Rede von Petra Fuhrmann (SPD) zur Schwangerschaftskonfliktberatung in Hessen

Alle Bundesländer wissen seit dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil der Caritas-Diözese Osnabrück vom Juli 2003, dass anerkannten Beratungsstellen für Schwangere eine staatliche Förderung von mindestens 80 Prozent zusteht und diese Förderung von den Ländern zu tragen ist. Dass die Hessische Landesregierung für die Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung erheblich länger brauchte als andere Bundesländer ist zumindest mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zu erklären. Deshalb frage ich mich, ob die Landesregierung geschludert hat oder ihr das Thema nicht wichtig genug war. Dass geschludert wurde, ist offensichtlich, denn bereits im Sommer kursierte ein Richtlinienentwurf in Hessen, in dem meines Wissens die Bezugnahme auf das Urteil von 2003 gänzlich fehlte und dies, obwohl das Urteil dazu geführt hat, dass die Fallpauschalen von 50,55 € pro Beratungsfall in 2003 auf immerhin 118,27€ in 2004 mehr verdoppelt wurden.

Wahrscheinlich hat es aber auch deshalb so lange gedauert, weil der Landesregierung das Thema nicht wichtig genug war bzw. sie die Kosten scheute. Für uns war und ist diese Neuordnung und die öffentliche Förderung von Beratungsstellen wichtig. Frauen, die Hilfe suchen, weil sie sich in einer ausweglosen Situation befinden, brauchen schnell und kompetent Beratung. Keine macht sich die Entscheidung für oder gegen ein Kind leicht. Und es gibt nur ein sehr enges Zeitfenster, in dem Beratung stattfinden und gegebenenfalls ein Abbruch stattfinden kann. Deshalb tragen wir die Verantwortung dafür, dass ein ausreichendes Angebot wohnortnaher und pluraler Art vorhanden ist und die Träger nicht um jeden Cent betteln müssen, wenn sie diese Beratung anbieten.

Denn entgegen der vielfachen Beteuerungen der Ministerin haben die Träger in der Vergangenheit mit Kürzungen zu kämpfen gehabt. Im Rahmen der viel zitierten „Operation düstere Zukunft“ wurden z.B. die Zuschüsse für Pro Familia in Höhe von 95.000 € gestrichen! Konsequenzen: Wer sich heute an eine der 26 Beratungsstellen wendet, muss länger auf einen Termin warten, weil die rund 100 Teilzeitkräfte nebenher Verwaltungsaufgaben erfüllen müssen, die früher die Landesgeschäftsstelle in Frankfurt übernommen hatte. Zwei von drei Mitarbeiterinnen mussten gehen!

Als Ergebnis der einhelligen Kritik der Expertinnen und Experten der Anhörung fordern wir, dass der Gesetzentwurf überarbeitet bzw. nachgebessert wird. Die ExpertInnen waren – wie auch wir – der Meinung, dass die Umstellung des Förderverfahrens – weg von den Fallpauschalen hin zu einer (pauschalierten) Förderung der Personal- und Sachkosten der freien Träger, richtig ist. Es besteht auch kein Dissens darüber, dass wir ein Ausführungsgesetz dringend brauchen, um die Finanzierung auf eine feste Grundlage zu stellen.
Die folgenden Kritikpunkte wurden von Seiten des Kommissariats der katholischen Bischöfe, der Evangelischen Kirchen und Diakonischen Werke, der LIGA, Donum Vitae, dem DPWV und Pro Familia geäußert:

<ol type="1" style="MARGIN-TOP: 0cm"><li style="MARGIN: 0cm 0cm 0pt; TEXT-ALIGN: left; mso-list: l0 level1 lfo1; tab-stops: list 36.0pt"><span>Sowohl nach dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil wie auch dem Bundesgesetz haben die Träger einen Anspruch auf öffentliche Förderung von mindestens 80 Prozent. Sie aber lassen das kleine, aber nicht unbedeutende Wörtchen „mindestens“ im Gesetzentwurf wegfallen. Damit unterbinden Sie Ihre eigenen Ermessensspielräume, die bei eventuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Trägern vonnöten sein könnten. Deshalb fordern wir sie auf, das Wort in das Gesetz einzufügen.</span></li></ol>

<ol start="2" type="1" style="MARGIN-TOP: 0cm"><li style="MARGIN: 0cm 0cm 0pt; TEXT-ALIGN: left; mso-list: l0 level1 lfo1; tab-stops: list 36.0pt"><span>Sie beabsichtigen, die Regierungsbezirke als Versorgungsgebiete zu definieren. Dies wurde von den ExpertInnen mit Blick auf den ländlichen Raum, insbesondere in Nord-Hessen, als problematisch angesehen. Ich zitiere aus einer schriftlichen Stellungnahme: „Die Ev. Kirchen und Diakonischen Werke bitten das Land Hessen zu erwägen, ob der in § 4 Abs. 1 SchKG vorgesehene Schlüssel auf die Landkreise bezogen werden kann, um der Forderung der Pluralität, der Wohnortnähe und Angebotsstruktur besser Rechnung tragen zu können. Insbesondere unter Berücksichtigung des Anspruchs auf Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung von jungen Menschen sind wiederholt Bedarfe von Seiten der Diakonie vorgetragen worden. Gerade durch die Vernetzung innerhalb von Kirche und Diakonie könnten diese vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig betonten präventiven Aufgaben optimal geleistet werden.“ Warum tun sie sich damit so schwer? Ist Ihnen die Prävention nicht wichtig? Uns schon! Deshalb schließen wir uns dem Vorschlag an und fordern sie auf, die Landkreise als Versorgungsgebiete zu definieren.</span></li></ol>

<ol start="3" type="1" style="MARGIN-TOP: 0cm"><li style="MARGIN: 0cm 0cm 0pt; TEXT-ALIGN: left; mso-list: l0 level1 lfo1; tab-stops: list 36.0pt"><span>Ihr Einschub in § 2 Abs.2 (eine Beratungsfachkraft oder eine anerkannte Ärztin oder ein anerkannter Arzt für je 40.000 Einwohner) ist nicht gesetzeskonform. Wir fordern daher die Streichung der Erläuterung. Durch die Streichung wäre gewährleistet, dass anerkannte Ärztinnen und Ärzte, die im übrigen nur Schwangerschaftskonfliktberatung nach § 5 anbieten können, vollständig in die Versorgung einbezogen werden können. Allerdings sollten wir und darauf wurde in den Stellungnahmen mehrfach hingewiesen bedenken, dass Ärztinnen und Ärzte nicht als Vollzeit-Beratungskräfte anzusehen sind, sondern darüber hinaus ihren ärztlichen Versorgungsauftrag erfüllen müssen. Ich halte fest: Der Gesetzentwurf stößt auf Zustimmung, aber auch fundierte Kritik. Er ist mit heißer Nadel gestrickt und muss dringend nachgebessert werden.“</span></li></ol>