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In einer Fernsehsendung berichten Augenzeugen von einem Todesfall auf der Intensivstation, weil das Personal überlastet war und die zuständige Kraft die Alarmsignale der Überwachung nicht mitbekam. Es gibt inzwischen laut Fachverbänden Intensiveinheiten mit einer Fachkraft und einer Hilfskraft was bedeutet, dass im Notfall erst Hilfe von anderen Stationen gerufen werden muss. In einem Brief an die Krankenhausleitung beschreiben Mitarbeiter namentlich desolate Hygienezustände auf einer Station. Die Leitung bestätigt die Probleme gegenüber der Presse. In einem Medienbericht vor einigen Monaten erläuterten Fachkräfte, wie aus Zeitnot beispielsweise die Ernährung mit der Sonde bei geriatrischen Patienten zur Regel geworden Fälle, in denen geriatrische Patienten wegen eines banalen Flüssigkeitsmangels, weil keinen beim Trinken helfen konnte, in kritische Zustände kommen, sind keine Seltenheit mehr. <p></p></span></pre>
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damit wir uns nicht falsch verstehen: es besteht noch kein Grund zur Panik. Solche Berichte sind Einzelfälle, aber keine Raritäten. Unsere Krankenhäuser sind gut. Der vor 6 Tagen veröffentlichte Bericht der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung für das Jahr 2007 bescheinigt unseren Krankenhäusern in den untersuchten Parametern eine gute Qualität, zugleich aber weiteren Handlungsbedarf. Aber das ist kein Grund, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Die Fakten: in den Jahren 1994 bis 2006 ist die Zahl der Vollzeitkräfte in deutschen Krankenhäusern um 11 % zurückgegangen, von 880.000 auf 792.000 Stellen. Gleichzeitig nahm die Zahl der Krankenhausfälle um 17 % zu, von 12,6 Millionen auf 14,7 Millionen zu. Die Belastung stieg so um 21 % von 17,6 auf 21,3 Fälle pro Vollkraft. Diese Fälle sind zugleich arbeitsintensiver, weil durch die Verkürzung der Liegezeiten die wenig arbeitsintensiven Krankenhaustage am Ende weggefallen sind und so auch noch die mittlere Arbeitsbelastung pro Fall gestiegen ist. Realistisch ist eine Zunahme der Belastung von 30 % pro Mitarbeiter. Der Personalabbau erfolgte dabei ungleichgewichtig: während die Pflege wurde um 14 % abgebaut wurde, nahm die Zahl der Ärzte und Ärztinnen um 27 % zu, die der Verwaltungsmitarbeiter immerhin um 11 %. Die Krankenhäuser müssen die Aufgabenerfüllung auch personell sicherstellen. sagt die Landesregierung. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Versorgung: eine Halbierung des Pflegepersonals pro Patient bedingt eine um 30 % höhere Sterblichkeit in den ersten 30 tagen nach einer Operation. Nach anderen Untersuchungen lag die Mortalität in Krankenhäusern mit besonders wenigen Pflegekräften um 26 Prozent höher als in gut ausgestatteten Kliniken. Amerikanische Zahlen zeigten, dass gewinnorientiert arbeitende Häuser im Mittel eine gering aber signifikant höhere Patientensterblichkeit aufweisen, und als Ursache wird die geringere personelle Ausstattung angenommen. Das verwundert nicht, denn der Gewinn kann bei gleicher Organisation nur über einen relativ geringeren Personalbestand erwirtschaftet werden. Nebenbei: das war auch der Landesregierung bekannt, hat sie aber nicht dazu bewegen können, beim Verkauf von zwei ihrer drei Krankenhäuser den größten in Hessen zumindest eine entsprechende Sicherung in den Vertrag aufzunehmen. Das Ergebnis kann man vor Ort betrachten, wenn man denn Augen hat, zu sehen, Ohren hat, zu hören, was die Mitarbeiter sagen und den Willen, als Aufsicht seine Aufgaben zu erfüllen. Aber dazu bedarf es offensichtlich einer anderen Landesregierung.
die Beschäftigten im Gesundheitswesen wollen gute Arbeit machen. Gute Arbeitsbedingungen sind das zeigen Untersuchungen vielen wichtiger als das Einkommen. Weil der Patient kein Werkstück ist, sondern ein Mensch, den man nicht liegen lässt. Weil es um Menschen geht, werden Personalmangel und teilweise abstruse Zustände hingenommen und von den Beschäftigten ausgeglichen. Viele arbeiten bis an die Grenze des erträglichen und darüber hinaus: Wer Mitgefühl mit seinem Patienten hat tut sich schwer mit Arbeitskämpfen. Da war es schon zynisch, dass die einmalige Kontrolle der Arbeitszeit an hessischen Krankenhäusern in den letzten zehn Jahren nur auf freiwilliger Basis erfolgte. Es war und ist gleichermaßen üblich wie schäbig, wie diese Selbstausbeutung akzeptiert, gerne genutzt und sogar eingefordert wurde. Gute Pflege ist harte Arbeit, körperlich und oft auch seelisch. Sie verdient unseren Respekt, nicht Missbrauch anständiger Motivation. Unverzichtbar war in den letzten Jahren auch der Abbau Überkapazitäten durch ökonomischen Druck durch Pauschalen und Budgets. Wettbewerb hat die Anreizstrukturen für die Krankenhäuser so verändert, dass Effizienz und Kostenreduzierung in ihrem eigenen Interesse sind. Aber weil die Steuerung nur über ökonomischen Wettbewerb erfolgt, wird im Blindflug Personal abgebaut. Wettbewerb sichert keine gute Versorgung sondern gefährdet sie. Deshalb braucht er klare Regeln. Das wissen wir alle. Weil die Sicherheit vorgeht kennen wir zahlreiche und umfangreiche Standards für den Krankenhausbetrieb. Allein die Vorgaben zur Hygiene von Operationssälen füllen Bände, und das zu Recht. Deshalb gibt es Medizingeräteverordnung Röntgenrecht und eine umfangreiche Rechtssprechung, die höchste Sicherheit verlangt, weil es um Patienten geht. Deswegen gibt es hier auch kaum Einsparpotentiale ohne die Standards für Hygiene, Technik u. s. w. zu unterlaufen. Das gilt auch für die Qualifikation des Personals: in keinem anderen Feld sind die fachlichen Qualifikationen so detailliert und verbindlich vorgegeben wie in den Heilberufen. Man darf eben nichts ohne eine präzise persönliche Qualifikation. Aber weil 80 % der Ausgaben eines Krankenhauses Personalkosten sind, und weil zwar die Technik und die Qualifikation des Personals, nicht aber seine Zahl vorgegeben ist, kann auch nur beim Personal gespart werden mit den genannten Risiken und Folgen.
