Dringender Handlungsbedarf bei hessischer Wohnungsbauförderung

Als „nicht im entferntesten zufriedenstellend“ hat der wohnungsbaupolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Michael Siebel die Wohnsituation für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen bezeichnet. „Insbesondere in den Großstädten kann sich eine wachsende Zahl an Haushalten am Markt nicht mehr mit angemessenem Wohnraum versorgen“, so Siebel bei einer Pressekonferenz der SPD-Landtagsfraktion am Freitag in Wiesbaden. Die SPD wolle deshalb die sozialen Wohnraumförderung stärken und mit sechs Eckpunkten für ein hessisches Wohnungsbauförderungsgesetz die Wohnbedingungen für Niedrig- und Mittelverdiener in Hessen deutlich verbessern.

Das Eckpunktepapier fordert im Kern
– eine angemessene Finanzausstattung bei der Finanzierung von Wohnungsbau.
– die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten für öffentlich geförderten Wohnraum, um der Stigmatisierung des sozialen Wohnungsbaus entgegenzuwirken.
– eine Konzentration der Förderung auf Bedarfsschwerpunkte in wirtschaftlichen Wachstumsregionen und Universitätsstädten.
– eine Ausweitung des Fördergegenstandes auf die soziale Infrastruktur in den Quartieren
– die Einführung ökologischer Standards auch um die Heizkostenbelastung für Mieter aus unteren und mittleren Einkommensschichten nicht über Gebühr zu strapazieren
– einen besseren Mieterschutz.

„Es besteht dringender Handlungsbedarf im Hinblick auf die Neuausrichtung der Wohnungsbauförderung in Hessen“, so Siebel.

In Frankfurt sei exemplarisch zu besichtigen, was passiere, wenn über Jahre hinweg der Wohnungsbau sträflich vernachlässigt werde, sagte der Spitzenkandidat der Frankfurter SPD und Fraktionsvorsitzende im Römer, Klaus Oesterling bei der Pressekonferenz. „Wir brauchen mindestens 100 Millionen Euro städtischer Mittel, um den Wohnungsbedarf der nächsten Jahre zu befriedigen“, sagte Oesterling. Frankfurt sei eine wachsende Stadt. „Wir fordern Wohnungen für Normalverdiener, damit auch die Erzieherin und der Polizist in Frankfurt wohnen kann und nicht zu Pendler werden muss“, so der SPD-Politiker. Das Papier der SPD-Landtagsfraktion gebe hier wichtige Impulse.

"Geförderter Wohnungsbau ist gerade in einem hochpreisigen Gebiet wie dem Main-Taunus-Kreis die Grundlage für eine nachhaltige Stadtentwicklung“, sagte die Hofheimer Bürgermeisterin Gisela Stang in Wiesbaden. Nachhaltigkeit bedeute die Vereinbarkeit von Wohnen, Arbeit, und sozialem Leben. „Der Großteil der seinerzeit geförderten Wohnungen fällt jetzt aus der Sozialbindung, muss darüber hinaus energetisch saniert und heutigen Anforderungen angepasst werden“, so Stang. Dabei seien die Anforderungen an energetische Sanierungen, an soziale Integration, Einstellungen auf den demographischen Wandel, veränderte Lebens- und damit Wohnformen so zusammenzubringen, dass Wohnen aber noch bezahlbar bleibe und dadurch keine "Ghettos" entstünden. „Die städtebauliche Funktion von Wohnquartieren muss gestärkt und erhalten werden. Wohnqualität drückt sich heute mehr noch als früher in der Qualität des Wohnumfelds aus“, so Siebel.

Ziel der sozialen Wohnraumförderung muss nach Auffassung der SPD-Fraktion sein, wieder verstärkt bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und durch Wohnungsumbau zu erhalten. Bei der sozialen Wohnraumförderung und der Sicherung der Zweckbestimmungen des geförderten Wohnungsbestandes sollen insbesondere Familien und Haushalte mit Kindern, Alleinerziehende, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung unterstützt werden.

