Wenn man die Diskussion, die letzten Endes eine inhaltliche sein muss (
) immer nur auf die Schulformen führt (
), dann werden wir den entscheidenden Schritt nach vorne in der Bildungspolitik nicht machen. Ich stelle fest, dass Jürgen Zöllner dieses Zitat auch der hessischen CDU hätte widmen können.
Denn Sie sind es in diesem Land, die nicht mehr darüber diskutieren, wie man mit der Vielfalt von Begabungen umgehen kann, ohne zu viele davon zu verschwenden. Sie sind es, die von einem bedarfsgerechten, differenzierten Bildungsangebot reden und es nicht schaffen, den Schülerinnen und Schülern bessere Bildungsperspektiven zu geben und zwar denjenigen am unteren und den denjenigen am oberen Ende der Leistungsskala.
Wir wollen das Prinzip eines differenzierten, auf das einzelne Kind abgestimmten Unterrichts in jeder Schule umsetzen. Sie dagegen reden zwar von den Kindern, aber Sie meinen nur Schulformen.
Sie reduzieren die von Ihnen selbst angepriesenen unterschiedlichen Begabungen und das unterschiedliche Lerntempo von Kindern auf die drei klassischen Säulen unseres Schulsystems und ignorieren, dass diese drei Säulen nur sehr einfache Schablonen abgeben für ein differenziertes Förderangebot, das jedes Kind zu jeder Zeit dort abholt, wo es in seiner intellektuellen und sozialen Entwicklung steht.
Sie können ganz sicher sein, dass der Bildungssenator von Berlin, den Sie in Ihrem Antrag als Ihren Kronzeugen des Tages auserkoren haben, sich mit Grausen abwenden würde, wenn er die Folgen Ihrer Schulpolitik zu beurteilen hätte. Wer die Schulpolitik des Landes Berlin verfolgt hat, weiß auch, dass auch dort kein Denkverbot darüber besteht, ob auch längeres gemeinsames Lernen ein Mittel ist, um differenziert und am einzelnen Kind orientiert zu fördern. Dagegen wurde auch die sechsjährige Berliner Grundschule Ihrem bildungspolitischen Sprecher schon als Teufelswerk und Irrweg angeprangert. Aber Ihnen ist inzwischen schon jeder Strohhalm recht, um ihre ideologischen Scheuklappen behalten zu können.
Es wundert nicht mehr, mit welcher Verzweiflung sich die hessische CDU auf jedes Zitat stützt, das ihrer Auffassung nach die heilige unantastbare Kuh des gegliederten Schulsystems verteidigt. Es wundert eigentlich nur, mit welcher Beschränktheit Sie die vielen Äußerungen und Konzepte auch von Ihnen politisch nahe stehenden Persönlichkeiten ignorieren.
Rita Süßmuth unterstützt das Bündnis Eine Schule für Alle, das IFO-Institut verkündet über seinen Präsidenten Hans-Werner Sinn, man müsse die Debatte um die Gesamtschule neu führen, der Handwerkstag von Baden-Württemberg fordert eine gemeinsame Schule, die Hamburger CDU-Regierung löst die Hauptschulen auf und Lothar Späth fordert im Handelsblatt massive strukturelle Veränderungen und eine Umgestaltung des althergebrachten Drei-Klassen-Systems im Schulsystem.
Unter dem Titel: Es kommt langsam bei der Wirtschaft an berichtete der Spiegel über eine Studie des Economist zur Wirtschaftslage in Deutschland: Grundübel sei das dreigliedrige Schulsystem, das in den meisten anderen europäischen Ländern bereits überwunden sei. Anders als die Deutschen lange Zeit glaubten, führe es dazu, dass der soziale Aufstieg so beschwerlich sei wie in keinem anderen vergleichbaren Land. Die notwendigen Reformen würden durch die Ideologen verhindert, die am bestehenden System festhalten wollten.
Mir scheint, der Economist hat bei der hessischen CDU recherchiert. Sie wollen ein ideologisches Denkverbot in diesem Land und merken nicht, wie rund um Sie herum nachgedacht, geforscht und auch umgedacht wird. Sie wollen einen Popanz aufblasen und merken nicht, dass es bestenfalls naiv ist und im schlimmsten Fall bigott, wenn Sie von individueller Förderung reden aber Schubladendenken praktizieren.
Die Hessen-SPD streitet gerne mit Ihnen. Aber wir streiten nicht um Schulformen, sondern um bessere Konzepte. Unser Haus der Bildung sagt eben nicht, man müsse nur die Dreigliedrigkeit beseitigen, dann werde alles besser. Unser Haus der Bildung besteht aus vielen Bausteinen, die gleichen Chancen beim Zugang zu Bildung schaffen sollen. Da spielt der Anfang im Kindergarten und der Grundschule eine ebenso große Rolle wie die Förderung von Ganztagsschulen, die diesen Namen auch verdienen. Da ist eine neue Lehrerbildung ebenso zentral wie die Selbstverantwortung von Schulen. Und da stehen wir ebenso für eine Reform der beruflichen Bildung wie für die Festschreibung der Weiterbildung als vierte Säule des Bildungswesens in staatlicher Verantwortung.
Wir sind der Überzeugung, dass erfolgreiches Lernen sich messen muss an dem pädagogischen Prinzip des Umgangs mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und unterschiedlichen Leistungsniveaus. Und deshalb haben wir als einen Baustein unseres Hauses der Bildung auch die Sekundarstufe I in den Blickpunkt genommen. Dort werden weiterhin ungleiche Startchancen zementiert und es gelingt nicht, die vielfältigen Talente der Kinder zu entwickeln. Auch die besten methodischen Ansätze können nicht verhindern, dass die Verfasstheit des Systems den Bildungserfolg des einzelnen Kindes beeinflusst. Es ist folgerichtig, Schulen die Chance zu geben, auch diese Verfasstheit des Systems zu überwinden, um bestmögliche Ergebnisse für ihre Schülerinnen und Schüler zu erzielen.
Gemeinsames Lernen unterschiedlich begabter Kinder führt nicht zu Gleichmacherei sondern zu innerer Differenzierung und mehr Bildungschancen für alle. Diese brauchen wir dringend, wenn wir nicht nur schwächere Schüler fördern sondern auch die Leistungsspitze verbreitern wollen.