
Seit über zehn Jahren richtet die Hessische Landesregierung ihre Politik einseitig auf den Ballungsraum aus. Für die ländlichen Räume Hessens bleiben immer nur Brotkrumen übrig. Das muss anders werden, sagte heute Thorsten Schäfer-Gümbel, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, bei der Vorstellung einer neuen Initiative seiner Fraktion zur Entwicklung und Gestaltung ländlicher Räume. Wir wollen eine gerechte Politik für die Menschen auf dem Land. Ländliche Räume brauchen verlässliche Rahmenbedingungen und Strategien, jedoch andere als unsere Städte. Ländliche Räume brauchen eine solide finanzielle Ausstattung, um insbesondere den Herausforderungen, die sich vor allem aus der demographischen Entwicklung ergeben, begegnen zu können. Kurzum: Wir brauchen eine neue soziale Stärkung unserer Dörfer
Es gehe der SPD um die Lebensbedingungen der Mehrheit immerhin 54 Prozent der Bevölkerung – in Hessen und die lebten nun mal in ländlichen Räumen, so Schäfer-Gümbel. Unter diesen Räumen verstehe die SPD sämtliche Gebiete außerhalb der Großstädte wie Frankfurt am Main, Darmstadt, Wiesbaden und Kassel, aber auch außerhalb großer Städte wie Gießen und Marburg.
Die Mehrheit der Hessen lebt ländlich, die Menschen leben dort gerne und wollen dies auch in Zukunft tun, sagte der Sozialdemokrat. Allerdings sei die Situation für die Menschen auf dem Land nicht einfach, da gerade bei einem Rückzug von öffentlicher Infrastruktur aus der Fläche das tägliche Leben erschwert werde. Die Menschen auf dem Land brauchen daher eine Politik, die die Chancen der ländlichen Räume begreift und für die anstehenden Herausforderungen praktische Lösungen erarbeitet.
Aus diesem Grund legt die hessische SPD-Landtagsfraktion mit dem Papier HESSENGERECHT: den ländlichen Raum gestalten! Anforderungen an einen neuen Hessenplan vor, der eine Vielzahl von strategischen Politikansätzen zur Entwicklung des ländlichen Raums beschreibt. Die neue SPD-Initiative baue auf dem zentralen sozialdemokratischen Leitbild gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Teilen des Landes Hessen auf.
Zentrale Unterstützungsleistung auf dem Land sei das Dorferneuerungsprogramm, das beibehalten und ausgebaut werden müsse. Da hier die Wirkung hinsichtlich der Auslösung weiterer Investitionen für die ländlichen Räume unstrittig sei denn jeder eingesetzte Euro öffentlicher Mittel löse rund vier Euro an privaten Investitionen aus seien die eingesetzten Landesmittel auf knapp zehn Millionen Euro zu vervierfachen und an die heutigen Anforderungen anzupassen.
Eine leistungsfähige Breitbandversorgung biete die Chance, Nachteile, die sich aus größeren räumlichen Distanzen auf dem Land ergäben, zum Teil zu kompensieren. Die Breitbandversorgung müsse dazu als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge aufgefasst werden, die Hessische Gemeindeordnung sei entsprechend anzupassen. Die Breitbandinitiative des Landes Hessen müsse dringend weiterentwickelt und ausgebaut werden.
Wichtige sozialdemokratische Bildungsziele seien die individuelle Förderung und Integration statt Auslese. Für die ländlichen Räume liege der Schlüssel zur Erfüllung dieser Ziele in integrativen Schulsystemen, die möglichst wohnortnah, bestmögliche Bildungsangebote vorhielten. Dies sei der richtige Weg, gleiche Bildungschancen für Kinder und Jugendliche in Stadt und Land zu gewährleisten.
Der Bedarf an medizinischen und pflegerischen Leistungen werde aufgrund des demographischen Wandels in ländlichen Räumen sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich weiter ansteigen. Hier brauche es umfassende Anpassungs- und Ausbaustrategien. Die ländlichen Räume benötigten ein abgestimmtes Konzept zur Gesundheitsversorgung (Masterplan Gesundheit). Aus dem Leitbild der gleichwertigen Lebensbedingungen abgeleitet sei die medizinische Grundversorgung in Stadt und Land zu gewährleisten.
Steigende Energiekosten träfen Menschen auf dem Land besonders stark. Aus diesem Grund sei es aus Sicht der SPD richtig, die Frage der Energiewende gerade in den ländlichen Räumen Hessen zu stellen. Denn neben dem beschriebenen Handlungsdruck verfügten die ländlichen Räume über hohe Potenziale, um regionale Wertschöpfung durch eine Umsteuerung hin zu erneuerbaren Energien Wind, Wasser, Sonne, Biomasse und Erdwärme – zu ermöglichen. Damit bleibe Wertschöpfung in der Region und man schaffe neue, sicherer Arbeitsplätze, gerade in Handwerk und Dienstleistung
Um die notwendige Infrastruktur vorhalten zu können, benötigten die Kommunen in den ländlichen Räumen wieder einen größeren finanziellen Handlungsspielraum. Es sei daher notwendig, einen kommunalen Finanzausgleich zu etablieren, der sich am objektiven Finanzbedarf der Kommune orientiere. Durch interkommunale Zusammenarbeit könnten in ländlichen Räumen Synergien genutzt werden, eine Unterstützung dieser Zusammenarbeit sei daher notwendig. Gleiches gelte für regionale Entwicklungsansätze.
Mobilität sei einer der entscheidenden Faktoren für die Entwicklungsfähigkeit ländlicher Räume. Es sei daher notwendig, der Ausdünnung öffentlicher Verkehre in der Fläche entgegenzuwirken, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) attraktiv auszugestalten, innovative Lösungen zu integrieren und die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger im Sinne integrierter Gesamtverkehrssysteme voranzutreiben.
Im Bereich der Abwasserentsorgung sei eine Überarbeitung der Eigenkontrollverordnung notwendig, der Anschlusszwang abgelegener Einzelgebäude im Außenbereich müsse überprüft werden.
Eine besondere Bedeutung hätten aber auch Arbeitsplätze in öffentlichen Unternehmen, Kommunalverwaltungen und der Landesverwaltung. Deshalb wenden wir uns dezidiert gegen die Verlagerung von Landesverwaltungseinheiten in die Zentren des Landes, so der Sozialdemokrat.
Schäfer-Gümbel: Wir brauchen eine gezielte Politik für die Wirtschaft in den ländlichen Räumen. Abwanderung von qualifizierten Fachkräften, nicht gesicherte Unternehmensnachfolge, geringeres Gründungsgeschehen sind exemplarische Entwicklungen, die dies notwendig machen. Die Wirtschaft in den ländlichen Räumen in Hessen ist vielfältig und durch das unternehmerische Engagement vor allem kleinerer und mittlerer Unternehmen geprägt, Land- und Forstwirtschaft sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Fläche. Die Initiative der hessischen SPD-Fraktion zur Förderung des Mittelstands durch ein neues Mittelstandsgesetz ist daher von großer Bedeutung. Wir brauchen darüber hinaus eine Umstrukturierung des Wissens- und Technologietransfers in Hessen bezogen auf die besonderen Bedürfnisse ländlicher Räume sowie eine Gründungsoffensive auf dem Land.