In diesem Zusammenhang ist die europäische Gender-Debatte zu sehen. Wenn die EU bis 2010 zur weltweit wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsregion werden will, dann spielt die Beschäftigtenquote der Frauen eine große Rolle. Auch bei uns muss sie bis 2010 auf über 60 % angehoben werden, wohlgemerkt 60% des Arbeitsvolumens! Und es geht nicht nur um Masse, sondern auch um Klasse. Den Frauen sollen die Wettbewerbshindernisse auf dem Arbeitsmarkt weggeräumt werden. Und eben hier beginnt der Prozess des Gender Mainstreaming. Frauen sollen ihren Begabungen und Neigungen entsprechend ungehindert von ungeschriebenen Wettbewerbshindernissen ihre Biographie leben dürfen.
Der Antrag der CDU zur Wahlfreiheit ist bezeichnend für den Stand der Diskussion in der Union. Er könnte auch aus der Wende-Ära zur Kohl-Regierung vor Rita Süssmuth – datieren. Schon seinerzeit haben sich Gewerkschaftsfrauen und SPD-Frauen gegen diese Art von Wahlfreiheitsideologie gewandt. Ein Vierteljahrhundert später beschäftigt uns ein hessisches Remake. Die geschichtliche Wiederholung als Farce! Dabei wären der Hessische Ministerpräsident und seine Frauenministerin, 2007, dem Europäischen Jahr der Chancengleichheit, dazu aufgerufen, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu ihrem Schwerpunkt zu machen. Aber die Kritik an irreführenden Rollenkorsetts ist eben zuletzt die Sache der hessischen CDU.
Nun zur Großen Anfrage:
1. Ein normatives Bekenntnis der Landesregierung, Gender Mainstreaming bis zur Beseitigung der herrschenden Chancenungleichheit als Frauenförderung bleibt die Landesregierung schuldig. Die Landesregierung lässt es an klaren Voraussetzungen, Zielen und Kontrollinstrumenten fehlen.
2. Statt wie überall in Europa den Genderprozess in Landesverantwortung seriös offen zu legen, verweisen Sie auf Umfragen zur allgemeinen Mitarbeiter/-innenzufriedenheit.
3. Gender ist in der Hessischen Landesregierung zur Chefsache des Ministerpräsidenten erklärt.
4. Die Landesregierung gibt offen zu, dass keine ressortübergreifende Steuerungsgruppe zur Prozessbegleitung besteht.
5. Als Maßnahmen des Controllings werden ausschließlich Maßnahmen aufgeführt, die die Landesregierung erst in der Zukunft anstrebt!
6. Es gibt keinen erkennbaren Leitfaden zur Bewertung geschlechtsspezifischer Auswirkungen der Staatsmodernisierung, der Personalentwicklung und Finanzwirtschaft; erst recht verfügt sie über keine konkreten Zielfestlegungen und Beurteilungsmechanismen, um in diesem Zusammenhang den Gender-Prozess korrekt zu evaluieren.
7. Es gibt keine Dokumentationen darüber, dass geltende Gesetze fortwährend auf ihre unterschiedlichen Auswirkungen auf Frauen und Männer überprüft werden.
8. Ein institutionalisierter Informationspool zum Thema, von uns bereits 2002 gefordert und von der CDU seinerseits mit Gelächter abgelehnt, ist auch in Zukunft nicht geplant.
9. Interessant sind auch Ihre Ausführungen zum Gender-Jour-Fix der Landeszentrale für politische Bildung. Dort befassen sich immerhin eine Fachhochschulprofessorin und eine wissenschaftliche Referentin der Landeszentrale mit dem Thema. Dazu muss man wissen, dass ein Großteil der Vorträge, die in diesem Zirkel gemacht werden, davon sprechen, dass der Gender-Prozess in Hessen weitestgehend vor sich hin dümpelt und in den seltensten Fällen zur Chefsache geworden ist.
Alles in allem gilt für Ihre Antwort auf unsere Anfrage zu Ihrer Genderbilanz nichts anderes als zu Ihrer Frauenförderbilanz: Leider ist Frau Lautenschläger keine von der Leyen und Herr Koch nicht Merkel. Ihre gleichheitspolitischen Bemühungen bewegen sich im Minusbereich, Sie sind ein Schlusslicht selbst in der Szene der deutschen CDU.
Dass wir das so nicht hinnehmen werden, wird Sie nicht überraschen. So wie Sie gegen das HGlG in 1994 vor den Staatsgerichtshof gezogen sind, so wie Sie seine Instrumente systematisch geschwächt haben und den gesetzlichen Frauenförderbericht offenbar bis über die Landtagswahl hinaus weiter verweigern wollen, so kneifen Sie absichtsvoll beim Thema Gender. Für unser Wirtschaftsland und für die Interessen der Frauen und Männer in Hessen ist das denkbar schlecht: Es gibt nichts leistungsfeindlicheres als leistungsfremde Diskriminierungstatbestände. Wer eine leistungsfreundliche Gesellschaft will, muss sich daran messen lassen, was er diskriminierungspolitisch auf der Pfanne hat.
Bis heute ist die Hessische Landesregierung ganz besonders gleichheitspolitisch ein Ausfall: Das gilt für die Bildungspolitik, das gilt für die Integrationspolitik und das gilt ganz besonders für die Geschlechterpolitik. Diskriminierung heißt immer, dass Fähigkeiten und Möglichkeiten verloren gehen, weil Diskriminierung ausschließt und nicht einschließt.
Wir brauchen aber eine hessische Gesellschaft, in der alle Fähigkeiten und Energien ungehindert von primitiven Mustern und Vorbehalten ihren Raum finden. Dafür brauchen wir den Regierungswechsel im Januar 2008. Wer auf die hessische CDU wartet, wird schwarz, es sei denn, er ist es schon.
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