Lisa Gnadl (SPD): Hessen braucht gutes Landesprogramm gegen Rechtsextremismus

Wer den Rechtsterrorismus bekämpfen will, muss entschieden gegen rechte Einstellungen und menschenfeindliche Argumentationsmuster vorgehen. Deshalb hat die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus gefordert und alle im Landtag vertretenen Parteien zu einem gemeinsamen Dialog zur Entwicklung dieses Programms aufgefordert. „Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Zivilisation sind beständigen Angriffen ausgesetzt, gerade von Rechts, wie die Ereignisse um die sogenannte Zwickauer Terrorzelle wieder einmal gezeigt haben. Diese rechtsextremen Terroranschläge sind nur die Spitze des Eisbergs. Hier müssen alle demokratischen Kräfte gemeinsam an einem Strang ziehen“, sagte die Landtagsabgeordnete Lisa Gnadl bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung des Dringlichen Antrags der SPD-Landtagsfraktion für ein Landesprogramms gegen Rechtsextremismus am Montag in Wiesbaden. Der Antrag soll in der kommenden Sitzung des Innenausschusses beraten werden.

„Neben der schonungslosen Aufklärung der rechten Terroranschläge und den kurzfristigen Erwägungen, die auf Seiten der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden greifen, muss es auch eine langfristige Strategie geben, wie man den ideologischen Sumpf austrocknet – diesen Sumpf aus Rassismus, Sexismus, Schwulenfeindlichkeit und Menschenfeindlichkeit! Deshalb haben wir ein auf vier Säulen basierendes Programm ausgearbeitet“, erläuterte Gnadl die Intention des SPD-Antrags. Bisher gebe es in Hessen zwar einzelne Programme zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, wie das Aussteigerprogramm IKARUS, die beiden Bundesprogramme „Beratungsnetzwerk Hessen- Mobile Intervention gegen Rechtsextremismus“ und „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“. „Wir vermissen allerdings ein Gesamtkonzept der Landesregierung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und rechten Einstellungen in unserer Gesellschaft“, so die SPD-Landtagsabgeordnete.

Besonders enttäuschend sei, dass CDU und FDP in Hessen bei den Haushaltsberatungen für das Jahr 2012 den Antrag der SPD-Fraktion über zusätzliche 136 000 Euro für die stetige Weiterentwicklung des Programms „Beratungsnetzwerk Hessen – mobile Intervention gegen Rechtsextremismus“ aus Landesmitteln abgelehnt haben. „Bisher partizipiert Hessen sehr stark von den Bundesprogrammen gegen Rechts, wenn es aber um eigene Landesmittel zur notwendigen Aufstockung dieser Programme geht, kneifen CDU und FDP. Zeitlich befristete Bundesprogramme machen aber eine stetige Weiterentwicklung des Beratungsangebotes nicht möglich“, sagte Gnadl zu der wiederholten Ablehnung des SPD-Haushaltsantrags.

„Wir alle wissen, dass Rechtsextremismus kein isoliertes gesellschaftliches Randproblem ist. Rechte Einstellungen sind in der Mitte unserer Gesellschaft weit verbreitet. Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die es in allen sozialen Schichten, in Ost- und Westdeutschland und über alle Parteigrenzen hinweg gibt, ist der Nährboden der rechtsextremen Gewalttäter. Zeitungen wie der Wetzlarer Kurier nehmen diese rechten Stimmungen aus der Gesellschaft auf“, ist sich Gnadl sicher.

So veranschauliche die FES-Studie "Die Mitte in der Krise", dass in der Bevölkerung viele rechtsextreme Einstellungen erschreckende Zustimmungswerte hätten. Wenn man die Ergebnisse der Studie ernst nehme, müsse man davon ausgehen, dass das Bekenntnis zur Demokratie und die Achtung jedes Einzelnen bei vielen Menschen scheinbar keine unverrückbaren Grundeinstellungen sind. „Genau hier setzt unser Landesprogramm gegen Rechtsextremismus mit einer Bildungsoffensive an. Im Zentrum steht für uns ein frühzeitiges Bewusstwerden und Erleben von Demokratie und Menschlichkeit. Hierbei haben unsere Schulen eine wichtige Rolle. Kinder und Jugendliche müssen im Schulalltag erfahren, dass Demokratie und die Achtung jedes einzelnen nicht diskutierbar sind. Wir müssen ihnen deshalb mehr Raum geben, die Thematik der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zu diskutieren und zu reflektieren“, so Gnadl. Die Akzeptanz der Demokratie wollen die Sozialdemokraten vor allem durch mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Schüler und Schülerinnen im Schulalltag fördern. „Wer selbst erlebt, durch demokratische Entscheidungen sein direktes Umfeld positiv zu verändern, der wird die Notwendigkeit von Demokratie nicht nur theoretisch erlernen, sondern auch praktisch erfahren“, sagte die SPD- Landtagsabgeordnete.

Neben der Bildungsoffensive sei aus Sicht der SPD eine kritische Reflektion der bisherigen Projekte gegen Rechts und deren Weiterentwicklung notwendig. „Dafür bedarf es eines umfassenden Monitorings der rechten Szene in Hessen, das unabhängig vom Verfassungsschutz erstellt wird“, führt Gnadl die SPD-Forderungen weiter aus. Auch müsse die Konzeption des Aussteigerprogramms IKARUS überdacht werden. „Manche Ausstiegswillige scheuen die Nähe zu den Sicherheits- und Ermittlungsbehörden und verzichten deshalb auf die professionelle Hilfe von IKARUS“, so Gnadl.
Zu den eigenen landespolitischen Maßnahmen müsse die Landesregierung auch bessere Rahmenbedingungen für Kommunen und örtliche Projekte schaffen. Gerade eine „Mikroförderung“ von kleineren Initiativen fehle nach Einschätzung der SPD, obwohl hier das Land mit relativ kleinem Mitteleinsatz viel bewegen könnte.

„Doch statt die antifaschistische Arbeit vor Ort zu unterstützen, wird die Arbeit dieser Gruppen durch die von der Bundesregierung beschlossene Extremismusklausel massiv erschwert. Wir lehnen die Extremismusklausel daher ab und wollen, dass sich die Hessische Landesregierung im Bund für die Abschaffung dieser Klausel stark macht. Wir brauchen eine fundierte Analyse statt plumper Gleichmacherei!“, schloss Gnadl ihre Ausführungen zu den inhaltlichen Punkten des Landesprogrammes gegen Rechtsextremismus ab.

Abschließend rief Gnadl dazu auf, dass alle im Landtag vertretenen Fraktionen gemeinsam die Arbeit gegen Rechts intensivieren: „Ich hoffe, dass wir auf Grundlage des von uns eingebrachten Landesprogramms gegen Rechtsextremismus gemeinsam gute Konzepte für eine starke und wehrhafte Demokratie erarbeiten.“