Es ist geradezu grotesk, dass wir Personalschlüssel im Kindergarten vorgeben und es im Krankenhaus in das Belieben des Betreibers stellen, mit wie vielen Personen die weder so viel leichtere noch ungefährlichere Aufgabe gelöst wird. Deshalb brauchen wir klare Standards, Standards, die sicherstellen, dass an guten Krankenhäusern gutes Personal aller Berufsgruppen in hinreichender Zahl vorhanden ist, um die anfallenden Aufgaben erfolgreich zu meistern. Solche Standards ersetzen nicht Qualität durch Quantität, sondern sie garantieren die quantitative Voraussetzung für qualitative Arbeit. Ein Hinweis für ihre Berechnung wäre die PflegepersonalVO, aber nur ein Hinweis. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen verfügt über hilfreiche Daten, genauso die Fachverbände. Zunächst wäre mit einem Orientierungswert schon viel gewonnen, aber dann bedarf es eines am Case Mix Index, also dem Schweregrad ausgerichteten, an der Sicherheit für Patienten orientierten und auf die echte Zeit am Patienten abgestimmte Berechnung. Auch das technische Personal ist zu berücksichtigen. Am Ende kommt es nicht nur auf Köpfe, sondern auf qualifizierte Köpfe an was sich z. B. in entsprechenden, differenzierten Fachpflegequoten äußern kann. Aber ich will der von uns vorgeschlagenen Arbeitsgruppe nicht vorgreifen, die sich mit genau diesen Fragen befassen soll.
Vor den möglichen Kosten eines Sicherheitsstandards muss man keine Angst haben: wie Landesregierung in der zitierten Anfrage so richtig ausführte, müssen die Krankenhäuser die Aufgabenerfüllung auch personell sicherstellen. Die vorgeschlagenen Standards definieren daher nur präzise, was ohnehin Pflicht ist. Erst kommt die Versorgung, und dann soll sie preiswert sein. Wettbewerb braucht Grenzen, sonst geht das schief. Und wenn es mehr kostet, dann müssen die Budgets steigen. Deshalb hat die Bundesgesundheitsministerin eine erhebliche Erhöhung der Mittel für die Krankenhäuser durchgesetzt – erfreulicherweise mit der Unterstützung der Bundesländer und wird das Sonderopfer abschaffen, die Budgetgrenzen anheben, die Tarifsteigerungen ausgleichen und ein Sonderprogramm Pflege auflegen. Geld ist da. Wer bekommt es? Die Genehmigungsfähigkeit des Landesbasisfallwertes muss hessischen Qualitätsvorgaben genügen. Hessische Standards verbessern die Orientierungswerte des Statistischen Bundesamtes für die Krankenhausfinanzierung. Damit werden Budgets auch wieder realistischer.
Und wenn es am Ende teurer wird, dann wird eine Anpassung auch der Einnahmen der Krankenkassen nicht vermeidbar sein. Die hessische SPD hat dazu ein gutes Konzept vorgelegt: es heißt Bürgerversicherung und löst die Beiträge von der Lohnsumme hin zu einer gerechten und stabilen Grundlage: alle beteiligen sich nach ihrer Leistungsfähigkeit. Denn genau diese Frage muss eine Gesellschaft beantworten: was ist uns eine gute medizinische Versorgung wert? Wir begrüßen ausdrücklich den Willen der LR, das Hessische Krankenhausgesetz 2 Jahre weiter gelten zu lassen. Damit wird auch sichergestellt, dass die Ergebnisse der von uns vorgeschlagenen Arbeitsgruppe die Grundlage für eine verbindliche Regelung in einem novellierten Landeskrankenhausgesetz einfließen können. Wer nicht zur Vollkostenerstattung zurück will und dennoch eine gute Versorgung für alle garantieren will, der muss einer Effizienz fördernden Steuerung klare Sicherheitsstandards entgegensetzen. Wer gute Versorgung garantieren will, der muss Qualität nicht nur überprüfen, sondern ihre Voraussetzungen sichern, und eben nicht nur technisch, sonder auch personell. Wer gute Versorgung will, der muss anständig mit denen umgehen, die die Arbeit machen, und das bedeutet besser mit ihnen umgehen, als wir es heute tun.