Familienzentren – eine schöne Überschrift für einen oberflächlichen Antrag. Für einen Antrag, der ihr Versagen der letzten Jahre vergessen lassen soll! Sie erwecken mit dem Antrag den Eindruck, sie hätten etwas völlig Neues, Innovatives gefunden. Tatsächlich verkaufen sie einmal mehr alten Wein in neuen Schläuchen. Noch dazu Wein, der ihnen vor der Wahl noch nicht geschmeckt hat. Als wir im vergangenen Jahr einen Antrag der Grünen mit der Forderung der Weiterentwicklung von Kindertagesstätten zu Familienzentren im Ausschuss beraten haben, votierte die CDU – wie so oft bei guten Vorschlägen aus den Reihen der damaligen Oppositionsfraktionen noch gegen diese Forderung. Ich bezweifle deshalb stark, dass sie wirklich hinter dieser Idee stehen. Die Vernetzung der Arbeit von Kindertagesstätten mit anderen Institutionen der Familienberatung und Unterstützung könnte heute längst Standard sein, wenn nicht die CDU-Landesregierung mit der Operation Düstere Zukunft die Axt an die Strukturen gelegt hätte, die jetzt verknüpft werden sollen.
Es ist einfach heuchlerisch, dass diese Landesregierung, die das soziale Netz zerschlagen, die Unterstützungsangebote insbesondere für Familien massiv gekürzt, die sich aus der Finanzierung der Familienbildungsstätten und Erziehungsberatungsstellen und der Schuldnerberatung zurückgezogen hat, jetzt plötzlich als geschäftsführende Landesregierung ein Konzept vorlegen soll, das auf die intensive Zusammenarbeit mit Angeboten der Familienhilfe setzt. Um ein Modellprojekt Familienzentren anzugehen, bräuchten wir in Hessen erst einmal ein richtig gut funktionierendes soziales Netzwerk, an das angeknüpft werden kann. Wir bräuchten wieder flächendeckend Strukturen, die die Durchführung des Projekts ermöglichen. Davon sind wir jedoch meilenweit entfernt. Eine konzeptionelle Weiterentwicklung der Arbeit von Tagesstätten setzt voraus, dass diese Familienzentren auf inhaltliche und gesetzliche Grundlagen gestellt werden und die nötige finanzielle Ausstattung erhalten, um den künftigen Ansprüchen gerecht zu werden. Es reicht nicht aus, wie schon bei der Erprobung des Bildungs- und Erziehungsplans darauf zu setzen, dass das Land eine wissenschaftliche Begleitung und ein paar Fortbildungsangebote finanziert. Es bedarf einer klaren und ausreichenden finanziellen Ausstattung. Gute Familienzentren gibt es nicht zum Nulltarif!
Neue Modelle auszuprobieren, führt nicht automatisch zu einer Verbesserung der Betreuung und Beratung. Der Aufgabenzuwachs in den Kindertagesstätten führt aber zwangsläufig zu höheren Kosten für die Einrichtungen. Wenn die Leitungen der Betreuungseinrichtungen die Koordinierungs-, Beratungs- und Informationsaufgaben wahrnehmen sollen, ist dies (vermutlich) ohne vollständige Freistellung nicht zu erfüllen. Erfahrungen aus NRW, wo das Modell der Familienzentren seit 2006/7 erprobt wird, zeigen, dass mindestens eine zusätzliche Vollzeitstelle eingeplant werden muss. Ein Familienzentrum, das z.B. Begrüßungsbesuche bei Eltern Neugeborener organisiert, benötigt eine mindestens 75-prozentige Stelle für die Hebamme sowie eine weitere Teilzeitkraft, um die sich aus Erstkontakten ergebenden Gespräche, Beratungen und Gruppenaktivitäten durchführen zu können. Ein auch präventiv arbeitendes Familienzentrum, das Angebote für werdende Eltern/Mütter realisiert, wird ebenfalls zusätzliches (sozial-)pädagogisches oder medizinisch geschultes Personal zur Umsetzung brauchen. Von der bereits angesprochenen (B+E-Plan) Vernetzung zwischen Kita und Grundschule ganz zu schweigen.
Wir können also nicht so tun, als wäre so eine konzeptionelle Neuorientierung eine schöne Sache und den Erzieherinnen und Erziehern in den Einrichtungen die Umsetzung aufs Auge drücken ohne (im Antrag) ein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren, wie die Kinderbetreuungseinrichtungen in die Lage versetzt werden sollen, diese Aufgabe zu bewältigen. Den ErzieherInnen in den Tagesstätten wird immer mehr abverlangt. Zusätzliche Krippenplätze, teilweise neue Hortplätze werden geschaffen, die Einrichtungen wachsen was gut ist, aber die Verbesserung der Qualität bleibt auf der Strecke. Wenn der Bildungs- und Erziehungsplan flächendeckend kommen soll, dann können wir uns nicht wie diese bisherige Landesregierung – hinstellen und sagen: nun macht mal schön!
Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege hat gerade letzte Woche mit ihrer Kampagne Entdecker voraus deutlich gemacht, wo die Hase im Pfeffer liegt: eine qualitative Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsarbeit braucht die richtigen Rahmenbedingungen! Und die erreichen wir nicht, indem wir Kitas in Familienzentren umetikettieren! Das erreichen wir nur, wenn wir die Situation in den Kinderbetreuungseinrichtungen verbessern und d.h. erstens kleinere Gruppengrößen und zweitens bessere personelle Ausstattung! An beidem führt kein Weg vorbei! Aber davon steht im Antrag kein Wort!
