Wir tun etwas, und das trotz auch der inneren, quer zu den politischen Richtungen verlaufenden Trennlinien. Die Frage von Restriktionen der Tabakrauchemissionen stellt sich quer zu und in allen politischen Lagern und Ideologien natürlich auch in der SPD. Umso wesentlicher ist es, dass wir als erste Fraktion in einem Deutschen Parlament ein in sich konsistentes Gesetz zum Schutz vor Rauchemissionen vorgelegt haben. Das Einatmen von Tabakrauch ist die wichtigste vermeidbare Todesursache in Deutschland. Jährlich sterben etwa 140.000 Menschen an seinen Folgen, davon etwa 3300, die selbst nicht rauchen, allein durch das Passivrauchen. Auf Hessen herunter gebrochen sind 200 bis 250 Menschen durch Passivrauchen, jedes Jahr.
Tabakrauch enthält mindestens 4000 giftige Stoffe, davon mindest 70 mit krebserregender Wirkung. Die Feinstaubemission einer einzigen Zigarette kann die eines über drei Stunden laufenden Dieselmotors überschreiten. Bereits mit dem Abbrennen von nur drei Zigaretten würde man hier in diesem Saal eine Feinstaubdichte erreichen, die den Grenzwert der EU-Feinstaubrichtlinie überschreitet. Dabei gibt es für Tabakrauch keinen unteren, als unschädlich anerkannten Grenzwert. Tabakrauch verursacht Lungenkrebs, Rachenkrebs, Krebs von Mundhöhle, Kehlkopf und Speiseröhre, Brustkrebs und zehn weitere Krebsarten, Herzinfarkte, Schlaganfälle, obstruktive Lungenerkrankung, Magengeschwüre, vorzeitige Hautalterung, Osteoporose und Impotenz. Seit der Einführung eines Rauchverbotes in allen öffentlich zugänglichen Räumen in Italien ist dort die Herzinfarktrate um 10 Prozent zurückgegangen. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, um zu beweisen, dass der Schutz vor ungewolltem Einatmen von Tabakrauch sinnvoll ist, dann ist er damit erbracht.
Angesichts dieser Ausganglage sollte doch eines völlig unzweifelhaft sein: jeder Mensch, ob Raucher oder Nichtraucher, hat ein Recht darauf, keinen Tabakrauch einatmen zu müssen, wenn er keinen Tabakrauch einatmen will. Das Recht des Nichtrauchers wie des gerade nicht Rauchenden auf emissionsfreie Luft ist unverbrüchlich.
Und es kann nur erreicht werden, indem nicht geraucht wird. Selbst modernste lüftungstechnische Anlagen sind nicht in der Lage, einen wirksamen Schutz zu erreichen. Bei konstanter Rauchentstehung müssten Räume schon mit Tornadostärke durchgeblasen werden, um Tabakrauch wirksam zu entfernen. Deshalb gibt es nur einen Weg: kein Qualm in Räumen. Das muss zumindest überall dort gelten, wo Menschen sich aufhalten müssen und ganz besonders, wo die öffentliche Hand betroffen ist. Deshalb sieht unser Gesetzentwurf in allen öffentlichen Bereichen, in denen der Landesgesetzgeber tätig werden kann und muss, ein klares Rauchverbot zum Schutz von Rauchern und Nichtrauchern vor passiver Rauchbelastung vor. Und das ist auch gut so.
