Beispiel 1 Obdachlosigkeit: Eine offizielle Statistik zur Zahl wohnungsloser Menschen gibt es nicht. Wir sind angewiesen auf Schätzungen, die mittels Stichproben erhoben werden und diese ergeben, dass die Zahl der Menschen, die ohne Unterkunft auf der Straße leben, in den vergangenen Jahren wieder deutlich gestiegen ist!
Beispiel 2 Altersarmut: Eine offizielle Statistik zur Armut/Verarmung älterer Menschen gibt es nicht. Durch den eingangs erwähnten EU-Bericht wissen wir aber, dass 12 der 72 Millionen Europäer mit Armutsrisiko Ältere sind. Verdeckte oder verschämte Armut ist ein seit langem bekanntes Problem vor allem bei Frauen. Es gibt nach wie vor eine Vielzahl von Haushalten unterhalb des Sozialhilfeniveaus, die also anspruchsberechtigt sind, ihr Recht aber aus verschiedenen Gründen nicht wahrnehmen. Die Landesregierung gibt immerhin zu, dass der starke Anstieg bei den Grundsicherungsanträgen zwischen 2003 und 2004 um fast 10.000 auf besondere Gründe, also genau diese Angst oder Unwissenheit, zurückzuführen war. Was macht die Landesregierung für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Nach Jahren arbeitsmarktpolitischer Untätigkeit und massivem Stellenabbau im öffentlichen Dienst, legt sie ein Programm mit gerade einmal 200 Plätzen auf. Angesichts der Tatsache, dass wir es mit rund 65.000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen über 50 zu tun haben, die Arbeit suchen nur ein Tröpfchen auf den heißen Stein.
Beispiel 3 Kinderarmut: Unicef, Kinderschutzbund und Kirchen machen regelmäßig mit Zahlen deutlich, dass immer mehr Kinder von Armut betroffen sind. Jedes zehnte Kind lebt hierzulande bereits in relativer Armut! Die Landesregierung schmückt sich dagegen mit einem von den Kommunen finanzierten Bambini-Programm, anstatt den Ausbau der Kinderbetreuung massiv zu forcieren. Sie rühmen sich, vielfältige Anstrengungen gegen die Vernachlässigung von Kindern unternommen zu haben. Das Gegenteil ist der Fall. Im Rahmen der Operation düstere Zukunft haben Sie zugelassen, dass vielen Projekte, die dem Schutz und der Hilfe von und für Kinder dienten, alle Landesmittel entzogen wurden. Darunter zum Beispiel die Mittel für die Erziehungsberatung und für Spiel- und Lernstuben in sozialen Brennpunkten, um nur zwei Beispiele zu nennen. Sie haben einen zugegeben – guten Bildungs- und Erziehungsplan erarbeiten lassen. Aber es fehlt an Geld für die Umsetzung. Sprachtests in Kindergärten sind wichtig, aber sie genügen nicht. Ein verpflichtendes letztes Kindergartenjahr beseitigt den Mangel an Sprach- und Alltagskompetenz eher als ein paar Kurse. Ihre Zwangs-Pflichtuntersuchungen kann man machen, aber: lösen sie das Problem damit wirklich? Beispiel 4 Alleinstehende: Zum Personenkreis mit dem höchsten Armutsrisiko zählen laut EU auch die Alleinstehenden unter 30 Jahren. Arbeitslosigkeit aufgrund geringer Qualifizierung, fehlende Rücklagen, Wohnungsprobleme oder Drogen- oder Alkoholkonsum sind nur einige Gründe für die besondere Notlage dieser Menschen.
Und was tut die Landesregierung? Sie streicht/senkt die Mittel für Drogen- und Schuldnerberatungen und scheut sich die ohnehin nicht reich gesäten Mittel für Arbeitsmarktpolitik ordentlich zu erhöhen. Sie zapfen Bundes- und EU-Töpfe an fremde Federn und lassen die Jugend im Regen stehen. Jedes Kind braucht zunächst einmal einen Schulabschluss! Doch statt früher Förderung, setzen sie mit Ihrer Bildungspolitik auf frühe Selektion im dreigliedrigen Schulsystem und auf erbarmungslosen Leistungs- und Lerndruck. Sie setzen auf Querversetzungen in großem Stil und produzieren einen exorbitanten Anstieg der Schülerzahlen in den Schulen für Lernhilfe. Ich muss nicht noch mehr Beispiele bringen. Die genannten zeigen eines: So kann und darf es in Hessen in weitergehen. Gefragt sind Strategien statt Plattitüden!
Wir haben das zeigen die in der Anfrage genannten Zahlen eine deutliche Zunahme bei der Anzahl der SozialhilfeempfängerInnen in den Jahren 2001 bis 2004 also in der Zeit ihrer Regierungsverantwortung in Hessen! Allein die Zahl der EmpfängerInnen zwischen 18 und 65 Jahren stieg von 127.777 (2001) auf 141.464 (2004) also um 13.687. Die Sozialhilfequote von Kindern unter 15 Jahren lag in Hessen weit über dem Durchschnittswert für die Gesamtbevölkerung (8,5 % statt 3,9%). Die Zahl der minderjährigen Kinder, die von Sozialhilfe leben, ist zwischen 2001 und 2004 um 8,9 v.H. gestiegen, die Zahl der 18 bis 25 Jährigen sogar um 21,9 Prozent. (vgl. Antwort zu Frage V 5). Angesichts dieser Entwicklungen müssten die Alarmglocken unaufhörlich läuten! Doch für Sie scheint alles in bester Ordnung zumindest ist das der Eindruck, den sie uns mit dieser Antwort auf die Große Anfrage vermitteln. Mehr und mehr Menschen sind von staatlichen Transferleistungen abhängig, immer häufiger ist ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nötig, um nicht unter das Existenzminimum zu sinken. Laut EU-Definition beginnt Armut in Deutschland bei einem monatlichen Einkommen unter 938 Euro. Zum Vergleich: Eine Familie, die von Hartz IV lebt und ein Kind unter 14 Jahren hat, bekommt 828 Euro (345+276+207), eine Alleinerziehende mit einem Kind unter 14 Jahren erhält 672,75 Euro (345+207+120,75), allerdings plus Mietkosten. Statt Missbrauchsdebatten brauchen wir Strategien und Konzepte gegen Armut. Wir brauchen niedrigschwellige Hilfen – Wir brauchen Anlauf- und Beratungsdienste zeitnah zugänglich – Wir brauchen mehr Schuldner- und Drogenberatung – Wir brauchen mehr Sozialarbeit in sozialen Brennpunkten Spiel- und Lernstuben – Wir brauchen frühkindliche Bildung – Ausbildungs- und Qualifizierungschancen für junge Menschen Integrationsangebote – Zielgenaue Arbeitsmarktprogramme für unterschiedliche Probleme am Arbeitsmarkt – Und schließlich eine bessere Sozial- und Wirtschaftspolitik in Hessen mit einem Wort: wir brauchen eine neue Regierung in Hessen, denn SIE haben abgewirtschaftet!