Gerade die FDP muss sich fragen lassen, weshalb sie auf ihre eigenen Prinzipien pfeift, wenn es darum geht, Schule so zu gestalten, dass jedes Kind unabhängig von seinem persönlichen Leistungspotential und von seiner Herkunft bestmögliche Bildungschancen erhält. Sie sind es doch, die immer von der freien Schulwahl für die Eltern sprechen. Diese hört offensichtlich für die FDP dann auf, wenn Schulgemeinden sich für das Prinzip längeren gemeinsamen Lernens aussprechen. Denn genau das ist im Konzept der SPD vorgesehen: Schulen sollen die Möglichkeit erhalten, mit individueller Förderung ernst zu machen und jedes Kind einer Klasse ohne äußere Differenzierung möglichst gut zu qualifizieren.
Sie wissen, dass die hessische SPD keine Schulform überstülpen wird, sondern auf die Akzeptanz von Lehrkräften und Eltern setzt, sich gegen eine Schulstruktur zu entscheiden, die mitverantwortlich ist für ungleiche Chancen beim Bildungszugang und für Ergebnisse, die im internationalen Bildungsvergleich höchstens mittelmäßig sind.
Und diese Akzeptanz ist bereits in hohem Maße vorhanden. Das Institut für Schulentwicklungsforschung in Dortmund legte im vergangenen Juni die 3. Lehrerbefragung vor. Ein Ergebnis, über das Sie zumindest einmal nachdenken sollten, war das auf die Frage nach einer längeren gemeinsamen Schulzeit für alle. 1998 gab es bei den befragten Lehrkräften für ein solches Vorhaben nur 24 % Zustimmung, 2006 stimmten 56 % der Lehrer zu. Vergleichbare Ergebnisse gibt es bei der Befragung der Eltern.
Die Einsicht darin, dass das gegliederte Schulsystem es weder schafft, den Anteil an Spitzenleistungen zu verbreitern, noch die fatale Koppelung zwischen Herkunft und Bildungserfolg aufzulösen, ist in den letzten Jahren massiv gewachsen bei Eltern und Lehrkräften aber auch bei Wirtschaftsfachleuten.
Lassen Sie doch Eltern und Schulen und Schulträger entscheiden, ob sie zukünftig ein integriertes Bildungsangebot annehmen wollen. Wir sind uns sicher, dass die Diskussion um die bestmögliche Förderung heute sehr viel weiter ist als Sie mit den Repliken auf die 70er Jahre wahrhaben wollen.
Wer es ernst nimmt mit der Aussage, jedes Kind seinem Potential entsprechend zu fördern., muss die Frage beantworten, ob dies mit einer historisch begründeten Begabungstheorie möglich ist, die Kinder in drei Gruppen aufteilt: Der Hauptschüler ist praktisch-handwerklich begabt, der Gymnasiast theoretisch wissenschaftlich und irgendwo dazwischen steht der Realschüler. Kinder sind ebenso unterschiedlich in ihren Begabungen wie in ihrem Entwicklungs- und Lerntempo und deshalb nicht in drei Kategorien einteilbar. Warum gibt es zum Beispiel in Bayern fast 40 Prozent praktisch begabte Hauptschüler und in Hessen weniger als 15 Prozent? Und warum wollen Sie die Eltern in Hessen ignorieren, die sich längst gegen eine der klassischen drei Schulformen entschieden hat?
Wir wollen, dass nicht Lehrpläne und frühe Selektion darüber entscheiden, welche Bildungschancen ein Kind hat. Deshalb werben wir für eine Sekundarstufe I, die ebenso wie die Grundschule Kinder einer Altersstufe gemeinsam unterrichtet und innerhalb der Klassen differenziert. Das ist bestmögliche individuelle Förderung und nicht die Erstellung eines Förderplans, wenn bereits Leistungsprobleme sichtbar sind. Vielfalt ist kein Hemmschuh für Leistung, sie ist eher ein Motor. Der Unterschied zur hessischen FDP ist aber, dass wir Sozialdemokraten von der Vielfalt der Talente der Kinder sprechen. Sie dagegen begnügen sich mit einer Vielfalt von Schulformen und vergessen dabei das einzelne Kind.
Wir werden im nächsten Jahr beginnen, das Haus der Bildung gemeinsam mit den Schulen umzusetzen. Und ich bin sehr sicher, dass es weder der hessischen CDU und schon gar nicht der FDP gelingt, Schulkämpfe der Vergangenheit wieder zu beleben.