In der Verfassung der Freiheit schreibt Friedrich August von Hayek: "Es ist eine Tatsache, dass Zwang nur dort auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden kann, wo zu erwarten ist, daß die Individuen sich freiwillig nach gewissen Grundsätzen richten. Tatsächlich aber stellen wir fest, dass genau das nicht von alleine funktioniert. Tatsächlich stellen wir fest, dass an Orten geraucht wird, wo andere passiv mitrauchen müssen, wenn sie sich nicht zurückziehen wollen oder können. Das ist den Rauchern kaum vorwerfbar. Schließlich gab es über Jahre einen breiten Konsens, dass Rauchen überall erlaubt sei, galt Zigaretten nach dem Essen anzubieten als Selbstverständlichkeit guter Gastlichkeit. Wenn man sich die Wirkungen von Tabakrauch reflektiert, ein wahrlich eindrucksvoller Marketingerfolg. Unsere Toleranz gegenüber Tabakrauchemissionen wird geradezu absurd, wenn wir uns besinnen, mit welcher Aufregung wir auf andere, tatsächlich oder vermeintlich schädliche Substanzen reagieren. Beispielsweise Medikamente, die selbstverständlich trotz einer nützlichen Wirkung bei geringsten Hinweisen auf ernste Gefahren vom Markt genommen werden. Beispielsweise Nahrungsmittel, bei denen der bloße Verdacht einer Verunreinigung zu Recht zu massiven Wirkungen führt. Beispielsweise im Umweltrecht, wo wir die willkürliche oder nur fahrlässige Gefährdung durch Emissionen untersagen und sogar strafrechtlich sanktionieren und das bei Risiken und Dosierungen, die um Zehnerpotenzen geringer sind. Oder Beispielsweise im Straßenverkehr, wo wir ein Dritte gefährdendes Verhalten sogar mit Gefängnis sanktionieren.
Das alles ist, ich will es noch einmal betonen, kein Vorwurf an Raucher. Raucher verhalten sich bislang konform mit einer gesellschaftlichen Gewohnheit. Es ist die Absurdität dieser Gewohnheit, die das Problem ausmacht. Deshalb geht es entgegen häufiger Missverständnisse auch nicht um Tabakprohibition. Das ist wenig sinnvoll und kaum durchsetzbar, und es gibt auch ein Recht auf körperliche Selbstbestimmung, ein Recht, mit dem eigenen Körper richtig oder falsch umzugehen. Jedenfalls bei aufgeklärten Erwachsenen, und daraus folgt einerseits die zusätzliche Forderung nach mehr, nach besserer, nach erfolgreicherer Aufklärung, und es folgt die Forderung nach konsequentem Jugendschutz. Warum raucht jemand? Neuraucher über 20 Jahren sind eine Seltenheit. Mittlerweise ist das Einstiegsalter bei 11,6 Jahren angekommen. Offenbar bleibt der Jugendschutz unzureichend, wenn es darum geht, den Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Tabak zu verhindern. Zugleich stimmen laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum manche Zigarettenhersteller Werbung und Zusammensetzung gezielt auf Kinder und Jugendliche ab, und rauchende Teenageridole erhöhen die Rauchwahrscheinlichkeit um das 16-fache. Darüber hinaus finden sich wissentlich hinzugefügte Beimischungen, die unzweifelhaft die Entstehung einer echten Nikotinsucht gerade bei Kindern und Jugendlichen noch erhöhen.
Kinder und Jugendliche bewusst an das Rauchen heranzuführen, ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verbrechen. Hier ist der Gesetzgeber auf allen Ebenen gefordert, jeder in seiner Zuständigkeit auch wir in unserer. Biologisch ist Nikotin eine Neurotrope, also eine die Nervenzellen beeinflussende Substanz. Sie reagiert mit einem spezifischen biologischen Rezeptor und löst schon fast sprichwörtliche körperliche Effekte aus, wenn sie an Karikaturen von kleinen Jungs, die sich an einer von Vaters Zigarren vergangen haben, denken. Die Gewöhnung an Nikotin geht wie bei vielen solchen Substanzen – einher mit einer messbaren körperlichen Anpassung: die Zahl der Nikotinrezeptoren nimmt ab. Nach einer gewissen Zeit wird Nikotin notwendig, um ein normales Gleichgewicht zu erhalten. Das plötzliche Anfluten durch Aufnahme über die Lunge löst darüber hinaus die beruhigende Wirkung über zentrale Rezeptoren aus, für die ebenfalls eine Gewöhnung entsteht. Kommen diese Rezeptoren in einen Mangelzustand, so fordern sie Nikotin an und machen sich durch vorübergehend körperliche Beeinträchtigung und Unwohlsein bemerkbar. Alle Raucher kennen diesen Zustand, wenn nachts keine Zigaretten im Haus sind. Es ist dieser physiologische Aspekt, der das Problem erst schwierig macht. So wie wir uns vor Kälte und Hunger schützen, so wie Menschen viel Energie darauf verwenden können, so schützen sich Nikotinrezeptoren vor einem Mangelzustand. Das Ergebnis sind heftige Auseinandersetzungen mit kreativen Rationalisierungen. Tabakkonsum wird stilisiert zum Symbol von Freiheit und Abenteuer, zur freien Entscheidung für den letzten Genuss, Rauchen symbolisiert den unabhängigen Geist, den Querdenker.
