Karin Hartmann (SPD): Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans ist ohne zusätzliches Personal nicht zu leisten

Die Erfahrungen aus der Praxis bestätigen das, was wir immer schon vermutet haben: ein zusätzlicher Bildungsauftrag ist ohne zusätzliche Mittel nicht machbar. Wenn wir mehr Bildungsqualität in Kindertagesstätten und Grundschulen erreichen wollen, dann sind kleinere Gruppen und ein besserer Personalschlüssel Grundvoraussetzungen. Ohne eine Verbesserung dieser Rahmenbedingungen führt der zusätzliche bürokratische Aufwand, der mit dem BEP verbunden ist, eher dazu, dass noch weniger Zeit für die Kinder da ist.

Wenn wir uns über die eine zukunftsfähige Gestaltung des Bildungs- und Betreuungsbereiches unterhalten, dann ist die notwendige Schaffung von Angeboten für unter 3-Jährige das eine. Eine Qualitätssicherung und -verbesserung in allen Kindertagesstätten ist das andere. Ich halte dafür einen BEP für eine wichtige Voraussetzung. Man darf jedoch nicht glauben, dass damit automatisch auch mehr Bildung umgesetzt wird.

Die Erprobungsphase des BEP ist abgeschlossen. Es gibt aber  Ergebnisse einer Untersuchung zur Umsetzung, die von den Kommunalen Spitzenverbänden, der Liga der Freien Wohlfahrtspflege und den Kirchen in Hessen in Auftrag gegeben wurde. Und diese Ergebnisse bestätigen genau das, was die SPD-Fraktion in vorausgegangenen Debatten bereits thematisiert hat: Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen in hessischen Kindertagesstätten kann der BEP nicht flächendeckend in die Praxis umgesetzt werden.

Lassen Sie mich diese Rahmenbedingungen in Kindertagesstätten nochmals aufführen, damit alle wissen, wie sich die Situation in vielen Kindergärten entsprechend der vom Land vorgegebenen Mindeststandards darstellt: 25 Kinder und ein Personalschlüssel von 1,5 Kräften –  wohlgemerkt ohne zusätzliche Ansprüche für Leiterinnentätigkeit, Elternarbeit, Praktikantinnenanleitung, Fortbildung und Berücksichtigung von Urlaubs- und Krankheitszeiten. Das bedeutet in der Realität, dass es in Hessen viele Einrichtungen gibt bei denen im Normalfall eine Erzieherin 20 bis 25 Kinder zwischen 3 und 6 beaufsichtigen, erziehen und noch dazu mit Bildung versehen und auf Schule vorbereiten soll. Hinzu kommt, dass sie sich stärker mit Schulen vernetzen und die Elternarbeit intensivieren sollen.

Das ist wieder einmal typisch für diese Landesregierung: Sie macht einen schönen Plan und meint, dessen Umsetzung dann einfach verordnen zu können. Sie gehen scheinbar davon aus, dass das Personal, das diesen Plan umsetzen muss, die enorm gestiegenen Anforderungen einfach so bewältigen und zusätzlich noch dokumentieren kann. Oder erwartet die Landesregierung etwa, dass die Träger von Kitas einfach aus eigenem Antrieb mehr Personal zur Verfügung stellen, die Fortbildung organisieren und die Kooperation mit Schulen gewährleisten können? Tatsache ist, dass für die Umsetzung des BEP ein erheblicher zusätzlicher Zeitaufwand erforderlich ist. Wenn dafür nicht mehr Personal zur Verfügung gestellt wird, führt dies doch zwangsläufig dazu, dass noch weniger Zeit für die Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder bleibt.

Die Landesregierung muss endlich erkennen, dass sie bezüglich einer flächendeckenden Umsetzung des BIP maßgeblich mit in der Verantwortung ist. Das Land Hessen darf sich nicht noch weiter aus seiner Verantwortung stehlen. Erkennen Sie doch endlich die Fakten an: Unter der CDU geführten Landesregierung hat sich Hessen auf wesentlichen Gebieten der Bildung und Betreuung zum innerdeutschen Schlusslicht entwickelt. Da verwundert es auch nicht, dass hinter der Überschrift der ergänzenden Untersuchung der Spitzenverbände und der Liga der Wohlfahrtsverbände „Bildung in Hessen – Qualität von Anfang an?“ nicht etwa ein Ausrufezeichen, sondern ein großes Fragezeichen steht.

Ich empfehle Ihnen, sich einmal die Schlussbetrachtungen und politischen Konsequenzen dieser Untersuchung anzuschauen. Dann müssen auch Sie erkennen, dass für die flächendeckende Umsetzung des BEP mindestens folgende  Rahmenbedingungen erforderlich sind: Verbesserung des Personalschlüssels und Reduzierung der Gruppengrößen, landesweite Organisation der Fortbildung, Reform der Erzieher/-innenausbildung und verbindliche Festschreibung der Zusammenarbeit von Kitas und Grundschulen und Bereitstellung der dafür notwendigen Deputatstunden.

Wenn Sie sich nicht weiter dem Vorwurf aussetzen wollen, dass Sie zwar einen schönen Plan vorgelegt haben, bislang aber nichts getan haben, um den Trägern dessen Umsetzung auch zu ermöglichen, steigen Sie endlich ein in einen Dialog darüber, wie weit das Land bereit ist, sich an einer Mitfinanzierung von mehr Bildungsqualität für Null bis Zehnjährige zu beteiligen.“