Heike Habermann (SPD): Kleinere Klassen und ein gerechteres Zuweisungssystem sind unser Ziel

Die Verordnung über die Anzahl und Größe der Klassen von 1992 wollte mit der Möglichkeit, die Klassenhöchstgröße um drei Kinder zu erhöhen, eine Ausnahmeregelung schaffen. Heute ist diese Ausnahme zur Regel geworden. Durch die Richtwerteregelung im Schulgesetz, die glücklicherweise inzwischen der schulpolitischen Vergangenheit angehört, wurden Klassenzusammenlegungen und das Ausschöpfen von Höchstzahlen pro Klasse sogar überlebensnotwendig für Schulstandorte. Die immer größer werdende Kluft zwischen Anspruch und Realität der Unterrichtsversorgung wurde durch immer neue Berechnungsformeln bei der Lehrerzuweisung aufgehoben.

Inzwischen ist Hessen im Bildungsmonitor 2008 bei der Grundschule mit einem Durchschnitt von 22,4 Kindern pro Lerngruppe auf dem letzten Platz der Bundesländer angelangt. Durchschnittswerte allein sagen jedoch wenig über die tatsächliche Situation an den Grundschulen und weiterführenden Schulen in Hessen aus. Es gibt weiterhin kleine Klassen, in denen das Arbeiten Spaß macht, in denen Lehrkräfte auf die einzelnen Kinder eingehen und sie fördern können. Es gibt sie in Regionen Hessens, in denen die Auswirkungen der demografischen Entwicklung früher zum Tragen gekommen sind.

Umso schlechter sind die Lern- und Lehrbedingungen in den Ballungsgebieten und Großstädten. Gerade dort, wo viele Kinder mit schlechteren Startbedingungen in die Schule kommen, Kinder mit hohem Förderbedarf in der sprachlichen oder sozialen Entwicklung, Kinder, die zu Hause nicht die notwendige Unterstützung haben – gerade dort resignieren Lehrkräfte vor Lerngruppen, deren Größe keine differenzierte pädagogische Arbeit zulässt. Und gerade dort ist es besonders notwendig, durch die Zuteilung der Lehrkräfte dafür zu sorgen, dass in kleineren Lerngruppen schlechtere Bildungschancen aufgefangen werden können.

Deshalb will die SPD, dass die Regelung zur Überschreitung der Klassenhöchstgrenze um drei Schüler aufgehoben wird. Und wir wollen das System der Lehrerzuweisung umstellen auf eine Orientierung an den tatsächlichen Schülerzahlen und auf Indikatoren, die geeignet sind, die Lernausgangslage der Kinder anhand von Kriterien wie Migrationshintergrund, soziale Situation der Eltern oder Arbeitslosenquote einzubeziehen. 

Um dies zu erreichen ist es wenig hilfreich, wenn das Kultusministerium sozial indizierte Zuweisungsfaktoren ausgerechnet im Hochtaunuskreis erprobt. Aber auch der Antrag der Linken ist nicht hilfreich, wenn es darum geht, die Schritte hin zu kleineren Klassen und einer gerechteren Lehrerversorgung festzulegen.

Die SPD will die Regelungen des Klassengrößenerlasses revidieren, aber wir werden dazu auch den Schulen eine realistische und finanzierbare Perspektive vorlegen. Es genügt nicht, sich in ein Wolkenkuckucksheim zu begeben und schlicht zwei Absätze aus einer Verordnung zu streichen. Dadurch sind zusätzliche Lehrerstellen weder finanziert noch anschließend mit Fachkräften besetzt. Wir brauchen in Hessen zusätzliche Lehrerstellen, um die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass aus dem Anspruch, kein Kind zurückzulassen, Realität wird. Die SPD steht zu diesem Versprechen. Was wir nicht können, ist  mit einem einzigen Schritt das Ziel kleinerer Klassen in allen Schulformen zu erreichen.

Hessen ist auf dem Weg, die guten Leistungen der Grundschule zu gefährden und damit das Fundament für gleiche Bildungschancen weiter auszuhöhlen. Hier besteht akuter Handlungsbedarf. Wir wissen, dass allein die Reduzierung der Klassengröße im Grundschulbereich rund 425 Stellen erfordert, dazu weitere 475 Stellen für die Differenzierungsstunden.

Um darüber hinaus in einem Zug die von Ihnen gewünschte Reduzierung der Klassengröße um 20 Prozent in allen Schulformen umzusetzen, brauchen wir ad hoc mehrere tausend neue Lehrer. Ich werde mir gerne im Ausschuss die Frage beantworten lassen, wie Sie dies komplett im nächsten Haushaltsjahr finanzieren und wie Sie diese Lehrkräfte auf dem Arbeitsmarkt finden wollen.

Kleinere Klassen und ein gerechteres Zuweisungssystem sind unser Ziel. Dies muss schrittweise realisiert werden mit einem realistischen Finanzierungskonzept.“