Fuhrmann: Gewaltschutz dringend erforderlich – Koalition von der SPD getrieben

"Das Thema Platzverweis ist ein typisches Beispiel dafür, dass diese Regierung "es einfach nicht kann"! Die Regierungsfraktionen – wohlgemerkt nicht die Regierung – sind endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und haben doch tatsächlich einen Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeigesetzes zum Schutz vor häuslicher Gewalt vorgelegt, nachdem die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf eingebracht hat.

Die hessische Landesregierung war noch vor einem Jahr gegen eine Änderung des Polizeigesetzes. Hauptbedenkenträger Herr Hahn (FDP) musste beim Thema "Platzverweis" – ich zitiere: "innerlich grinsen". Das zuständige Ministerium schien noch im Dezember 2002 mit einem Erlass zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt – der mir trotz mehrfacher Nachfrage noch immer nicht zur Verfügung gestellt wurde – völlig zufrieden.

Allem Anschein nach wurde die Koalition erst durch unsere Große Anfrage betreffend Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich vom 4. Dezember aus dem Schlaf gerissen. Die Koalition hat ein Jahr verstreichen lassen, um dann das zu tun, wozu die Opposition sie aufgefordert hatte und das abzuschreiben, was wir bereits in den Landtag eingebracht hatten.

Wir wollen erreichen, dass Frauen bis zur gerichtlichen Entscheidung möglichst angstfrei zu Hause wohnen können. Jährlich sind bundesweit etwa 45.000 Frauen von häuslicher Gewalt betroffen, in Hessen etwa 2200 Frauen mit ihren Kindern. Die Dunkelziffer wird sicher noch weit höher liegen, denn nicht immer kommt es zur Anzeige, nicht immer wird die Polizei gerufen, um den Schutz von Frauen zu gewährleisten.

Viel zu lange wurde Gewalt in der Familie tabuisiert, wurde häusliche Gewalt als interne Familien- oder Privatangelegenheit betrachtet. Ein Gewaltschutzgesetz, das den Tätern deutlich macht, die Gesellschaft toleriert ihr Verhalten nicht, der unmittelbar die Konsequenzen seines/ihres Handels zu spüren bekommt, war lange überfällig. Und es ist ein Gesetz, das insbesondere Frauen, egal ob verheiratet oder nicht, besser schützt, denn rund 85 Prozent der Geschlagenen sind Frauen!

Das Gesetz, das am 1.1.2002 in Kraft getreten ist, regelt zwar die Wohnungsüberlassung nach dem Grundsatz "der Schläger geht, die Geschlagene bleibt", doch bis zur zivilgerichtlichen Entscheidung gilt in Hessen bislang nur eine Generalklausel, die eine "vorübergehende" Wegweisung des Täters vorsieht. Das reicht nicht, und das habe ich Ihnen auch schon im Februar 2001 gesagt!

"Vorübergehend" ist ein dehnbarer Begriff – es kann 2 Stunden oder eine Woche bedeuten. Es stellt sich also die Frage, wie die Wegweisung in der Praxis funktioniert. Und hier sieht es in Hessen, wie mir verschiedene Frauenbeauftragte berichtet haben, düster aus: In den meisten Fällen stehen die Peiniger schon nach kurzer Zeit wieder vor der Türe. Den Frauen bleibt, wenn sie überhaupt dazu körperlich in der Lage sind, kaum Zeit ihr Trauma zu verarbeiten und sich der Probleme bewußt zu werden.

Hinzu kommt die schreckliche Angst vor weiterer Gewalt, die zur Flucht in ein Frauenhaus oder zu Angehörigen führt. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass wir auch weiterhin Frauenhäuser brauchen, d.h. diese durch das Gewaltschutzgesetz oder die Platzverweis-Regelung mitnichten überflüssig werden. Vielmehr sind wir auf Frauenhäuser in Fällen, in denen eine Gefahr für Leib und Leben der Frau oder der Kinder besteht, dringend angewiesen und müssen für eine angemessene Finanzierung durch das Land sorgen.

Wir können nicht darauf warten, dass es zum Äußersten kommt, dass Frauen ums Leben kommen.

Wir müssen handeln und die gesetzlichen Grundlagen schaffen, um den Gewalttäter dauerhaft und langfristigen aus der Wohnung und der unmittelbaren Umgebung der Wohnstätte fern zu halten. Wir brauchen den umfassenden Schutz für die Opfer jetzt sofort!

Im neuen Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen, das seit 1.1.2002 in Kraft ist – das hätte ich mir auch in Hessen gewünscht! – kann die Polizei dem Täter sofort Hausverbot für 10 Tage erteilen. Sie kann dem Täter die Wohnungsschlüssel abnehmen und die Auswechslung der Schlösser veranlassen. Sie erkundigt sich innerhalb der 10 Tage mindestens einmal, ob das Verbot eingehalten wurde und berät die Opfer über ihre rechtlichen Möglichkeiten, nennt Beratungs- und Anlaufstellen. Was in NRW geht, sollte auch in Hessen möglich sein.

Warum nicht übernehmen, was sich bewährt hat? Modellversuche hin und her, Hessen braucht jetzt die landesrechtliche Regelung, welche die Opfer unmittelbar nach der Tat schützt, bis durch das Gericht entsprechende Schutzmaßnahmen erlassen werden."