Das Bundesverfassungsgericht hat am 31.05.2006 entschieden, dass der Gesetzgeber bis Ende 2007 ein eigenständiges Gesetz für den Jugendstrafvollzug regeln muss. Dort wird die erzieherische Ausgestaltung des Jugendstrafvollzuges festgeschrieben. Insbesondere für die Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren werden im Hinblick auf deren noch nicht abgeschlossene Persönlichkeitsentwicklungen anspruchsvolle Behandlungsstandards und eine hohe Betreuungsdichte festgelegt. Diesem Anspruch wird der Gesetzentwurf der GRÜNEN weitgehend gerecht. Wir begrüßen ausdrücklich, dass in dem vorliegenden Entwurf als alleiniges Ziel des Vollzuges das Erziehungsziel eines künftigen straffreien Lebens im Vordergrund steht. Auch der Vorrang der offenen Vollzugsformen vor den geschlossenen findet unsere Unterstützung. Wir teilen die Begründung, dass es dem Erziehungsziel, den internationalen Erfahrungen und den Forderungen von Experten entspricht.
Im Jugendstrafvollzug muss der Offene Vollzug der Regelvollzug sein. In Hessen ist die Etablierung von offenen Vollzugseinrichtungen dringend erforderlich. Die Schweiz kommt gänzlich ohne geschlossenen Jugendstrafvollzug aus. Auch in den Niederlanden überwiegen die offenen Einrichtungen. Baden Württemberg orientiert sich mit einem Modellprojekt an den offenen Häusern der Schweiz. In Hessen sind solche offenen Einrichtungen dringend erforderlich, um die Rückfallquote von jugendlichen Straftätern zu reduzieren.
Im geschlossenen Vollzug bedarf es ausreichend Sozialarbeiter und Psychologen, damit der Behandlungsvollzug wieder im Vordergrund stehen kann. Ein Jugendstrafvollzugsgesetz muss sich an kriminologischer und pädagogischer Forschung ebenso orientieren wie an den Bedürfnissen junger Menschen. Denn nur wenn die Täter nicht wieder rückfällig werden, wird der größtmögliche dauerhafte Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten erreicht werden. Dazu ist es erforderlich, dass sich die Täter mit ihrem eigenen sozialschädlichen Verhalten, mit der Straftat selber und den Konflikten, aus denen heraus die Tat begangen wurde auseinandersetzen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil aus dem Mai 2006 inhaltliche Vorgaben gemacht, die für alle Bundesländer verbindlich sind:
1. Jugendliche befinden sich biologisch, psychisch und sozial in einem Stadium des Überganges, die typischerweise mit Spannungen, Unsicherheiten und Anpassungsschwierigkeiten verbunden sind. Deshalb gewinnt im Jugendstrafvollzug der Gedanke, dass Strafe nur als letztes Mittel und nur als ein in seinen negativen Auswirkungen auf die Person der Jugendlichen an Bedeutung
2. Das Vollzugsziel der sozialen Integration, also der Befähigung zu einem straffreien Leben in Freiheit, hat Verfassungsrang.
3. Die Notwendigkeit des Zieles der Resozialisierung resultiert auch aus der staatlichen Sicherheitspflicht für die Bürger. Das folgt vor allem aus dem Vermeiden von erneuter Straffälligkeit.
4. Der Strafvollzug für Jugendliche muss auf die Förderung der jungen Menschen gerichtet sein. Das umfasst unter anderem soziales Lernen, Ausbildung von Fähigkeiten und Kenntnissen, die einer künftigen beruflichen Integration dienen.
5. Aufgrund der Haftempfindlichkeit junger Menschen müssen besondere Regelungen getroffen werden, wie Familienbeziehungen, Sportmöglichkeiten, Aufbau von sozialen Kontakten, Schutz vor wechselseitigen Übergriffen der Gefangenen, Unterbringung in kleinen Wohngruppen.
Dies alles hatte seinerzeit die Bundesjustizministerin Zypries in ihrem vorgestellten Gesetzentwurf aufgegriffen. Leitgedanke des Entwurfes ist das Prinzip "Fordern und Fördern". Festgeschriebenes Ziel ist eine Persönlichkeitsförderung der Jugendlichen, so dass sie zukünftig ein Leben ohne Straftaten führen. Hinzu kommen umfangreiche Förderangebote. Das BMJ hat dazu die Festlegung qualitativer Mindeststandards für die Förderung junger Gefangener unter sachlichen, personellen und organisatorischen Gesichtspunkten in ihrem Gesetzentwurf festgelegt: Dazu gehört u.a. Schul- und Ausbildungsplätze für zwei Drittel der Haftplätze, mehr Besuch als im Erwachsenenvollzug, denn die familiären Bindungen sind sehr wichtig. Einzelunterbringung bei Nacht, angemessene Ausstattung mit pädagogisch qualifiziertem Personal,.Zusammenarbeit mit fachbezogenen außervollzuglichen Einrichtungen zur Entlassungsvorbereitung und Nachsorge.
Die SPD-Fraktion hat diese Standards bereits im Juli 2006 in einem Antrag im Plenum gefordert. Das Ziel der Resozialisierung muss im Vordergrund stehen. Danach soll der junge Gefangene im Vollzug dazu erzogen werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Dies ist nicht nur SPD-Meinung, sondern ausdrücklich vom Bundesverfassungsgericht so gefordert. Hauptziel in einem Jugendstrafvollzugsgesetz muss somit sein, dass junge Gefangene künftig ein Leben ohne Straftaten führen, denn nur so kann der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten auch erreicht werden.