Es ist Aufgabe von Schule und Unterricht, dazu die Informationen zu liefern und Diskussionen anzuregen. Denn Wissen und kritische Auseinandersetzung mit Informationen sind Voraussetzung für die Stärkung der Demokratie in unserem Land. Umso erschreckender ist es, dass Studien immer wieder zu dem Ergebnis kommen, dass das Wissen von Schülern und Schülerinnen über die Diktatur in der DDR und die sie tragende SED und die Blockparteien völlig unzureichend ist. Und es ist auch richtig, dass Politik sich damit auseinandersetzen und nach Lösungsansätzen suchen muss. Ob es dabei ausreichend oder erfolgreich ist, die Landesregierung mit der Erarbeitung einer Handreichung zu beauftragen, ist zu bezweifeln.
Es gibt eine Fülle von Materialien, Filmen, Projekten und Handreichungen, die das Leben in der DDR und die massiven Eingriffe des Regimes in die Freiheit und die körperliche Unversehrtheit der Menschen dokumentieren und pädagogisch aufarbeiten. Und es gibt in jeder Schule die Lehrkräfte, die diese Materialien im Geschichtsunterricht einsetzen, um ihren Schüler und Schülerinnen die Grundlagen für eine Einordnung der DDR und ihres Staatssystems zu vermitteln. Wir schließen uns deshalb ausdrücklich dem Dank an die Lehrkräfte an, der im Änderungsantrag der Grünen zum Ausdruck gebracht wird.
Ihr Antrag dagegen suggeriert, fehlendes Geschichtsbewusstsein habe eine Ursache in Versäumnissen der Lehrkräfte. Dies gipfelt in einer Presserklärung des Kollegen Greilich vom 28.07, in der er eine Veränderung der Lehrpläne fordert und ausführt: Ich habe leider die Kenntnis, dass der eine oder andere Lehrer, insbesondere aus der so genannten 68er-Generation, die Aufarbeitung dieses Teiles der deutschen Geschichte aus ideologischen Gründen schlicht verweigert. Dieses hält die SPD-Fraktion für eine üble Unterstellung und eine Verunglimpfung der Lehrerschaft. Solche Äußerungen sind der Problematik völlig unangemessen.
Im August 2007 hat in abschließender öffentlicher Beratung der Hessische Landtag die Landesregierung beauftragt, ein Konzept vorzulegen, wie die Aufarbeitung der DDR/SED-Diktatur und der Tätigkeit des so genannten Ministeriums für Staatssicherheit im Schulunterricht intensiviert werden kann. Passiert ist bis heute nichts. Welche Bedeutung haben Sie Ihrem eigenen Antrag damals zugemessen, wenn Ihre eigene Landesregierung bis heute auf dieses Konzept hat warten lassen?
Was ist denn eigentlich in der Zwischenzeit passiert, liebe Frau Henzler, dass Sie im vergangenen Jahr mit einer durchaus nachvollziehbaren Begründung, die Forderung nach einem Konzept ablehnten, aber heute eine Handreichung fordern? Warum soll die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED im Jahre 1946 und die sich daran anschließende unmenschliche Verfolgung von Sozialdemokraten im Fokus stehen, aber die Alibifunktion für eine pluralistische Demokratie in der DDR insbesondere von CDU und LDPD nicht aufgearbeitet werden?
Die Antwort auf diese Fragen ist einfach. Das wichtige Anliegen des Antrags, einen bewussten Umgang mit deutsch-deutscher Geschichte zu fördern, soll dazu herhalten, noch eine ganz andere Botschaft zu transportieren. Sie wollen einmal mehr mit dem Finger auf die Abgeordneten ganz links im Plenum zeigen, die Sie zu den Schmuddelkindern in diesem Parlament abgestempelt haben. Und Sie wollen diejenigen, die über eine Kooperation mit der Linken diskutieren, ebenfalls in diese Ecke drängen, wenn wir Ihre teilweise kruden Formulierungen nicht unwidersprochen teilen.
Aber es wird Ihnen nicht gelingen, dieses Bild zu stellen. Zu groß ist die Diskrepanz zwischen der Anforderung an den Geschichtsunterricht und Ihren eigenen Versäumnissen in der Regierungsverantwortung. Wenn man sich die Mühe macht, in die Lehrpläne zu schauen, stellt man fest, dass ausgerechnet die Verkürzung der Mittelstufe im Gymnasium dazu geführt dass von vorher 12 Unterrichtseinheiten zur deutsch-deutschen Geschichte auf 11 gekürzt wurde. Mit G8 haben Sie auch die Zeit für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte gekürzt. Und die Schüler der Hauptschule erfahren planmäßig überhaupt nichts über das DDR-Regime, wenn sie nicht das fakultative 10. Schuljahr besuchen. In der Abschlussklasse 9 kommt die Entwicklung Ostdeutschlands nach 1945 nämlich nicht vor. Auch der Stellenwert der politischen Bildung in der Schule wurde in Ihrer Regierungszeit eindeutig geschwächt.
Die Diskussion, die Sie heute führen, fällt letztlich auf Sie selbst zurück. Deshalb ist der Änderungsantrag der Grünen in der Sache eigentlich unnötig, aber er hat den Vorteil, dass er versucht, in der Sache einige Formulierungen zumindest zu relativieren. Er kann in der Ausschussberatung eine Grundlage für einen Beschluss sein, der die Sache in den Vordergrund stellt und auf unnötige Wertungen verzichtet.