Nehmen Sie doch endlich die Brille ab und denken sie was für Kinder und Eltern notwendig ist! Ständig zu behaupten, dass in Hessen die Kinderbetreuung aufgrund der Landesförderung Spitze sei, ändert nichts daran, dass den Einrichtungen Mittel für Personal, für Ausstattung etc. entzogen wurden, die dringend gebraucht wurden. Die LIGA hat deutlich gemacht: Rheinland Pfalz finanziert 30%, Hessen gerade 7% der Kinderbetreuung. Ich wiederhole mich in diesem Punkt gerne: Es gab eben nicht nur Bambini, Knirps oder ihre Offensivchen – meist auf Kosten der Kommunen – sondern es gab vor allem und gleich zu Beginn der CDU-Regierungszeit die Streichung von 50 Millionen Euro jährlich an Verstärkungsmitteln für den Kita-Bereich. Hätten die Einrichtungen diese Mittel gehabt, sähe es heute nicht so düster in diesem Bereich aus.
Unter den jetzigen Bedingungen jedenfalls sind die Kindertagesstätten kaum in der Lage, den heutigen Anforderungen an Bildung, Erziehung und Betreuung gerecht zu werden. Von weiteren Aufgaben, wie sie im CDU-Antrag aufgelistet sind, ganz zu schweigen. Ich möchte aus einer Stellungnahme der LIGA aus dem Jahr 2006 zitieren: Bedauerlicherweise bezieht sich die Anhebung der Förderung aber im Wesentlichen nur auf den Bereich der Betreuung von Kindern unter 3 Jahren, während im Hinblick auf die gestiegenen Erwartungen, die insbesondere im Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan formuliert sind, auch ein Ausbau und damit verbunden eine bessere Finanzierung der Angebote von 3 Jahren bis zur Einschulung wünschenswert wäre. So und so ähnlich hören wir die Träger seit Jahren klagen. Es wird Zeit, dass endlich etwas geschieht. Im Laufe des Jahres muss ein neues Kindergartengesetz auf dem Tisch liegen, das den Anforderungen gerecht wird. Dann werden wir sehen, ob wir auf die CDU-Fraktion zählen können und sie ihren schönen Worten auch gute Taten folgen lassen.
Es ist wichtig, dass Kinder individuell gefördert werden. Es ist wichtig, dass Eltern umfassend beraten und unterstützt werden. Es ist richtig, dass der Bildungs- und Erziehungsplan eine gute Grundlage für das Konzept bildet. Nur müssen Sie zeigen, dass sie es mit der Umsetzung ernst meinen und der Plan mehr als ein schöner Anspruch ist. Es ist richtig, dass die Förderung von Kindern und die Unterstützung der Familien aus einer Hand und auch Hand in Hand gestaltet werden sollten.
Hessen bräuchte Betreuung-, Bildungs- und Beratungsangebote für Familien aus einer Hand. Doch wie ich schon eingangs sagte, ich habe meine Zweifel, dass die CDU das auch wirklich will. Denn es ist erstaunlich, dass die CDU diese unter anderem auch von Renate Schmidt (Eltern-Kind-Zentren) 2005 erhobene Forderung jetzt plötzlich aufgreift nicht in Zeiten der CDU-FDP Koalition, nicht in Zeiten der absoluten CDU-Mehrheit, nein jetzt, als geschäftsführende Landesregierung, ohne eigene Mehrheit. Ein Schelm, der Böses dabei denkt! Nach dem Grundlagenbericht, den das Deutsche Jugendinstitut damals für die Bundesfamilienministerin verfasst hat, braucht jedes Familienzentrum eine Fundierung im kommunalen Gesamtkonzept, sollen diese Zentren soziale Netzwerke unterstützen und fördern, soll sich ihr spezifisches Beratungsangebot an den Bedürfnissen einer konkreten Zielgruppe in einer Kita orientieren. Mit anderen Worten: Alle Familienzentren werden landesweit sehr unterschiedlich sein. Es ist daher sehr fraglich, ob ein Modellprojekt hier überhaupt konzeptionell weiterhilft. Deshalb sage ich: Nehmen wir das Ziel des CDU-Antrags ins Visier. Überlegen wir gemeinsam, wie wir den Auftrag der Familienzentren inhaltlich präzisieren können; sorgen wir für eine ausreichende finanzielle Ausstattung für die zusätzlichen Aufgaben; stellen wir sicher, dass jeder Kinderbetreuungseinrichtung, die die Vorgaben erfüllt, die Bezeichnung Familienzentrum führen kann und tragen wir den höheren Anforderungen dadurch Rechnung, dass den Einrichtungen größere personelle Ressourcen zur Verfügung stehen.
Ich möchte abschließend noch auf einen nicht unwesentlichen Punkt aufmerksam machen, die Frage, was kostet das Ganze? Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass z.B. der Bund die mit den Familienzentren vergleichbaren Mehrgenerationenhäuser in jedem Kreis und jeder kreisfreien Stadt mit 40.000 Euro pro Einrichtung unterstützt, lässt sich erahnen, dass das Konzept ein durchaus kostspieliges ist. Dass die CDU im Antrag die Landesregierung lediglich auffordert, die finanziellen Auswirkungen darzustellen, und nicht etwa im Entwurf des Landeshaushalts 2009 einzustellen, lässt darauf schließen, dass sie sich entweder noch gar nicht ernsthaft mit dem Projekt auseinandergesetzt hat oder wie wenig ihr an dem Projekt tatsächlich liegt – getreu dem Motto: Hauptsache wir reden mal darüber und machen ansonsten weiter mit dem Etikettenschwindel der vergangenen Jahre! Man verwendet das LOGO, aber dahinter steht nichts das lassen wir Ihnen nicht durchgehen!
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