Petra Fuhrmann (SPD): Anständige Löhne für anständige Arbeit

Wenn ein mittelständischer Busunternehmer sagt: Ich kriege keinen Auftrag mehr, weil ich meine Busfahrer sozialversichert fest angestellt habe. Wenn ein Bewachungsunternehmer sagt: Ihr nehmt ja doch nur die, die ihren Leuten Mini-Löhne bezahlen. Ich aber versuche, sie ordentlich zu bezahlen. Mir gebt Ihr keinen Auftrag. Wenn ein erfahrener Bildungsträger – der in der Region gut verankert ist – keinen Auftrag mehr bekommt und ein Anbieter aus einem weit entfernten Bundesland den Zuschlag bekommt – nach der Vergabe aber erstmal Räume mieten muss, und Menschen 25-30% unter der bisherigen Bezahlung einstellt – dann ist etwas oberfaul. Wenn sich Unternehmen im Kampf um das billigste Angebot fast in den Ruin treiben, dann müssen wir die Notbremse ziehen. Hier geht es um viele Hundert Existenzen! Weder Unternehmen noch Arbeitnehmer können auf Dauer zu immer niedrigeren Löhnen und immer instabileren Arbeitsbedingungen existieren.

Die Abwärtsspirale bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen, an der auch die Hessische Landesregierung in ihrem Aufgabenbereich heftig dreht, gibt es heute nicht mehr nur in der Baubranche, sondern in vielen anderen Bereichen auch. Es ist oder wäre in einer wohlverstandenen sozialen Marktwirtschaft eigentlich Aufgabe der Wirtschaft, eine derartige Entwicklung zu unterbinden. Aber das geschieht eben nicht. Deshalb sage ich: Wir brauchen Tariftreuegesetze, um der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer willen, aber auch um eines fairen Wettbewerbs gegenüber den mittelständischen Unternehmen willen. Sie hatten 8 Jahre Zeit und haben nichts zustande gebracht. Sie haben auf Selbstregulierung, auf Selbststeuerung und damit aufs falsche Pferd gesetzt. Aber wieder einmal hat sich gezeigt: Der mangelnde Wille, die mangelnde Kraft zur Selbstregulierung in der Wirtschaft zwingt uns zu handeln. Wir können das Lohndumping nicht weiter treiben lassen. Sonst haben wir bald amerikanische Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und nur noch Stundenlöhne, von denen niemand mehr leben kann.

Wir als SPD wollen anständige Löhne für anständige Arbeit. Das heißt, die Unternehmen müssen Tariflöhne zahlen und wenn sie das nicht tun, müssen klare Sanktionen folgen. Das setzt voraus, dass Angebote genau geprüft werden, was aus verschiedenen Gründen oft schwierig ist. Also schlagen wir vor, dass die Unternehmen belegen, dass die Tariflöhne nicht nur im Angebot stehen, sondern auch tatsächlich gezahlt werden<em>. </em>Nur so können wir Lohndrückerei verhindern.

Wir wollen mit dem Gesetz erreichen, dass die Unternehmen die Verpflichtung, sich an Entgelttarife zu halten, wirklich ernst nehmen, und es sich nicht um ein Kavaliersdelikt handelt, wenn man dagegen verstößt und klar wird, dass sich alle daran halten müssen. Ein Gesetz ohne Vertragsstrafen ist ein zahnloser Tiger. Zur Frage der Tariftreue gehört für uns vor allem auch der Mindestlohn. Mindestlohn ist weit mehr als irgendein sozial- oder arbeitsmarktpolitischer Ansatz. Es ist eine Grundweichenstellung für unsere Gesellschaft. Wir wollen, dass jemand, der jeden Tag vollschichtig arbeitet, von dieser Arbeit auch leben kann. Sie forcieren, dass man noch nebenbei zum Sozialamt gehen und Geld holen muss, damit man über die Runden kommt und nennen das Mindesteinkommen. Das ist die Weichenstellung, die Sie für die Zukunft stellen möchten. Wir nicht! Ganz klar ist, wer ganztags arbeitet, muss davon leben können.

Die Frage der Tariftreue gehört selbstverständlich in den Kontext eines Vergabegesetzes. Die Kritik der Hessischen Industrie- und Handelskammern (und anderer Wirtschaftsverbände), die bei der Anhörung vorgetragen wurde, ist völlig realitätsfern. Die Ansicht, dass die Bieter an ihrer Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Sachkunde gemessen werden und das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag bekommt, ist zu schön um wahr zu sein. Die Märchenstunde der IHK hat einen Haken: Sie hat mit der Realität leider nichts mehr zu tun. Die Erfahrung zeigt, dass eben nicht das zuverlässigste, leistungsfähigste und sachkundigste Unternehmen den Zuschlag erhält, sondern derjenige, der das billigste Angebot macht. Und der muss dafür die Lohnschraube natürlich kräftig anziehen! Es ist völlig legitim, wenn Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dagegen protestieren, dass mit ihren Steuergeldern Dumpinglöhne gezahlt werden. Das gilt sicher für den Baubereich, den Sie in Ihren Antrag aufgenommen haben. Aber das gilt auch für andere Bereiche, etwa die Abfallwirtschaft, das Reinigungs- und Gebäudereinigungshandwerk, den Bereich der Fort- und Weiterbildung und den öffentlichen Personennahverkehr. Erfreulicherweise hat sich in der Anhörung die Arbeitgeberseite aus dem Verkehrsbereich und aus der Entsorgungswirtschaft für die Aufnahme ihrer Bereiche in ein hessisches Tariftreuegesetz ausgesprochen. Hier müssten Sie Ihren Entwurf nachbessern. Das Land und die Kommunen sollten Bauaufträge, ÖPNV-Leistungen und Leistungen in den anderen von mir genannten Bereichen nur noch an tariftreue Unternehmen vergeben. Um die damit verbundenen bürokratischen Belastungen gering zu halten, sollten wir eine Bagatellgrenze einführen. Bei der Höhe sind wir uns nicht einig. Sie wollen 50.000 Euro. Wir sagen, es muss bei 25.000 Euro-Aufträgen beginnen. Angesichts der Praxis, die sich leider etabliert hat, halten wir eine niedrige Grenze für erforderlich. Nun hat sich die CDU, die noch bis vor kurzem gegen Tariftreuegesetze polemisiert hat, endlich ein kleines bisschen bewegt und sich teilweise unserer Meinung und der Meinung des DGB teilweise angeschlossen.  Nur warum erst jetzt? So kurz vor der Landtagswahl? Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Es bleibt dabei: Ein Tariftreuegesetz, das einen umfassenden Geltungsbereich hat, ein Tariftreuegesetz, das Sanktionen vorsieht, ein Tariftreuegesetz, das Wirkung entfaltet, ist nur von einer Regierung Ypsilanti zu erwarten!“