Manfred Görig (SPD): Schwarz-Gelb ist Handbremse für erneuerbare Energien – Hessen bleibt stabil hinten

„Der Vertrag ist ohne jegliche Ambition beim Ausbau erneuerbaren Energien, denn er schreibt als Ziel nur 20 Prozent des Endenergieverbrauchs (ohne Verkehr) bis 2020 fest. Übersetzt heißt das pro Jahr einen Minizuwachs von 1,3 Prozent anzustreben. Hessen bleibt unter Schwarz-Gelb im Vergleich der Bundesländer stabil hinten. Das ändert sich auch nicht bis zum Ende dieser Legislaturperiode im Jahr 2014“, so Görig.

Die Chancen, die eine Energiewende für die Umwelt und für neue Arbeitsplätze in der mittelständischen Wirtschaft böte, würden nicht genutzt, die Verhinderungspolitik gegen erneuerbare Energien werde fortgesetzt. Die Koalition setze auf eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke Biblis A und B und auf eine Verfahrensbeschleunigung beim Bau des Kohlekraftwerksbaus Staudinger Block 6 mit 1100 MW Leistung. Sie sehe sich damit an der Seite der Stromriesen RWE und E.ON. „Das Einzige, was beschleunigt wird, ist die Steigerung der Treibhausgasemissionen in der Region.“ Görig bezweifelte, dass es dabei wirklich um ein ergebnisoffenes Verfahren gehe. „Die Vergangenheit deutet eher auf das Gegenteil hin.“ Die SPD-Fraktion halte an ihren bisherigen Zielen einer modernen, zukunftsfähigen Energiepolitik weiterhin fest.

„Wir sind gegen eine Laufzeitverlängerung von Biblis A und B und halten an der Ausstiegsvereinbarung zwischen Bundesregierung und den Energieversorgern, auch der RWE, fest, selbstverständlich unter Abarbeitung der Reststrommengen. Wir verurteilen das Unterlaufen des eigenen Vertrages durch zwar zulässige, aber künstliche Laufzeitverlängerung durch gezielt vorgenommene Zeit rettende Kraftwerksstilllegungen“, sagte der SPD-Politiker weiter. Außerdem bestehe neben der Sicherheitsfrage nach wie vor das ungelöste Entsorgungsproblem atomarer Abfälle. Ein gern ins Feld geführtes Argument in diesem Zusammenhang sei der Hinweis der Koalition auf die angeblich preiswerte Stromversorgung durch Atom. „Dies trifft nicht zu! Ein Blick auf die Strompreisstatistik hilft da weiter.“

Exkurs:

Wie hat sich der Strompreis seit 2000 entwickelt?

Durchschnittliche monatliche Stromrechnung eines Durchschnittshaushaltes in Deutschland:

2000   40,66 Euro                (Angabe Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft)

2001   41,76 Euro    =          + 2,7 % (Angabe: RWE)

2002   46,99              =          + 12,5 %        -„-

2003   50,14              =          + 6,7 %          -„-

2004   52,38              =          + 4,4 %          -„-

2005   54,43              =          + 3,9 %          -„-

2006   56,76              =          + 4,3 %          -„-

2007   58,12              =          +2,4 % (Angabe: Statistisches Bundesamt)

2008   62,13              =          +6,9 %           -„-

Der Strompreis verteuerte sich also seit 2000 um fast 53 Prozent!

Zitat: „Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist nur für etwa ein Fünftel der Strompreissteigerungen verantwortlich.“

(Quelle: Bundesministerium für Umwelt. Energie und Reaktorsicherheit: Hintergrundinformationen zum EEG-Erfahrungsbericht 2007)

Die Kosten für die atomare Stromerzeugung seien unverändert, so Görig weiter. Ein Viertel des Stroms werde aus Kernenergie gewonnen, lediglich Steinkohle und Gas hätten Kostensteigerungen zu verzeichnen. Daraus ergebe sich, dass Atomstrom für die Verbraucher keine Preisvorteile bringe, aber eine Verfestigung des Oligopols der vier großen Stromerzeuger und die maximale Steigerung deren Gewinns durch längst abgeschriebene Atomkraftwerke. Durch die vier Großen finde Wettbewerb nicht mehr statt.