Darüber hinaus solle bestehender Wohnraum an die Erfordernisse des demographischen Wandels angepasst und energetisch nachgerüstet werden. Es soll eine Verpflichtung zur energetischen Sanierung, Umbauten und der energetischen Qualifizierung bei Neubauten vorgesehen werden, der die Förderung regenerativer Energien im Auge hat.

Als einen der Schwerpunkte des Gesetzes hob Siebel die Frage der energetischen Qualifizierung von Wohnraum hervor. Die mit Fördermitteln des sozialen Wohnungsbaus finanzierten Neubauprojekte sollten im Niedrigenergiehaus-Standard oder Passivhaus-Standard ausgeführt werden, damit die Heizkostenbelastung für untere und mittlere Einkommensgruppen tragbar bleibe. Bei Umbauten und der Sanierung von Altbauten müssten energetische Standards verpflichtend werden. Sanierungen und energetische Verbesserungen sollten zudem sozialverträglich also ohne zusätzliche Belastungen der Mieterinnen und Mieter erfolgen. Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus habe in Zukunft kommunale Energieversorger bei der Qualifizierung von Wohnraum mit einzubeziehen.

Schließlich will die SPD auch den Mieterschutz verbessern. Obwohl hier nur wenige Punkte landesgesetzlich zu regeln sind, stellte Siebel heraus, dass eine zentrale Aufgabe sozialdemokratischer Politik der Schutz der Mieterinnen und Mieter ist. „Alle Zeichen sprechen dafür, dass die Bundesregierung die Verantwortung weiterhin auf das Individuum übertragen will und die soziale Absicherung und Verantwortung der Politik gegenüber der Gesellschaft gänzlich verkennen. Doch Fragen nach überteuerten Mietpreisen, Rechten und Pflichten von Mieterinnen und Mietern gegenüber den Vermietern, Zwangslagen wie finanzielle Nöte und deren Folgen, lösen sich nicht von allein. Deshalb wollen wir den gesetzlichen Mieterschutz auch im Hessischen Wohnungsbauförderungsgesetz verankern.“ Dies umfasse eine Verbesserung des Kündigungsschutzes und die Höhe der Umlage im Falle von Modernisierungsmaßnahmen in Wohnungen.

Die SPD-Vorschläge seien die ersten Konkretisierungen des Positionspapiers „Die Stadt von morgen heute gestalten“, das die SPD Fraktion Ende des letzten Jahres vorgestellt hatte. Die Notwendigkeit für ein solches Gesetz besteht seit 2006. Mit der Grundgesetzänderung (Föderalismusreform I) wurde den Ländern die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz in wesentlichen Teilen des Wohnungsbaus übertragen, vor allem das Recht der Wohnraumförderung und das Wohnungsbindungsrecht.

„Mit einem Wohnungsbauförderungsgesetz würde von der durch die Föderalismusreform übertragenen Kompetenz Gebrauch gemacht“, so Siebel. Dem besonderen Regionalbezug, sowie den neuen Zielen und gesellschaftlichen Anforderungen an eine wirksame soziale Wohnraumförderung wird damit Rechnung getragen.

Positiv stellt die SPD-Fraktion fest, dass die Übertragung eines Sondervermögens, das von der WI-Bank als revolvierender Fonds verwaltet wird, sich als richtiger Schritt erwiesen hat. „Aber wir sind heute in einer Situation, in der die Ziele und Gegenstände der Förderung neu überdacht werden müssen. So haben sie die demographischen Rahmendaten in den letzten fünf Jahren massiv verändert. Wider Erwarten wächst die Stadtbevölkerung insbesondere in Südhessen. Dagegen haben die nordhessischen Landkreise mit den negativen Folgen des demographischen Wandels zu kämpfen. Dem muss die Förderpraxis Rechnung tragen“, so Siebel.