Ausgangspunkt für die Ausgestaltung des 81 Paragraphen umfassenden Gesetzentwurfs sei neben der Entscheidung des BVerfG vom 31. Mai 2006 die Überlegung gewesen, den Jugendstrafvollzug strategisch und inhaltlich so auszurichten, dass die derzeit bei rund 80 Prozent liegende Rückfallquote bei jugendlichen Straftätern reduziert werden kann. In Übereinstimmung mit allen Experten gehe die SPD davon aus, dass bei den Bemühungen um eine soziale Integration jugendlicher Straftäter der Gesellschaft eine besondere Verantwortung zukomme. Das BVerfG habe hierzu folgendes ausgeführt: Die Fehlentwicklung, die sich in gravierenden Straftaten eines Jugendlichen äußert, steht in besonders dichtem und oft auch besonders offensichtlichem Zusammenhang mit einem Umfeld und Umständen, die ihn geprägt haben. Für das Jugendstrafrecht und den Jugendstrafvollzug gewinnt daher der Grundsatz, dass Strafe nur als letztes Mittel und nur als ein in seinen negativen Auswirkungen auf die Persönlichkeit des Betroffenen nach Möglichkeit zu minimierendes verhängt und vollzogen werden darf, eine besondere Bedeutung.
Diesem Grundgedanken folge der nun vorgelegte Gesetzentwurf, indem er grundsätzlich vom offenen Vollzug als Regelvollzugsform ausgehe. Der Gesetzentwurf sehe im Wesentlichen drei Vollzugsformen vor:
· den offenen Vollzug;
· die Durchführung einer vollzugsöffnenden Maßnahme als Vollzug in freien Formen, namentlich in besonderen Erziehungseinrichtungen oder in Übergangseinrichtungen freier Träger;
· den geschlossenen Vollzug.
Welche dieser Vollzugsformen anzuwenden sei, werde im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen Aufnahmeverfahrens geprüft. Maßgebliches Kriterium dabei sei die Geeignetheit des einzelnen verurteilten Jugendlichen oder Heranwachsenden.
Eine weitere strukturelle Grundausrichtung des Gesetzentwurfs ergebe sich aus dem in § 2 des Gesetzentwurfs formulierten Erziehungsziels: Ziel des Jugendstrafvollzugs ist, dass die Gefangenen dazu befähigt werden, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern und in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten führen (Erziehungsziel).
Auch damit befinde sich der sozialdemokratische Gesetzentwurf in der Tradition der ständigen Rechtsprechung des BVerfG. Dies habe in seiner bereits angesprochenen Entscheidung nochmals ausdrücklich festgestellt: Der Vollzug der Freiheitsstrafe muss auf das Ziel ausgerichtet sein, dem Inhaftierten ein künftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen. Dieses oft auch als Resozialisierungsziel bezeichnete Vollzugsziel der sozialen Integration, , ist im geltenden Jugendstrafrecht als Erziehungsziel verankert (§ 91 Abs. 1 JGG). Der Verfassungsrang dieses Vollzugsziels beruht einerseits darauf, dass nur ein auf soziale Integration ausgerichteter Strafvollzug der Pflicht zur Achtung der Menschenwürde jedes Einzelnen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Strafens entspricht.
Wenn das BVerfG im Rahmen seiner Rechtsprechung der sozialen Integration als Ziel des Strafvollzugs für Jugendliche, Heranwachsende und Erwachsende immer wieder eine herausgehobene Bedeutung zukommen lässt, dann darf der Landsgesetzgeber dies nicht ignorieren oder aufweichen, so Faeser. Diese Gefahr habe auch das BVerfG erkannt. Es habe daher eindeutig klar gestellt, dass der Strafvollzug auch gegenüber der Bevölkerung allgemeine Schutzpflichten zu erfüllen habe, so dass zwischen dem Integrationsziel des Vollzugs und dem Anliegen, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen insoweit kein Gegensatz bestehe. Allerdings hat das BVerfG auch eindeutig festgestellt, dass die Schutzpflicht gegenüber der Bevölkerung während des Vollzugs nicht den selben verfassungsrechtlichen Rang genießt, wie das Vollzugsziel der sozialen Integration, erläuterte Faeser und stellte fest, dass die Gesetzentwürfe der Landesregierung und der FDP insoweit den Vorgaben des BVerfG nicht gerecht würden.
Als weiteren elementaren Bereich des von der SPD vorgestellten Gesetzentwurfs bezeichnete die Sozialdemokratin die enthaltenen Standards für die künftige Ausgestaltung des Jugendstrafvollzugs in Hessen. Es gibt kaum einen Bereich in unserer Gesellschaft für den der Grundsatz Der Weg ist ein wesentlicher Bestandteil des Zieles gilt, wie im Strafvollzug, so Faeser. Der Gesetzentwurf greife dies unter anderem mit folgenden im Gesetz klar definierten Vorgaben auf:
· Die Unterbringung in Wohngruppen mit 8 bis 10 Jugendlichen und Heranwachsenden (§ 70 Abs. 4);
· Die Ausgestaltung der schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildung (§ 71)
· Die verbindliche Schaffung von sozialtherapeutischen Abteilungen (§ 70 Abs. 5)
· Die gesetzliche Verankerung der Einzelunterbringung von Gefangenen<br />(§ 70 Abs. 1)
· Die Wiederherstellung der strikten Trennung zwischen Jugend- und Erwachsenenvollzug (§ 70 Abs. 1) bei männlichen Gefangenen
· Die Schaffung eines dem bundesgesetzlich geregelten Rechtsweg vorgeschalteten mediativen Konfliktschlichtungsverfahrens (§§ 58 f)
Damit unterscheide sich der von der SPD erarbeitete Gesetzentwurf auch maßgeblich von den anderen bereits ins parlamentarische Verfahren eingebrachten Entwürfen der anderen Parteien und der Landesregierung. Hinzu komme, dass die SPD jeglichen Schusswaffengebrauch im Jugendstrafvollzug ablehne, den Datenschutz in Abwägung mit den Interessen der Betroffenen ausgestaltet habe und der von der Landesregierung beabsichtigten verfassungsrechtlich bedenklichen Durchführung von anlassunabhängigen Urintests sowie der damit in Zusammenhang stehenden Beweislastumkehr eine klare Absage erteilt habe.