Die Schlussbilanz zum Ende der Amtszeit von Kultusministerin Wolff lässt sicht unter den Stichworten verpasste Chancen, ungelöste Probleme und falsche Entscheidungen zusammenfassen resümiert die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Heike Habermann die Ergebnisse Wolffsscher Schulpolitik zu Beginn des letzten Schuljahrs ihrer Verantwortung. Wir messen ihren Misserfolg an der Situation in den hessischen Schulen sowie unserer eigenen Programmatik und stellen fest, das sie auch im Wahlkampfjahr nichts Neues zu bieten hat.
Verbal habe die Landesregierung längst Begriffe wie individuelle Förderung und Ausschöpfen aller Talente aufgenommen, real gebe es lediglich Bauruinen und angekündigte Großprojekte ohne Fundament.
Heike Habermann zog die Bilanz von acht Regierungsjahren:
Übergang Kindergarten/ Grundschule verpasste Chancen <br />Die flächendeckende Einführung des Bildungs- und Erziehungsplans ist massiv gefährdet, da die Landesregierung weder die erforderlichen Mittel zur Umsetzung bereitstellt noch die Ergebnisse der Erprobungsphase mit Jugend- und Sozialhilfeträgern diskutiert. Erforderlich wären Fortbildungsmittel für Erzieher und Grundschullehrer, Zeitkontingente für Kindertagesstätten und Grundschulen zum Aufbau einer kontinuierlichen Kooperation und die Berücksichtigung des neuen Aufgabenbereichs bei der Festlegung der Gruppengrößen in den Kindertageseinrichtungen. Eine Beteiligung des Landes mit originären Landesmitteln ist zwingend erforderlich, um den Umsetzungsprozess gemeinsam mit den Trägern zu organisieren.
Grundschulen- verpasste Chancen<br />Seit der Novellierung des Schulgesetzes im Jahr 2004 gibt es in Hessen nach dem Gesetz die Möglichkeit einer flexible Schuleingangsstufe, die die Möglichkeit bietet, die Jahrgangsstufen 1 und 2 zu einer curricularen und unterrichtsorganisatorischen Einheit zusammenzufügen und Kindern so eine individuelle Verweildauer von einem bis zu drei Jahren zu eröffnen. Da die erforderlichen Sozialpädagogenstellen nicht eingeplant wurden, ist bis heute nichts passiert. Jetzt verkauft die Kultusministerin als Erfolg, dass es ab dem Schuljahr 2007/08 zusätzlich zu den flexiblen Schuleingangsstufen des im Jahr 2003 abgeschlossenen Modellversuchs weitere 18 Grundschulen eine flexible Eingangsstufe einführen. Von rund 1.150 Grundschulen sind das 47.
Habermann: Wir brauchen eine flächendeckende Einführung der flexiblen Eingangsstufe, um Kinder beim Schuleintritt ihrem eigenen Lerntempo entsprechend zu fördern. Würde die CDU weiter regieren und in diesem Tempo die Einrichtung von Schuleingangsstufen fortsetzen, so würde die flächendeckende Einführung über 60 Jahre dauern.
Förderschulen falsche Entscheidungen<br />Die Entwicklung des gemeinsamen Unterrichts stagniert. Seit Jahren ist das Stellenaufkommen für diesen Bereich unverändert, obwohl der Bedarf steigt. Die Weiterführung des gemeinsamen Unterrichts in der Sekundarstufe I geht zu Lasten neuer Integrationsklassen in der Grundschule. Die Zahl der Förderschüler steigt. Bereits zum Schuljahr 04/05 gab es 16,2 Prozent mehr Schüler für Lernhilfe als 1999, die Schülerzahlen in Erziehungshilfeklassen haben sich annähernd verdreifacht. Die verstärkten Selektionsmechanismen und fehlende individuelle Förderung führen zu einer immer stärkeren Verdrängung in die Förderschulen für Lern- und Erziehungshilfe.