Der SPD-Umweltsprecher nahm auch Stellung zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens für Staudinger 6. „Wir befürchten, dass schon alleine wegen der angestrebten Beschleunigung kein ergebnisoffenes Verfahren erfolgen kann. Dagegen wollen wir ein ordnungsgemäßes Verfahren nach den derzeitigen gesetzlichen Grundlagen. Die Landesregierung muss unverzüglich die Karten auf den Tisch legen, wie sie das Verfahren handhaben will. Wir sind der Meinung, dass der Rhein-Main-Raum eine Steigerung des CO2- Ausstoßes von 5,1 auf 8,1 Mio. Tonnen pro Jahr und weitere Schadstoffe an zusätzlicher Belastung nicht verträgt.“

Ein Kraftwerk dieser Größenordnung mit 1.100 MW könne nicht gebaut werden, ohne die Gesamtbelastung der Region zu sehen, in die insbesondere die Verkehre auf dem Boden und in der Luft, bereits bestehende und geplante Vorhaben, wie zum Beispiel der Flughafenausbau, die Verbrennungsanlage auf dem Gelände der InfraServ in Frankfurt-Höchst und der Kohlekraftwerksbau mit 800 MW durch KMW auf der Ingelheimer Aue zuzüglich der klimatischen Einflüsse privater Haushalte und der Wirtschaftsbetriebe mit einbezogen werden müssten.

Der Anteil an Strom, der für die Stadtwerke Hannover bestimmt sein soll, so Görig weiter, müsse nicht hier erzeugt werden und die Region zusätzlich belasten. Dabei sei von etwas unter 300 MW Leistung die Rede. Darüber hinaus müsse die Kraft-Wärme-Kopplung eine größere Rolle spielen als vorgesehen, sonst sei der Primärenergieverbrauch allein für  die Stromerzeugung zu hoch, für eine Kilowattstunde Strom benötige man 2,63 kWh fossile Primärenergie, also Kohle.

Bei den erneuerbaren Energien stehe Hessen derzeit mit knapp sechs Prozent im Bundesländervergleich auf Platz 14 und werde mit dem Ziel des Koalitionsvertrages, nämlich 20 Prozent bis 2020, auf einem der letzten Plätze verharren. Der Bund wolle 30 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energien erreichen, die Europäische Union außerdem eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2020. Zu beidem müsse und könne Hessen einen deutlicheren Beitrag leisten. „Die Landesregierung muss nur wollen.“

Mit der Aussage, Hessen sei kein Land der Windenergie, leiste die neue Umweltministerin dem eigenen, schon geringen Anspruch im Koalitionsvertrag einen Bärendienst, denn ohne den Baustein Windenergie deutlich zu forcieren, werde selbst dieses Minimalziel nicht erreichbar sein, sagte Görig. Die SPD-Landtagsfraktion werde in einem Antrag das Thema Windenergie im Regionalen Flächennutzungsplan Rhein/Main aufgreifen. Dort sei eine Reduzierung der Windvorranggebiete von 66 auf nur noch 5 Standorte durch die CDU-Mehrheit erfolgt, die nicht hinnehmbar sei. Selbst als Windkraftstandort geeignete Kommunen hätten sehr wahrscheinlich auf dieser Grundlage gar keine Möglichkeit mehr, tätig zu werden.

Görig forderte die Landesregierung auf, ihr Konzept offen zu legen, mit dem sie ihr eigenes Minimalziel von 20 Prozent zu erreichen gedenke. „Gibt es überhaupt ein Konzept? Falls ja, wie sieht das aus? Welche Rolle spielt die Windenergie dabei tatsächlich? Diese Fragen müssen beantwortet werden.“

Er kündigte eine zeitnahe Modifizierung des Entwurfes eines bereits vor der Landtagswahl erarbeiteten Gesetzes zu Erneuerbaren Energien an. „Die energiepolitischen Vorstellungen der SPD-Fraktion basieren auf diesem Entwurf, und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz des Bundes wird Grundlage für ein Hessisches Wärmegesetz werden.“

Die SPD habe keinen Grund, von ihrer Energiepolitik abzuweichen: „Wir wollen so schnell und so viel wie möglich an Erneuerbaren Energien in Hessen. Dazu ist Innovation, Motivation und eine Bewusstseinsänderung auf allen Ebenen notwendig. Und die Landesregierung muss die Voraussetzungen schaffen, ohne die nichts geht. Musterland für erneuerbare Energie wird man nicht durch Verhinderung von Zukunftstechnologien! Die CDU/FDP-Koalition muss endlich die energiepolitische Handbremse lösen!“