Arbeitsmarktpolitik komme in den Vereinbarungen nur unter dem Punkt Arbeit und Wirtschaft vor. Wer die Zuständigkeit für Arbeitsmarktprogramme erhalte, bleibe zunächst unklar. Neue Ansätze in der Arbeitsmarktpolitik sind aber sowieso nicht erkennbar, stellte Dr. Spies fest. So bleibe der Koalitionsvertrag jede Aussage zur effektiven Bekämpfung von Arbeitslosigkeit schuldig und gebe keine Antwort auf die drängenden Probleme von Langzeitarbeitslosen. Hier war das Konzept von SPD und Grünen im vereinbarten Koalitionsvertrag 2008 eindeutig besser. Wir hatten klare Vorstellungen hinsichtlich der Bündelung aller Ausbildungs- und Arbeitsmarktprogramme in einem gestärkten und finanziell besser ausgestatteten Sozialministerium. Und wir hatten ein Konzept für dauerhaft öffentlich geförderte Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, das wir gemeinsam mit den Optionskommunen und Argen umgesetzt hätten, so Dr. Spies. Immerhin seien CDU und FDP bereit, die einseitige Förderung von Optionskommunen zu beenden und beide Modelle im Grundgesetz zu verankern. Jenseits der Organisationsfrage bleibt aber das wichtigste Problem ungelöst. CDU und FDP sind völlig passiv bei der Arbeitsmarktpolitik, obwohl das Land hier Mitverantwortung trägt.
Bei der Kinderbetreuung habe die FDP als Ausgleich für die entgangene Kinderschule offenbar mit Gutscheinen entschädigt werden sollen. Neben den Gutscheinen für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren solle es auch Gutscheine für Erziehungskompetenz geben. Allerdings bleibt die Koalition die Antwort schuldig, welche Qualitätsverbesserungen damit einhergehen sollen, stellte Dr. Spies fest. Darüber hinaus sei es gerade für Eltern aus den so genannten bildungsfernen Schichten schwierig, mit solchen Gutscheinen entsprechend umgehen zu können. Bei der Finanzierung lassen die gewählten Formulierungen erkennen, dass ebenso wie in den vergangenen Jahren die Kommunen die Zeche bezahlen und sich das Land mit fremden Federn schmückt, vermutete Dr. Spies. Jedenfalls sei nicht im Ansatz zu erkennen, das originäre Landesmittel in beträchtlichem Umfang eingesetzt würden. Hier müssten allerdings die Haushaltsberatungen abgewartet werden.
In der Frauenpolitik ist jetzt endgültig abgewirtschaftet. Lediglich ein Punkt unter 17 im Kapitel Kinder und Familien wird den Frauen gewidmet, so Dr. Spies. Es seien keinerlei Ansätze erkennbar, wie man den berechtigten Interessen von Frauen nach umfassender Gleichstellung gerecht werden wolle. Wir vermissen Impulse für ein effektives, an den Interessen von Frauen orientiertes Gleichberechtigungsgesetz, für Gender Budgeting und Gremienparität, so wie es SPD und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hatten. Nach den schlechten Erfahrungen mit einer CDU-Alleinregierung habe man gehofft, dass hier die FDP positiven Einfluss haben könnte. Allerdings muss man eingestehen, dass von einer Fraktion, die bei 20 Mitgliedern nur eine Frau in ihren Reihen hat, auch nichts anderes zu erwarten ist, stellte Dr. Spies fest.
Jugendliche und Senioren kämen im Koalitionsvertrag von CDU und FDP auch nicht besser weg als Frauen. Ein verbindliches Mitspracherecht von Seniorenvertretungen ist den Koalitionären von CDU und FDP offensichtlich ein Dorn im Auge. Zu mehr als einem unverbindlichen begleiten von freiwilligen Seniorenvertretungen wollte man sich nicht durchringen, kritisierte Dr. Spies. Das sei aber für die Generation der neuen Alten nicht genug. Wir brauchen mehr Beteiligungsrechte für die ältere Generation. Diesen Anforderungen werden CDU und FDP absolut nicht gerecht.
