Michael Siebel (SPD): Hessen steht hochschulpolitisch am Scheideweg

·         Die Übertragung der Bauherreneigenschaft mit der Möglichkeit, Liegenschaften auch zu veräußern und daraus erzielte Erlöse für investive Zwecke zu verwenden
·         Die Übertragung der Ausführung des Haushalts innerhalb der durch die Landeshaushaltsordnung definierter Grenzen
·         Die Ermöglichung von Unternehmensgründungen und Unternehmensbeteiligungen
·         Die Übertragung von Genehmigungsbefugnissen mit Ausnahme der Grundordnung
·         Die Übertragung der Personalverantwortung und der Vorrangstellung der Einstellung von Angestellten bei neu einzustellenden Professoren
·         Die stärkere Einflussnahme des Hochschulrats bis hin zu dessen Zustimmungsbefugnis in zentralen Fragen.

Die Hessische Landesregierung möchte den Begehren der Johann Wolfgang Goethe- Universität Rechnung tragen, sich als Stiftungsuniversität zu konstituieren. Es ist dringend notwendig die beiden Kernpunkte dieser Gesetzesinitiative in das politische Gesamtbild einzuordnen. Diese tief greifenden Veränderungen passieren, nachdem die Landesregierung:
<ul type="disc" style="MARGIN-TOP: 0cm"><li style="MARGIN: 0cm 0cm 0pt; TEXT-ALIGN: left; mso-list: l0 level1 lfo1; tab-stops: list 36.0pt"><span>die Universitätsklinika in Gießen und Marburg privatisiert hat,</span></li><li style="MARGIN: 0cm 0cm 0pt; TEXT-ALIGN: left; mso-list: l0 level1 lfo1; tab-stops: list 36.0pt"><span>nachdem die Finanzierung der Berufsakademien sehr zum Unbill der Fachhochschulen deutlich verbessert wurde,</span></li><li style="MARGIN: 0cm 0cm 0pt; TEXT-ALIGN: left; mso-list: l0 level1 lfo1; tab-stops: list 36.0pt"><span>die Grundlagen der leistungsorientierten Mittelzuweisung mit der dritten Veränderung zunehmend absurder werden</span></li><li style="MARGIN: 0cm 0cm 0pt; TEXT-ALIGN: left; mso-list: l0 level1 lfo1; tab-stops: list 36.0pt"><span>nachdem mit dem Studiengebührengesetz ein Teil der Hochschulfinanzierung auf den Schultern der Studierenden privatisiert wurde.</span></li></ul>

Es mutet so an, als wollten Sie die miserable Kommunikation im Hochschulbereich, getragen von dem bundesweit unbeliebtesten Wissenschaftsminister, mit der Kommunikation über die Autonomie der Hochschulen überdecken. Die Zukunft unserer Hochschulen ist zu wichtig, als sie den offenbar wahltaktisch motivierten Manövern der Landesregierung unterzuordnen. Sie wissen genau so gut wie die Opposition im Hessischen Landtag, dass das von Ihnen verabschiedete und zu verantwortende Studiengebührengesetz mehr als umstritten ist. Wenn Sie es mit der Autonomie ernst meinen würden, so würden sie den Hochschulen anheim stellen, ob sie Studiengebühren erheben wollen. Diese Auseinandersetzung hat an der TU Darmstadt eine große Rolle gespielt. Aber in beiden Gesetzesteilen steht das ob – Studiengebühren – außer Frage! Schlimmer noch, die geplante Stiftungsuniversität soll sogar selbst über die Höhe der Studiengebühren entscheiden dürfen.

Die hessischen Hochschulen können die SPD-Fraktion an ihrer Seite finden, wenn es um die Umsetzung der Grundzüge des TUD-Gesetzes geht. Bauherreneigenschaft, Personalautonomie und Satzungshoheit sind mittlerweile unumstrittene Elemente unserer Hochschullandschaft. Bisher hat sich gezeigt, dass die Übertragung dieser Elemente auf die Hochschulen, deren Innovationspotential gefördert hat. Es hat sich als sehr wichtig erwiesen, den Autonomieprozess mit einer sehr intensiven parlamentarischen Bratung zu begleiten. Das hat einen inhaltlichen, aber auch einen staatsrechtlichen Hintergrund: der inhaltliche wurde vom ehemaligen Präsidenten der TU Darmstadt bei beiden Vorstellungen des Zwischenberichts immer wieder betont: es ist der neue Geist, der die Hochschule ergriffen hat, ein Geist der Veränderung, des Gesellschaftsbezugs, auch einer stärkeren ökonomischen Verantwortung, aber eben auch einer gewachsenen gesellschaftspolitischen und bildungspolitischen Verantwortung. Der staatsrechtliche Hintergrund zeigt, dass staatliches Handeln sich nicht mehr in Gesetzen, sondern in Verträgen ausdrückt. Deshalb muss die öffentliche, parlamentarische Kontrolle in den Vordergrund treten. Herr Minister, Sie hatten im vergangenen Jahr in mehreren Gesprächen mit den Hochschulen über die Frage der Übertragung der Grundgedanken des TUD-Gesetzes verhandelt und dort auch ein tragfähiges Ergebnis erzielt. Was Sie uns heute als Gesetz vorlegen, wird von den Beteiligten als die Geburt einer Maus, nachdem der Berg kreiste, bezeichnet. Der Ausschluss der investiven Finanzierungsabsicherungen degeneriert die Verallgemeinerung der Autonomieelemente zu einem Torso.

Zum Stiftungsgesetz  für die Johann Wolfgang Goethe-Universität: Die SPD-Fraktion hat im Vorfeld öffentlich, aber auch gegenüber dem Präsidenten zum Ausdruck gebracht, dass wir dem Ansinnen der Universität aufgeschlossen gegenüber stehen. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir in Frankfurt eine besondere Stiftertradition haben und in sofern auch eine Chance, das Wirklichkeit werden zu lassen, was Herr Professor Steinberg sich wünscht, nämlich privates Kapital für die Hochschule zu mobilisieren. Ich halte das auch in Frankfurt legitim und notwendig. Der immer wieder vorgetragene Vergleich mit amerikanischen Universitäten ist unzureichend und insofern falsch. Die amerikanischen Universitäten blicken auf eine andere Geschichte und Tradition zurück. Die gesellschaftliche Verantwortung wird in Amerika anders antizipiert als in Europa. Wir sollten hier auch keinem Etikettenschwindel aufsitzen: In Deutschland – das zeigen gerade die Erfahrungen mit Stiftungsuniversitäten in Niedersachsen – wird der Staat immer die wesentlichen finanziellen Zuschüsse zu den Hochschulen zu leisten haben. Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, dass eine Stiftungsuniversität dazu führt, dass wir irgendwann 50 oder 60% der Hochschulfinanzierung mit privatem Kapital bewältigen werden. Unsere Position lautet daher: Die Organisationsform ist sekundär – es kommt darauf an, wie man es macht. In der notwendigen Anhörung müssen folgende Aspekte besonders berücksichtigt werden:
Die Rechte der Beschäftigten beim Übergang in eine Stiftungsuniversität (z.B. eigene Tarifverträge), .das Verhältnis zwischen Stiftungskuratorium, Hochschulrat, Senat, erweitertem Senat und Präsidium sowie die Frage der Lehrverpflichtungen. Wichtig ist natürlich auch die Frage der Finanzierung. Dies alles bedarf einer ausführlichen Erörterung.“