Als höchst interessant und beeindruckend bewertete der SPD-Fraktionsvorsitzende Gerhard Bökel anschließend den Besuch. "Der Kern des Erfolgs der Finnen liegt nach Ansicht der finnischen Unterrichtsministerin Majia Rask und unserer weiteren Gesprächspartner vor allem darin, dass von Lappland bis Helsinki allen Kindern die selbe Förderung geboten wird. Darin, dass Ausgrenzung und Auslese schwächerer Schüler strikt vermieden werden. In einem hohen Ansehen der Lehrer und deren hervorragender Ausbildung. Und schließlich in einem gut funktionierenden Bibliothekswesen", sagte Bökel.
Die siebenköpfige Delegation der SPD-Fraktion unter Bökels Leitung war die erste Besuchsgruppe deutscher Parlamentarier in Finnland nach Veröffentlichung der Pisa-Studie. Auf dem Programm standen Besuche bei allgemeinbildenden Schulen, bei einer Berufsschule, beim Zentralamt für Unterrichtswesen, in der Universität Helsinki sowie ein Gespräch mit der finnischen Unterrichtsministerin Maija Rask.
Bökel sprach sich dafür aus, die finnischen Erfahrungen intensiv in die deutsche Bildungsdiskussion einzubringen. "Insbesondere die konservativen Bildungspolitiker müssen endlich erkennen, dass ihre Politik der immer stärkeren Auslese in eine Sackgasse führt. Gerade Hessen ist hier auf dem falschen Weg. Wenn Frau Wolff wachen Auges nach Finnland fliegt, wird sie feststellen, dass alle ihre Bestrebungen zu mehr Auslese falsch sind."
Die SPD fordere, die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen zu erhöhen: "Sicherlich können wir nicht das finnische Schulsystem nach Deutschland übertragen – denn das hieße die flächendeckende Einführung der integrierten Gesamtschule. Aber wir können uns durch ein Höchstmaß an Durchlässigkeit annähern", sagten Bökel und der schulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Lothar Quanz.
Wichtig sei, dass die Schulen mehr Verantwortung für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler übernehmen. "Das Durchreichen schwächerer Kinder in Schulen mit niedrigerem Niveau ist die falsche Lösung. Individuelle Förderung ist möglich. Sie hilft schwachen Kindern und gefährdet in keiner Weise den Lernerfolg der Starken."
Die finnischen Erfahrungen sind nach Bökels und Quanz‘ Auffassung in vielen Teilen übertragbar. Die SPD werde die Finnland-Reise weiter auswerten, um diese in das Wahlprogramm einfließen zu lassen. Als Beispiele nannten die Politiker:
Die hessische SPD habe mit ihren Konzepten zur Ganztagsschule und zur Einrichtung einer Vorschule Vorschläge unterbreitet, die mit dem finnischen Erfahrungen gut vereinbar seien. "Dem Aspekt der intensiveren Förderung, der in Finnland durch integrierte Gesamtschulen umgesetzt wird, wird in unserem Schulsystem die Ganztagsschule am ehesten gerecht. Sie ermöglicht, auf die individuellen Stärken und Schwächen der Schüler einzugehen." In Finnland sei im übrigen zu sehen, wie problemlos organisatorische Fragen, beispielsweise die Versorgung der Schulen mit einem regelmäßigen Mittagstisch, zu lösen seien.
Auch dem Thema der früheren Bildung werde in Finnland Rechnung getragen. Dort sei inzwischen eine freiwillige Vorschule eingerichtet worden, die von deutlich über 90 Prozent der Kinder besucht werde. "Angesichts der deutschen Migrationsprobleme, die Finnland in dieser Form nicht kennt, halten wir es für erforderlich, alle Kinder in die von uns konzipierte Vorschule zu schicken", so Quanz und Bökel.
Mit dem Besuch in Helsinki unterstreiche die hessische SPD ihren Anspruch, Motor der bildungspolitischen Diskussion in Hessen und darüber hinaus zu sein. "Wir müssen in der nächsten Legislaturperiode die Weichen dafür stellen, damit sich ein deutscher Misserfolg wie in der Pisa-Studie nicht wiederholt. Die amtierende Landesregierung ist dazu nicht in der Lage. Sie ignoriert die Fakten und vollzieht abgesehen von der Unterrichtsabdeckung eine ausschließlich ideologisch geprägte Schulpolitik, welche die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Pisa nicht zur Kenntnis nimmt und damit den künftigen Herausforderungen nicht gerecht wird."
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<li>Der Grundsatz der Förderung vor Auslese muss fest geschrieben werden</li>
<li>Die Lehrerausbildung muss reformiert werden, pädagogische Anteile müssen einen höheren Stellenwert bekommen, um besser auf den Umgang mit Schülern vorzubereiten..</li>
<li>Referendare dürfen nicht mehr in derzeitigem Umfang als Ersatz für fertig ausgebildete Lehrer in Anspruch genommen werden, sondern brauchen mehr Unterstützung und Begleitung durch berufserfahrene Kolleginnen und Kollegen.</li>
<li>Die berufsbegleitende Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer muss verbessert werden.</li>
<li>Im Wettbewerb der Schulformen müssen integrierte Systeme materiell und personell gut ausgestattet weiterhin eine Chance haben als wirkliche pädagogische Alternative.</li>
<li>Die Autonomie der Schulträger und der einzelnen Schulen muss erhöht werden.</li>
<li>Den Schulen muss mehr Raum für eigene Profilbildung eingeräumt werden, zentralistische Vorgaben sind auf ein Mindestmaß zu beschränken.
<li>Fremdsprachenkenntnisse müssen früher vermittelt werden.</li>
<li>Das Bibliothekswesen muss gepflegt und verbessert werden.</li>
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