Wir wissen, dass sich auch ein Unternehmen wie die Telekom Modernisierungs- und Neustrukturierungsprozessen stellen muss. Wir wissen, dass sie es tun muss. Nämlich, um auf dem immer härter werdenden Markt der Telekommunikation wettbewerbs- und zukunftsfähig zu bleiben.
Wir wissen aber auch eines: so geht man mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht um! Die Art und Weise, wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer quasi über Nacht vor vollendete Tatsachen gestellt wurden, war kein guter unternehmerischer Stil. Schon in der Vergangenheit haben diese erhebliche Zugeständnisse machen müssen und auch Einbußen hingenommen. Sie haben im Vertrauen auf die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze vor Ort erhebliche Vorleistungen erbracht. Umso bitterer ist die bevorstehende Schließung der Standorte.
Sicher hat die Telekom nach eigenen Worten erhebliche Anstrengungen unternommen, diese Standortschließungen und Arbeitsverlagerungen sozialverträglich zu gestalten.
Aber seien wir einmal ehrlich: Was nützt einer Teilzeitkraft mit Kindern ein Arbeitsplatz in Fulda, 200 Kilometer hin und zurück? Dass dies für die vielen Betroffenen keine Alternativen darstellt, müssen wir hier, glaube ich, nicht diskutieren. Wir sind ebenso der Auffassung, dass die Schließungspläne einer Standortverantwortung, die auch ein solches Unternehmen nach unserer Auffassung haben sollte, nicht gerecht werden.
Wir haben zudem die große Besorgnis, dass die Telekom mit den Standortschließungen in Kassel und Gießen einen weiteren Vertrauensverlust erleidet. Denn viele private und öffentliche Unternehmen in Mittel- und Nordhessen haben sich bewusst entschieden, Kunde bei der Telekom zu bleiben, da das Unternehmen in beiden Regionen immer stark verwurzelt war.
Mit der Entscheidung, die 330 Arbeitsplätze zu verlagern, sehe ich die Gefahr, dass die Akzeptanz der Kunden gegenüber der Telekom weiter nachlässt. Fast jedes Mal, wenn eine solche Welle rollt, sind Kassel und Gießen betroffen gewesen. Dies hat die einst traditionellen Telekomstandorte bereits hunderte Arbeits- und Ausbildungsplätze gekostet.
Es ist aus unserer Sicht strukturpolitisch absolut nicht vertretbar, wenn Standorte mit hoher Arbeitslosigkeit geschlossen und die Arbeitsplätze an Orte mit wesentlich geringerer Arbeitslosigkeit verlagert werden.
Zu Recht haben diese Standortverlagerungen daher auch auf kommunalpolitischer Ebene, in Kassel und Gießen, zu großer Verärgerung geführt. Der Hinweis darauf, dass durch diese Umstrukturierungsmaßnahme Hessen am Ende 400 Telekomarbeitsplätze mehr haben wird, mag aus Sicht der Landesregierung positiv bewertet werden. Aber den betroffenen Standorten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nutzt dies gar nichts. Wir sehen bisher auch noch keinen wirklich nachvollziehbaren Grund und keine Fakten, warum plötzlich nur Call-Center ab einer Größe von 400 oder 700 Mitarbeiter rentabel sein sollen.
Ich bin unserer Fraktionsvorsitzenden Andrea Ypsilanti sehr dankbar, dass sie sich sehr vehement und engagiert für einen Stopp der Verlagerungspläne eingesetzt hat. Ebenso dankbar bin ich dem Kasseler Oberbürgermeister, der Stadtverordnetenversammlung und den örtlichen Abgeordneten für ihre Unterstützung. Wir haben dieses Engagement bei der geschäftsführenden Landesregierung nicht in gleicher Weise wahrnehmen können.
Dies ist im Übrigen auch der betroffenen Arbeitnehmerschaft aufgefallen.
Es kursierte dort auch die Vermutung, die Landesregierung sei im Vorfeld bereits von den Verlagerungsplänen informiert gewesen. Bis hin zu der Vermutung, die neuen Standorte Eschborn und Fulda seien bewusst präferiert worden. Herr Staatsminister Rhiel hat in einem persönlichen Schreiben versichert, dass dies nicht zutreffend sei. Deshalb will ich es an dieser Stelle auch nicht weiter kommentieren. Sehr wohl will ich aber anmerken, dass das Gefühl zurückbleibt, dass die geschäftsführende Landesregierung in dieser Sache weitaus mehr hätte tun können.
Wenn es noch eine kleine Chance geben sollte, diese aus unserer Sicht ungerechtfertigte Standortverlagerung zu verhindern, sollte diese sofort und umgehend genutzt werden. Wir fordern daher die Landesregierung auf, beim Vorstand der Telekom zu intervenieren und die Beibehaltung der Standorte dort einzufordern. In jedem Fall muss dem Vorstand abgerungen werden, adäquate Arbeitsplätze in anderen Telekom-Geschäftsbereichen in Kassel bzw. Gießen anzubieten.