Auch im Bereich Gesundheit und Soziales gebe es eine Fülle von schwammigen Formulierungen, deren Kern und Zielrichtung nicht erkennbar sei. So solle der Landeswohlfahrtsverband (LWV) gemeinsam mit den Kommunen effizienter gestaltet werden. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode im Landtag einen Gesetzentwurf von SPD und Grünen, der die Zuständigkeit für das Betreute Wohnen beim Landeswohlfahrtsverband belässt, einstimmig beschlossen. Ich warne CDU und FDP davor, hier wieder zur Vergangenheit zurückzukehren und den LWV auflösen zu wollen. Fachkompetenz und effektiver Mitteleinsatz sprechen eindeutig für den LWV, daran gibt es unter Fachleuten keinen Zweifel, sagte Dr. Spies. Die jetzige Lösung sei im Sinne der betroffenen Menschen mit Behinderungen die beste. Darüber hinaus muss das Hessische Behindertengleichstellungsgesetz dringend novelliert werden. Das Gebot der Barrierefreiheit muss auch für die Kommunen gelten, denn gerade dort wird sie am meisten gebraucht, forderte Dr. Spies. Auch im Bereich der Behindertenpolitik gebe der Koalitionsvertrag von SPD und Grünen die zukunftsweisenden Impulse.
Jegliche Aussage zu einer gestaltenden Landessozialpolitik bleibe der Koalitionsvertrag von CDU und FDP schuldig. Bezeichnend ist, dass CDU und FDP den Armuts- und Reichtumsbericht, auf den man sich in der vergangenen Legislaturperiode bereits verständigt hat, nun zu einem Sozialbericht weiterentwickeln wollen. Das ist keine Weiterentwicklung, sondern ein kräftiger Rückschritt, stellte Dr. Spies fest. So lägen Teile eines Sozialberichts bereits vor, erarbeitet von Wohlfahrtsverbänden. Gebraucht würde ein umfassender Armuts- und Reichtumsbericht, der auch Handlungsoptionen zur Abmilderung und Vermeidung von Armut beinhalte. Armut kommt bei dieser Regierung nicht vor. Für die Partei der Besserverdienenden sind arme Menschen eine uninteressante Zielgruppe, die Konservativen sehen Arme eher als Almosenempfänger, für die man Spenden sammeln muss, kritisierte Dr. Spies. Das Problem Armut werde völlig an den Rand gedrängt, politische Strategien, um Wege aus der Armut zu finden, seien nicht erkennbar. Auch hier war der Koalitionsvertrag von SPD und Grünen wesentlich weiter, erläuterte Dr. Spies. So sei ein festes Sozialbudget vorgesehen gewesen, das den Trägern sozialer Arbeit Planungssicherheit gegeben hätte. Prävention in sozialen Brennpunkten, Schuldnerberatung, das Programm Soziale Stadt, Erziehungsberatung und vieles anderes mehr sind Bausteine einer gestaltenden Landessozialpolitik, die Armut wirksam bekämpft. All dies kommt im Koalitionsvertrag von CDU und FDP nicht vor. Wer so handelt, lässt arme Familien am Rande der Gesellschaft. Diese Politik führt in eine Sackgasse, weil sie nicht integriert, sondern ausgrenzt, kritisierte Dr. Spies.
Die bisherige Sozialministerin und ihr Staatssekretär haben sich neue Tätigkeitsfelder gesucht, die ihnen offenkundig interessanter anmuten. Das nunmehr mit dem Titel Arbeit, Familie und Gesundheit geschmückte Ministerium wurde zum Versorgungsposten von Herrn Banzer, der in seinen bisherigen Positionen von der FDP verdrängt wurde, aber aufgrund der Kabinettsarithmetik untergebracht werden musste, stellte Dr. Spies fest. Fachkompetenz spielt bei diesem Ministerium offenkundig keine Rolle, denn auf sozialpolitischem Terrain ist Herr Banzer ein unbeschriebenes Blatt. Wie jedem anderen werde die SPD ihm aber die üblichen 100 Tage zur Einarbeitung zubilligen. Danach werden wir ihn fordern, denn die drängenden Fragen in der hessischen Sozialpolitik lassen keinen weiteren Aufschub zu, so Dr. Spies.