<link https://www.grumbach.info>https://www.grumbach.info</link>
Den Beschluss des SPD-Parteitages dokumentieren wir nachfolgend im Wortlaut
Hessen braucht die Energiewende
Wirtschaftliche, ökologische und kommunale Zukunftssicherung – der sozialdemokratische Weg zur Erneuerung Hessens mit Erneuerbaren Energien:
Die hessische SPD hat im Landtagswahlkampf 2008 mit ihrem Wirtschafts- und Umweltprogramm "Neue Energie für Hessen" den praktischen Weg zu einer umfassend angelegten Energiewende aufgezeigt und damit eine politische Vorreiterrolle bezogen. Das politische Ziel ist der vollständige Wechsel von atomaren und fossilen zu erneuerbaren Energien, der beschleunigt realisiert werden muss. Für dieses Programm hat die hessische SPD eine breite Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger erfahren. Immer mehr Menschen wird bewusst, dass der Energiewechsel eine schlüsselhafte Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft hat und dafür keine Zeit mehr verloren werden darf.
Wir stellen uns mit unserer Politik der Energiewende der Realität, dass aus mehreren schwerwiegenden Gründen die Risiken der atomaren wie fossilen Energieversorgung laufend untragbar werden:
Die gefährdete wirtschaftliche und soziale Energiesicherheit wegen des wachsenden globalen Energiebedarfs erschöpfen sich die konventionellen Energiequellen. Die Folgen sind: unaufhaltbare Preissteigerungen, die zur wirtschaftlichen und sozialen Hypothek werden; wachsende Abhängigkeit der Volkswirtschaften von wenigen Förderländern und transnational organisierten Energiekonzernen.
Die gefährdete zivile Sicherheit wegen der sich zuspitzenden internationalen Spannungen und Konflikte um den Zugang zu den Restressourcen und durch die nicht ausschließbaren Gefahren atomarer Unfälle durch menschliches oder technisches Versagen oder terroristische Anschläge, neben den jahrtausendelangen Lasten durch atomaren Müll.
Die gefährdete Klima-, Umwelt- und Gesundheitssicherheit durch die Klimagefahren mit deren unermesslich ansteigenden Schadenskosten und durch die die Gesundheit der Menschen und die Umwelt belastenden Schadstoffemissionen.
Nur durch den Wechsel zu erneuerbaren Energien haben wir die Chance, diese Gefahren abzuwenden und damit der Gesellschaft eine nachhaltige Perspektive zu ermöglichen. Der Wechsel zu erneuerbaren Energien erfordert einen umfassenden wirtschaftlichen Strukturwandel: Von internationaler zu regionaler und lokaler Energiegewinnung, von kommerziellen zu kostenlosen Primärenergien, von zentralen Großanlagen der Energieversorgung zu vielen dezentralen Anlagen, von hoch konzentrierter zu regionaler Wertschöpfung.
Die wichtigsten wirtschaftlichen Träger des Energiewechsels sind deshalb die industriellen Produzenten von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien und von Energieeffizienztechniken sowie die Betreiber der in breiter regionaler Streuung installierten Energieanlagen. Die damit verbundenen Wachstums- und Arbeitsplatzperspektiven erfassen nahezu alle Industrie- und Dienstleistungsbereiche – insbesondere den Maschinen- und Anlagenbau, die Elektro- und Informationstechnik, die Bauwirtschaft, das Handwerk und die Land- und Forstwirtschaft. Damit erfährt die Gesamtwirtschaft einen strukturellen Aufschwung, in Verbindung mit einer deutlichen Stärkung des Binnenmarktes.
Die wichtigsten politischen Träger des Wechsels zu einer dezentralen Energieversorgung sind die kommunalen Gebietskörperschaften mit den damit verbundenen dauerhaften Chancen für eine stabile regionale Wirtschaftsbasis und steigende Steuereinnahmen für die Finanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge. Die kommunalen Handlungsinstrumente des Energiewechsels sind vor allem die Flächennutzungs- und Bauleitplanung und die Arbeit selbstständiger Stadtwerke, die einen Energiemix aus erneuerbaren Energien sicherstellen, die Energiedienstleistungen und das Energiemanagement darauf abstellen, alle Möglichkeiten der Kraft-Wärme-Kopplung auszuschöpfen und Abfallentsorgung, Wasser- und Energieversorgung produktiv integrieren.
Die landespolitische Aufgabe zur Realisierung der Energiewende legt Priorität auf die Durchsetzung derjenigen örtlichen Rahmenbedingungen, die die privaten Investitionen und private und kommunale Initiativen ermöglichen, indem willkürliche Beschränkungen und Verweigerungen von Standortgenehmigungen aufgehoben werden. Deshalb haben für uns folgende landespolitische Initiativen Priorität:
1. Eine Novelle des zuletzt 1994 geänderten Hessischen Energiegesetzes. In diesem muss der Vorrang erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz vor anderen Energiequellen und die Rolle der Kommunen als eigenverantwortliche Trägerin einer dezentralen Energieversorgung festgeschrieben werden. Darüber hinaus wird den Trägern öffentlicher Einrichtungen eine Vorbildfunktion in der Energienutzung auferlegt. Das novellierte hessische Energiegesetz wird damit zum gesetzlichen Rahmen für weitere gesetzgeberische Einzelinitiativen.