Hauptschulen ungelöste Probleme<br />Wieder sind die Anmeldezahlen für die Hauptschule zurückgegangen, nur noch 4,5 Prozent der Eltern wünschen, dass ihr Kind nach der 4. Klasse eine Hauptschule besucht. Fehlende Berufschancen und der Wunsch nach besserer Bildung und der Rückgang führen zur Abstimmung mit den Füßen.
SchuB-Klassen sind nicht die Lösung für die strukturellen Probleme der Hauptschule sondern ausschließlich für die Schüler und Schülerinnen, die heute in der Schule zu versagen drohen. Und auch die werden mit den angekündigten zusätzlichen 20 SchuB-Klassen nur unzureichend gefördert. (rund 300 Hauptschulen und /Hauptschulzweige, Klassen ca. 2.200). Vielmehr wird von den Schulen verstärkt der Wunsch geäußert, im Haupt- und Realschulbereich integriert zu unterrichten und neue Formen des längeren gemeinsamen Lernens zu organisieren. Das Konzept der Landesregierung beruht auf einer antiquierten Begabungstheorie, die Kinder in praktisch und theoretisch Begabte aufteilt. Die Vielfalt der Begabungen, die es zu fördern gilt, wird zugunsten einer ideologischen Schulformfixierung vernachlässigt so Habermann.
Gymnasien – falsche Entscheidungen<br />Die weiter steigenden Anmeldezahlen für das Gymnasium zeigen deutlich, dass die Eltern einen möglichst hohen Schulabschluss für ihre Kinder wünschen. Ziel muss sein, möglichst viele dieser jungen Menschen zu einem studienqualifizierenden Abschluss zu führen. Die Verkürzung der Gymnasialzeit in der Mittelstufe führt dagegen nicht zu mehr und besseren Abschlüsse sondern zu mehr Druck und Versagensängsten. Bezeichnend ist, dass die Kultusminister der CDU-regierten Länder jetzt darüber diskutieren, das Unterrichtspensum für G8 abzusenken, nachdem die Kritik von Eltern, Lehrkräften und Wissenschaftlern vorher auf taube Ohren gestoßen war. Wachsende Schülerzahlen im Gymnasium bedeuten mehr Heterogenität in der Zusammensetzung der Schülergruppen. Nur wenn die Gymnasien in die Lage versetzt werden, mit dieser Unterschiedlichkeit der Voraussetzungen und Begabungen umzugehen, sei zu vermeiden, dass viele schon vor der Oberstufe scheitern.
Habermann: Die Kultusministerin hat es versäumt, den Gymnasien die Möglichkeiten individueller Förderung zu geben, Ganztagsangebote müssen von den Schulträgern finanziert werden und der Bedarf an zusätzlicher Förderung wird auf dem Rücken der Lehrkräfte abgeladen.
<br />Ganztagsschulen verpasste Chancen<br />Das Hessische Ganztagsschulprogramm war von Beginn an eine Mogelpackung. Während der vergangenen acht Jahre wurden fast ausschließlich Angebote der pädagogischen Mittagsbetreuung eingerichtet. Der Wunsch vieler Schulen, offene oder gebundene Ganztagsschulen einzurichten, wurde nicht berücksichtigt.
Insbesondere Ganztagsschulen in offener und gebundener Form können besser auf ihre Schulkinder eingehen. Sie haben die Möglichkeit, im Wechsel zwischen Unterricht, Förderung und Angeboten zur Entwicklung neuer Interessen das Lerntempo und die Lerninhalte auf die Bedürfnisse der Schüler und Schülerinnen abzustimmen, verdeutlichte Habermann.
Individuelle Förderung und Qualität ungenügend, Auslese und Undurchlässigkeit des Schulsystems sehr gut mit diesem Zeugnis muss sich die Kultusministerin auf ihren Ruhestand vorbereiten, so Habermann abschließend.