Man hatte auch einen schönen Namen für dieses Versprechen gefunden. Mit dem wohlklingenden Begriff Unterrichtsgarantie hatte man das Vertrauen der Menschen gewonnen, die ihre Kinder voller Freude und Zuversicht in die hessischen Schulen schickten. Man hatte auch viele Briefe an die Eltern geschrieben und Boten ausgeschickt, um zu verkünden, dass die Eltern sich um die Bildung ihrer Kinder nicht länger sorgen müssten. Die Unterrichtsgarantie war in aller Munde und im Ministerium war man zufrieden und lobte sich selbst ob der hervorragenden Bildungspolitik. Nachts, allein in ihrem großen Ministerium, träumte die Ministerin gar vom Bildungsland Nr.1, das als verlockendes Ziel ihrer guten Taten greifbar nahe schien.
Doch es fiel weiter Unterricht aus. Die Zweifel an der Unterrichtsgarantie wuchsen und die Eltern fingen an zu murren. Es gab sogar Menschen, die behaupteten, die Regierung habe ihr Versprechen gebrochen. Unmut machte sich breit und die bösartigen Anschuldigungen sorgten dafür, dass in den Träumen der Kultusministerin das Bildungsland Nr.1 wie eine Fata Morgana sich immer dann in heißer Luft auflöste, wenn sie seinen Namen aussprach.
Also rief sie ihre Berater zusammen: Den Rat, mehr Lehrer einzustellen, hatte sie verworfen. Schließlich hatte sie gerade den Schulen erklärt, wie die gleiche Zahl von Unterrichtsstunden mit 1000 Lehrern weniger gegeben werden könne. Mit der Einstellung neuer Lehrer hätte sie eingestanden, einen Fehler gemacht zu haben und die Kultusministerin machte nie einen Fehler jedenfalls nicht einen, den sie zugegeben hätte. Sie hatten es mit befristeten Verträgen versucht und mit verlängerter Arbeitszeit. Doch die Unruhe in der Bevölkerung wuchs und die Kultusministerin musste von ihrem Leuchtturm aus hilflos zusehen, wie das Grummeln über ihre Schulpolitik lauter und lauter wurde.
Bis ihren Beratern einfiel. Warum machen wir nicht einfach eine Unterrichtsgarantie plus? rief der weise Jakob und wippte beglückt und aufgeregt auf den Zehen. Wenn die Menschen nicht mehr an unsere Unterrichtsgarantie glauben, dann sollen sie zukünftig eine Unterrichtsgarantie plus bekommen.
Und sie griffen tief in den Staatssäckel und gaben den Schulen Geld und ein neues Gesetz. Jede ausgefallene Schulstunde müsse zukünftig vertreten werden. Die Schulen wurden angewiesen, so zu tun, als ob sie Unterricht ohne Lehrer machen könnten. Jeder war willkommen, der sich zutraute, 45 Minuten in einer Klasse zu verbleiben. Qualifiziert waren alle, denn schließlich hatten viele eigene Kinder, bildeten in ihrem Betrieb junge Menschen aus und hatten alle schon einmal etwas von Pädagogik gehört. Trotzige Schulleiter wurden in den Leuchtturm bestellt und dort beraten. Denn sie sollten wissen, dass alles, was schief lief, ihre Schuld war. Die Kultusministerin hatte auch dafür ein schönes neues Wort: Eigenverantwortung.
Ihr Märchen von der Unterrichtsgarantie Plus kann nur ein gutes Ende finden, wenn Sie Kritik ernst nehmen. Wenn Sie es nicht tun, werden wir im kommenden Jahr den Schulen die Ressourcen und die Freiheit geben, verlässliche Schule pädagogisch sinnvoll und in eigener Verantwortung zu organisieren