beugt nicht nur sexuellen Missbrauch vor, sondern hilft auch in allen Lebenslagen. Wir müssen daher mehr in die Familienbildung investieren“, forderte Merz. Darüber hinaus müssten im Bereich der Sexualerziehung in Kindertagesstätten und Schulen die entsprechenden Curricula angepasst werden. „Kinder müssen altersgemäß über sexuellen Missbrauch aufgeklärt werden. Und sie müssen wissen, wo sie im Fall des Falles Hilfe bekommen können“, so Merz. Er forderte darüber hinaus mehr Medienkompetenz für Kinder, Eltern und hauptamtliches Personal in Schulen und Kindertagesstätten.

Prävention müsse aber auch bei den Tätern ansetzen. „Potenzielle Täter, die sich ihrer pädophilen Neigungen bewusst sind und Hilfe wollen, brauchen Anlaufstellen. Arbeit mit potenziellen Tätern ist Opferschutz“, sagte Hofmann. Die Schließung der sexualmedizinischen Ambulanz an der Frankfurter Universitätsklinik sei daher absolut kontraproduktiv. Nötig sei mehr Beratung und vor allen Dingen auch mehr wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich.

„Die Erfahrungen mit dem Canisius-Kolleg oder auch der Odenwaldschule haben gezeigt, dass es Strukturen gibt, die sexuellen Missbrauch ermöglichen oder begünstigen. Es muss vermieden werden, dass Kinder und Jugendliche von einzelnen Personen so abhängig werden, dass sie leicht zum Opfer sexueller Gewalt werden können“, erläuterte Merz. Die Träger von Einrichtungen müssten Regelwerke entwickeln und umsetzen, die den Kindern und Jugendlichen ausreichend Schutz bieten. „Es gibt dazu bereits viele positive Beispiele, dazu hat auch der große öffentliche Druck beigetragen“, stellte Merz fest.

Jede Fachkraft, die im Bereich des Bildungs- und Erziehungswesens tätig sei, müsse in der Lage sein, die Symptome sexuellen Missbrauchs einordnen zu können und entsprechende Schritte einzuleiten. „Auch ärztliches und pflegerisches Personal muss hier besser geschult werden. Dies gilt übrigens nicht nur für die Erkennung von sexueller Gewalt, sondern auch für Vernachlässigung“, forderte Merz. Schulungen müsse es aber auch für ehrenamtlich tätige Personen geben. „Jeder Fußballtrainer, jede Ballettlehrerin, alle die, die Jugend- und Kindergruppen betreuen müssen wissen, welche Signale auf sexuellen Missbrauch hindeuten und entsprechende Schritte einleiten können. Dazu brauchen sie nicht nur die Schulungen, sondern auch die entsprechenden Anlaufstellen“, erklärte Merz.

„Um Hinweisen gezielt nachgehen zu können, sind vernetzte und gut ausgestattete Anlaufstellen bei den Jugendämtern, bei der Polizei und in der Justiz notwendig. Wir brauchen aber auch Strukturen, die sicherstellen, dass irrtümliche Verfahrenseinleitungen früh erkannt und beendet werden“, ergänzte Hofmann. Nachholbedarf bestehe vor allem im Umgang mit Opfern sexueller Gewalt. „Das Personal bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz muss umfänglich und verpflichtend weitergebildet werden. Denn Kinder und Jugendliche, die zum Teil schwer traumatisiert sind, brauchen Fachpersonal, das fachkundig und sensibel die entsprechende Hilfe garantiert“, so Hofmann.

Anlauf- und Beratungsstellen müssten nieder schwellig zur Verfügung stehen. „Gerade im ländlichen Bereich ist das nicht der Fall, da gibt es erheblichen Bedarf“, stellte Merz fest. Man könne nicht davon ausgehen, dass sexueller Missbrauch nur im städtischen Bereich vorkomme.

Hofmann forderte die Landesregierung außerdem auf, im Bundesrat aktiv zu werden, damit die Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen verlängert werde. „Der Respekt vor den Opfern gebietet dies, auch wenn wir in vielen Fällen juristisch kaum noch etwas erreichen können, weil die Beweislage zu dünn geworden ist“, erklärte Hofmann.

Das Maßnahmenpaket müsse aufeinander abgestimmt sein und mit den betroffenen Institutionen erarbeitet werden. „Hilfsstrukturen sind umso wirkungsvoller, je mehr das Personal, das sie anbieten soll, in die Entwicklung eingebunden ist. Die Expertinnen und Experten in Schule, Kindertagesstätte, bei der Polizei, in der Justiz, im Jugendamt und im Ehrenamt müssen auf ein Netz an Hilfsangeboten zurückgreifen können und die entsprechenden Anlaufstellen kennen. Ärztinnen und Ärzte müssen vertrauliche Hinweise geben können und brauchen dazu fachkundige Ansprechpartner. Und nicht zuletzt müssen Kinder und Jugendliche, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, wissen, wohin sie sich wenden können, wenn der Weg über die Eltern aus welchen Gründen auch immer versperrt ist“, verdeutlichte Merz.