Meine Damen und Herren, es geht nicht um Prohibition. Ob Sie verehrte Raucherinnen und Raucher, weiterhin rauchen, soll Ihre Sache sein. Zwar möchte ich Ihnen aus medizinischen Gründen den Verzicht anraten. Zwar wünsche ich Ihnen, dass Sie nicht Opfer einer der daraus folgenden Krankheiten werden. Humphrey Bogart qualmte heroisch auf dem Flugplatz von Casablanca, aber er starb elend und viel zu früh an Lungenkrebs.
Aber wer rauchen will, der möge rauchen. Wer aufhören will, der soll alle Hilfe dazu bekommen, weil es nicht so einfach und mindestens mit erheblichen Investitionen zu Gunsten der Bekleidungsindustrie verbunden ist. Natürlich löst ein solches Gesetz nicht alle Probleme mit dem Rauchen, und ich will auch nicht verschweigen was fehlt: Unterschiedlich gewichten kann man die Frage eines Rauchverbotes in Gaststätten, weil hier das Konzept der Teilhabemöglichkeit für alle, eben auch die, die Rauch nicht vertragen, betroffen ist. Ich persönlich hätte lieber auch ein Rauchverbot in Gaststätten aufgenommen. Ich respektiere aber auch, dass gesellschaftlicher Bewusstseinswandel seine Zeit braucht. Und das Thema ist emotional und konflikthaft, dass kann ich ihnen sagen. Mit einem solchen Verstoß erlebt man alles, von gleichermaßen heftiger wie unerwarteter Zustimmung bis zu ebenso engagierter Kritik. Eine Email vergleicht den Schutz vor Passivrauchen mit stalinistischer Diktatur, und die nächste beschimpft mich als Tabaklobbygekauften Kettenraucher, weil die Gaststätten nicht im Gesetzentwurf stehen.
Warum wollen diejenigen, die ein solches Gesetz ablehnen, eigentlich Raucher wie Nichtraucher diesem vermeidbaren Konflikt aussetzen? Nichtraucher haben ein Recht darauf, ohne eigenes Zutun, ohne es einfordern zu müssen tabakrauchfreie Luft zu atmen. Sie haben ein Recht darauf, nicht erst den Konflikt suchen und austragen zu müssen, wo nun wie viel Tabakrauch zumutbar ist und wo nicht. Wir sprechen über die wichtigste vermeidbare Todesursache. Aber auch Raucher schützt unser Gesetz. Wollen Sie wirklich weiterhin die Raucher der täglichen Debatte, Bemerkungen, Sticheleien aussetzen? Es ist gerade kein Rauchermobbing, wenn der Gesetzgeber für eine klare Regel sorgt. Es vermeidet gerade die Kleinkriege auf dem Flur, die Konflikte und den Streit, weil es in einer hochemotionalen, hoch konflikthaften Frage verbindliche Regeln aufstellt. Man mag die Regel nicht mögen, aber in jedem Fall führt sie an einer Stelle, wo das Ergebnis unzweifelhaft ist, zu Klärung.
Was ist das für eine Zumutung an die Menschen, sie mit der Frage allein zu lassen? Einen ersten Schritt können wir selber tun, dort, wo es uns selbst betrifft. Deshalb fordere ich Sie, Herr Präsident, auf: machen Sie von Ihrem Hausrecht Gebrauch. Sorgen Sie hier, heute, jetzt für einen rauchfreien Landtag wie in Italien.
Die SPD-Fraktion ist mit diesem Gesetzentwurf einen mutigen Schritt vorangegangen. Sie hat sich in einer Frage, die viele Menschen bewegt, klar zum Schutz all derer bekannt, die keinen Tabakrauch einatmen möchten, und sie wird diesen Weg weitergehen. Ich lade Sie alle ein: geben Sie sich einen Ruck, gehen Sie mit uns, und lassen Sie uns nach Anhörung und Beratung zu einer gemeinsamen Lösung kommen. Damit Hessen wieder ganz vorn ist beim Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in Hessen