2. Durch ein novelliertes Landesplanungsgesetz gestalten wir den Landesentwicklungsplan zu einem Instrument des Energiewechsels, indem erneuerbare Energien und Energieeffizienzsteigerungen zum vorrangigen öffentlichen Belang werden, was sich dann in den Regional-, Flächennutzungs- und Bauleitplänen niederschlagen muss. Aufgabe unserer Politik ist, dass die Entscheidungen über Standortgenehmigungen für erneuerbare Energien Anlagen der Zuständigkeit der kommunalen Selbstverwaltung überlassen werden, ohne dass sich dabei eine Kommune zum Ausschlussgebiet erklären darf. Die Ausweisung von Vorrangflächen für Windkraftanlagen beschränken wir auf dafür geeignete Flächen entlang überörtlicher Straßen und Eisenbahnstrecken. Ein Vorrang in Regionalplänen hat keine ausschließende Wirkung für anderweitige Nutzung von Flächen für erneuerbare Energien mehr. Darüber hinaus knüpfen wir die Genehmigung von Kondensationskraftwerken an die Bedingung einer vollumfänglichen Wärmenutzung. Dies schließt den Bau weiterer großer Kohlekraftwerke aus.
3. Wir ergreifen die gesetzliche Initiative zur Änderung der hessischen Gemeindeordnung, um den Kommunen den Spielraum für eine kommunalwirtschaftlich organisierte Energiebereitstellung zu geben. Die energetische Verwendung organischer Abfälle machen wir zur kommunalen Pflichtaufgabe. Durch eine Neufassung des hessischen Wassergesetzes entbürokratisieren wir die wasserrechtlichen Verfahren. Unser Ziel ist die Vergabe neuer Wasserrechte, vor allem an bestehenden Wehranlagen, um auf diesem Wege das Potenzial der Wasserkraft auszubauen und ökologische Verbesserungen in den Wasserläufen zu erreichen. Zukünftig wird im Wasserrecht geregelt, dass die Einleitung von Wärme aus Kondensationskraftwerken in Gewässer eingeschränkt wird.
4. Wir ergreifen die Initiative für ein hessisches Wärmegesetz für Gebäude, um die Nutzung erneuerbarer Energien bei Neubauten verbindlich zu machen, und um im Baubestand ein Finanzierungskonzept für energetische Altbausanierung einzuführen, das diese Maßnahmen ohne finanzielle Sonderlasten für die Bürger realisierbar macht.
5. Wir unterstützen alle Initiativen hessischer Kommunen, die mit dem Auslaufen der Konzessionsverträge die kommunalen Stromnetze zurückkaufen und selbstständig betreiben wollen. Stromnetze sind natürliche Monopole und sind unverzichtbare Bestandteile der Infrastruktur. Weshalb sie in der Trägerschaft der öffentlichen Hand betrieben werden sollten. Ebenso wie sich die SPD für die Aufrechterhaltung der Trägerschaft der Schieneninfrastruktur einsetzt, sollte auch das überörtliche Stromübertragungsnetz der Bundesrepublik Deutschland künftig von einer öffentlichen Netzbetriebsgesellschaft unter der Trägerschaft von Bund und Ländern betreiben werden.
6. Zur Verbesserung des Landschaftsschutzes beim Betrieb von Stromnetzen ergreifen wir die Initiative für ein hessisches Erdverkabelungsgesetz, das für neue Hoch- und Höchstspannungsnetze der Erdverkabelung im Regelfall Vorrang für Netzersatzbaumaßnahmen gibt.
Die hessische SPD hält daran fest, dass eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke Biblis A und B über die im 2001 beschlossenen Bundesgesetz zur Beendigung der Atomenergienutzung hinausgehende Fristen nicht hinausgeht. Das bedeutet, dass bis spätestens zum Jahr 2013 die Atomenergienutzung in Hessen beendet werden muss. Wir werden im Landtag eine Neuüberprüfung des gesetzlichen Sicherheitsstandards der Atomkraftwerke einleiten. Wozu vor allem die von der Regierung Koch bisher verweigerte Veröffentlichung der Ergebnisse der periodischen Sicherheitsüberprüfung gehört. Unser Ziel ist, den Ausbau der erneuerbaren Energien so voranzutreiben, dass dadurch die Atomstromproduktion in Hessen zur Sicherstellung der Stromversorgung ersetzt, und auf neue Kohlekraftwerke verzichtet werden kann. Damit setzen wir die Zielvorgabe für unsere eigenen politischen Initiativen und den Maßstab, an dem wir die energiewirtschaftliche Entwicklung in Hessen messen.