Reinhard Kahl (SPD) über die neuen Steuerungselemente in der Landesverwaltung: Die Parallelen zu Baden-Württemberg sind erschreckend

Der baden-württembergische Landesrechnungshof hatte gerügt, dass der Nutzen der NSI nur ansatzweise erkennbar, die Kosten jedoch immens seien. Eine unveränderte Fortführung der NSI sei deshalb nicht vertretbar. In Hessen koste Einführung und Betrieb des Systems der Neuen Verwaltungssteuerung bis einschließlich 2008 mindestens 515 Millionen Euro und sei damit mehr als doppelt so teuer wie im südlichen Nachbarland. Die laufenden Kosten des Systembetriebs schlügen allein 2007 mit rund 40 Millionen Euro – geplant – zu Buche und lägen damit deutlich über den 30 Millionen Euro, die in Stuttgart dafür verausgabt würden. Ein Grund für die Kostenunterschiede sei nach Auffassung der Sozialdemokraten der massive Einsatz externer Berater. Während der Rechnungshof Baden-Württemberg die Vergabe von Aufträgen an 25 externe Dauerberater mit einem Auftragsvolumen von 5 Millionen Euro monierte, seien beim zentralen IT-Dienstleister Hessens (HZD) rund 200 Freelancer beschäftigt, davon rund die Hälfte als dauerhaft Beschäftigte. Diese verursachten jährliche Kosten in Höhe von 38,5 Millionen Euro. Zum Vergleich dazu kosteten die rund 600 internen Beschäftigten der HZD gerade einmal 30 Millionen Euro. Zwar seien nicht alle freiberuflichen Mitarbeiter mit der Einführung der Neuen Verwaltungssteuerung betraut – aber doch ein Großteil.

Ähnlich wie in Baden-Württemberg sei der Nutzen der Neuen Verwaltungssteuerung bislang nicht sichtbar, geschweige denn monetär zu bewerten. Während die Hessische Landesregierung früher eine Amortisation des neuen Systems innerhalb einer Dekade in Aussicht gestellt habe, weiche sie konkreten Nachfragen der SPD-Opposition nun aus und spreche lieber blumig von "strategischen Projekten, deren Nutzen nicht direkt quantifizierbar sei", so Kahl. Auch die erhofften Einnahmen aus dem Weiterverkauf der in Hessen entwickelten IT-Systeme an andere Bundesländer seien "reine Luftnummern". Im Bereich des Dokumenten-Managementsystems DOMEA zeige sich nun, dass Hessen zwar seit Jahren an der Einführung eines Systems arbeite, auf dem Markt aber mittlerweile funktionsfähigere Systeme erhältlich seien, die nun von anderen Bundesländern schneller eingeführt würden.

Die Kritik des baden-württembergischen Rechnungshofes an der mangelnden Umsetzung des Controllings treffe auch vollumfänglich auf Hessen zu. So erstrecke sich das Controlling bislang auf die Darstellung des monetären Ressourcenverbrauchs. Die eigentlich interessanten Größe, nämlich die von der Verwaltung erbrachte Leistung (Output) und die damit erreichte Leistungswirkung (Outcome), würden bislang nicht betrachtet. Dies sei nach Meinung der Sozialdemokraten überhaupt nicht möglich, da die Landesregierung noch immer keine geeigneten Kennzahlen zur Erfassung dieser beiden Größen entwickelt habe und diese erhebe. Ebenfalls die Entwicklung der Balanced-Scorecard in der Verwaltung stecke "in den Kinderschuhen". Das Finanzministerium habe angekündigt, in diesem Jahr die ersten acht Pilot-Scorecards entwickeln zu wollen. "Wenn man bedenkt, dass der ab 2008 flächendeckend eingeführte Produkthaushalt des Landes Hessen aus 800 Produkten bestehen wird, benötigt die Landesregierung noch genau 100 Jahre, bis das Controlling-System vollständig ist. Dies wird diese Landesregierung allerdings nicht mehr erleben.", so Kahl.

Auch im Bereich Benchmarking, dem behördeninternen oder –übergreifenden Kostenvergleich von standardisierten Verwaltungsvorgängen, sei man in Hessen keinen Deut weiter als in Baden-Württemberg. So habe die SPD-Landtagsfraktion im Bereich der Ministerbüros ein internes Benchmarking über die Ministerien hinweg beantragt. Dies sei von der Landesregierung allerdings unter fadenscheinigen Gründen abgelehnt worden.

Der hessische Landeshaushalt sei bereits jetzt zu zwei Dritteln auf Produkte umgestellt und werde mit dem kommenden Haushalt 2008 komplett in der neuen Darstellungsweise geführt. Durch die Unzulänglichkeiten bei der Definition der Verwaltungsprodukte, ihrer Mengen und der Kennzahlen zur Leistungserfassung habe die SPD-Landtagsfraktion jedoch große Bedenken über den Verlust an parlamentarischer Steuerungsfähigkeit. "Im Prinzip gibt der Gesetzgeber im Blindflug 23 Milliarden Euro aus, ohne genau zu wissen, was er dafür bekommt", so Kahl. „Nach unserer Einschätzung hat die Landesregierung in einer Mischung aus Naivität und blindem Aktionismus der Landesverwaltung ein System aufgezwungen, welches für die Privatwirtschaft konzipiert wurde und nur unter großem Aufwand an die Bedingungen des öffentlichen Sektors angepasst werden kann.“, so Kahl. „Die Landesregierung hatte die einmalige Chance, eine Jahrhundertreform der öffentlichen Verwaltung in Gang zu setzen. Stattdessen hat sie ein Halb-Milliarden-Projekt erstklassig gegen die Wand gefahren“.

Die SPD wolle nach der Regierungsübernahme im Januar 2008 das komplette System der Neuen Verwaltungssteuerung auf den Prüfstand stellen. Es müsse in vielen Bereichen eine Anpassung des SAP-Systems an die verwaltungsspezifischen Gegebenheiten geben, in anderen Bereichen das Projekt zurückgestutzt werden.