Sechs Punkte für zukünftiges Handeln gegen sexuellen Missbrauch

Sechs Punkte für entschlossenes und konzentriertes Handeln gegen sexuellen Missbrauch hat der familienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Gerhard Merz, in den Mittelpunkt seiner Rede in der heutigen Landtagsdebatte aus Anlass der in den vergangenen Wochen bekannt gewordenen Missbrauchsfälle in kirchlichen und anderen Einrichtungen.

1. Erforderlich ist zunächst und vor allem lückenlose und schonungslose Aufklärung in jedem einzelnen Fall, sowohl in Bezug auf beteiligte Personen als auch Institutionen. Jeder, der sich als Täter, als Mitwisser, als Verharmloser, Vertuscher oder Verschweiger schuldig gemacht hat, muss mit seiner Verantwortung konfrontiert werden und die Konsequenzen seines Handelns oder Nichthandelns tragen.

2. Jede betroffene Einrichtung, jede Institution muss sich ihrer Verantwortung stellen, indem sie sich befragt, was sie durch ihre innere Verfassung, ihre Struktur zum Entstehen dieser unerträglichen Situationen beigetragen hat, und aus dieser Analyse die notwendigen Konsequenzen ziehen.

3. Die Rolle und die Funktionsfähigkeit der staatlichen Organe, denen es besonders aufgegeben ist, über das Wohl unserer Kinder zu wachen, muss genau untersucht werden. Sind die Staatlichen Schulämter, die anderen Schulbehörden, die Jugendämter tatsächlich personell und fachlich so gerüstet, dass sie ihr Wächteramt auch umfassend wahrnehmen können? Ist das Zusammenwirken der verschiedenen Behörden, untereinander und auch mit den Strafverfolgungsbehörden, so ausgestaltet, dass schnell und effektiv eingegriffen werden kann? Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird man das verneinen müssen. Ich will als Beispiel nur die schon in den Kindtötungsfällen häufig und zu Recht angesprochene äußerst prekäre Personalsituation bei den Jugendämtern.

4. Die Anstrengungen im Bereich der Prävention müssen deutlich verstärkt und konkreter auf Handlungsstrategien hin ausgerichtet werden. Jede Einrichtung der Jugendhilfe, jede Schule, jede gesellschaftliche Organisation oder Institution muss das Thema als ‚ihr’ Thema begreifen, muss akzeptieren, dass auch sie selbst nicht verschont bleiben mag und muss ihre eigenen Frühwarnsysteme und Interventionsstrategien entwickeln. Das wird umso besser gelingen, je stärker sie dabei auf Rat und Unterstützung erfahrener Fachkräfte zurückgreifen können, je besser sie mit diesen und auch untereinander vernetzt sind.

5. Weil damit natürlich auch die Anforderungen an die bestehenden Beratungsstellen steigen, müssen diese personell und finanziell in die Lage versetzt werden, diesen gewachsenen Anforderungen auch gerecht zu werden. Eine Ausweitung und Verstetigung der öffentlichen Finanzierung wird unerlässlich sein, wenn z.B. der erkennbare Qualifizierungsbedarf in halbwegs akzeptabler Zeit bewältigt werden soll.

6. Entscheidend und besonders drängend ist aber die Beratung und Hilfe für die Opfer, denen zuallererst unsere Aufmerksamkeit gebührt. Die verheerenden seelischen Auswirkungen von Gewalt und Missbrauch sind bekannt. Die Menschen jetzt, wo die Dinge zutage treten, damit allein zu lassen, wäre eine erneute Versündigung, diesmal eine gesamtgesellschaftliche.