
Die Halbzeitbilanz zur Regierungspolitik der schwarzgelben Koalition in Hessen hat der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion Günter Rudolph am Donnerstag als trostlos und enttäuschend gewertet.
Nach knapp einem Jahr Ministerpräsidentschaft von Volker Bouffier muss man konstatieren, dass die Regierungspolitik nicht etwa den dringend notwendigen neuen Schwung aufgenommen hat, sondern endgültig zum Stillstand gekommen ist. Es herrscht Flaute statt frischem Wind nach dem Wechsel von Roland Koch zu Volker Bouffier. Gestaltungsverweigerung ist das tragende Prinzip dieser Regierung, sagte Rudolph in Wiesbaden.
Es bleibt der Opposition vorbehalten, die zentralen Themen inhaltlich voranzubringen, wie vor allem die SPD-Gesetzentwürfe für ein neues Schulgesetz und zur Energiewende gezeigt haben.
Ministerpräsident Bouffier wende nahezu seine gesamte Kraft dafür auf, den ohnehin vergeblichen Versuch einer Imagekorrektur zu bewerkstelligen. Sein Programm ist der politikfreie, unverbindliche Kumpeltyp aber vorgebliche Leutseligkeit löst keine Probleme. Außerdem kann Volker Bouffier seine Vergangenheit als Skandalminister Nummer eins, der beispielsweise seinem Nachfolger Rhein einen Berg von Problemen hinterlassen hat, nicht abschütteln.
In den entscheidenden politischen Fragen erweise sich der Ministerpräsident mit seiner Regierung vor allem als ratlos. Der Energiegipfel wird zur Nachhilfestunde für eine Regierung, über die die Entwicklung längst hinweggegangen ist. In der Bildungspolitik ist technokratisches Vorantasten der kleinste gemeinsame Nenner zwischen CDU und FDP, während die Pädagogik auf der Strecke bleibt. Bei der Börsenfusion ignoriert Volker Bouffier die Risiken für den Finanzplatz und ergeht sich in unverbindlichen Schönwetterprognosen. Die Sozialpolitik ist völlig zum Erliegen gekommen. Kurz: Hessen wird orientierungslos weiter unter Wert regiert.
Zur Energiepolitik sagte Rudolph, dass es der schwarz-gelben Regierung offensichtlich schwerfalle, den Richtungswechsel der Bundeskanzlerin nachzuvollziehen. Die Landesregierung begnügt sich mit der Rolle eines energiepolitischen Trittbrettfahrers den Kurs gibt sie nicht vor, so der Sozialdemokrat. CDU und FDP haben Hessen bei der Energiewende ans Tabellenende geführt und verschenken damit ein riesiges Potential für Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Die SPD-Fraktion habe mit den Gesetzentwürfen für den Vorrang Erneuerbarer Energien und für das Wärmegesetz Meilensteine für eine landespolitische Zielsetzung vorgelegt. Es bleibt zu hoffen, dass der Energiegipfel hilft, die inhaltlichen Defizite der Landesregierung auszugleichen und die ideologischen Denkblockaden aufzulösen.
Mit ihrer Bildungspolitik werde die Landesregierung den Herausforderungen nicht im Mindesten gerecht, sagte Rudolph weiter. Das Grundproblem, dass der Bildungserfolg der Kinder viel zu stark von ihrer Herkunft abhängt, wird schlicht ignoriert. Hier setzt sich die hessische CDU mit der rückständigsten Position innerhalb der CDU-Landesverbände in der Koalition weiterhin durch. Rudolph kritisierte, dass die Landesregierung die Chance verpasst habe, mit der Opposition konstruktiv und ernsthaft über das Schulgesetz zu verhandeln. Das Angebot von Thorsten Schäfer-Gümbel war da. Die SPD hat mit ihrem Schulgesetz-Entwurf die entsprechende Vorarbeit geliefert, aber die Landesregierung kann sich von ihrem ideologischen Korsett nicht befreien. Das zeigt auch, dass der von Ministerpräsident Bouffier angekündigte neue Stil ein Muster ohne Wert ist.
Ignoranz beweise die Landesregierung bei allen Fragen, die die Arbeitswelt und den sozialen Zusammenhalt beträfen. Während die SPD einen Gesetzentwurf zum Schutz des Mittelstands und seiner Beschäftigten vor Dumpingkonkurrenz vorgelegt hat, dämmert die Landesregierung vor sich hin. Die Einführung von Mindestlöhnen, die Begrenzung der Leiharbeit und Maßnahmen gegen die zunehmende Befristung von Arbeitsverhältnissen seien das Gebot der Stunde, aber die Landesregierung verschlafe auch dieses Thema.
Rudolph warf der Landesregierung vielfachen Wortbruch vor. Wortbruch beim Nachtflugverbot, bei den Mindeststandards für Kindertagesstätten, bei der Lehrerversorgung, beim Sonderopfer für Beamte, beim Ausbildungsbudget die Versprechen von Ministerpräsident Bouffier und seiner Ministerriege haben sich allzu oft als Täuschungsversuche erwiesen.
Als Dauerbaustellen der Landesregierung wertete Rudolph die zahlreichen Skandale und Affären, die immer noch der Aufarbeitung bedürften. Das Steuerfahnder-Mobbing, die Polizeichef-Affäre, die Affäre Thurau, die rechtswidrigen Vergabeverfahren, die undurchsichtige EBS-Förderung usw. prägen das Bild dieser Landesregierung. Gerade Ministerpräsident Bouffier hat seinem Nachfolger im Amt des Innenministers einen Scherbenhaufen hinterlassen, der die Arbeit der Polizei weiterhin schwer beeinträchtigt. An Aufklärung zeigten CDU und FDP kein Interesse, sondern behinderten beharrlich die Arbeit der beiden Untersuchungsausschüsse. Die SPD wird aber auch hier nicht locker lassen und die Aufklärung konsequent fortführen. Der Staatsgerichtshof hat die Koalition ja bereits in ihre Schranken gewiesen.