"Ich möchte der kritischen Würdigung der Naturschutznovelle von Minister Dietzel fünf Bemerkungen voran stellen und später im Einzelnen begründen.
1.Die Ziele der Nachhaltigkeit (in Verantwortung für die künftigen Generationen) und der Oközentrismus ("die Natur auf Grund ihres eigenen Wertes zu schützen") im Paragraphen 1 des Gesetzentwurfes erweisen sich als Makulatur.
2.Die Landesregierung baut den Naturschutz als Feindbild gegenüber der Landwirtschaft auf.
3.Die Landesregierung ist weitgehend beratungsresistent.
4.Die Landesregierung schwächt den ehrenamtlichen Naturschutz
5.Das einzige Biotop, das die Landesregierung schützt, ist der Kompetenzen-Dschungel.
Bemerkung zu 1.:
Ich habe mich zunächst darüber gefreut, dass im § 1 des Gesetzentwurfes zwei wichtige Prinzipien des Naturschutzes enthalten sind, entsprechend dem Bundesnaturschutzgesetz. Das Prinzip der Nachhaltigkeit: Natur und Landschaft in Verantwortung für zukünftige Generationen zu schützen. Zum zweiten: das Prinzip Natur und Landschaft auf Grund ihres eigenen Wertes zu schützen, der sog. Ökozentrismus.
Wenigstens was die Begrifflichkeit angeht, ist hier ein Lernfortschritt bei CDU und FDP erkennbar. Als 1994 die Formulierung in das Naturschutzgesetz aufgenommen wurde "Natur und Landschaft um ihrer selbst willen zu schützen" war das Anlass für die CDU, eine Kampagne unter dem Begriff "Ökodiktatur" vom Zaun zu brechen.
Jetzt wieder zum Gesetz zurück: Trotz der positiven Formulierungen. An zwei Beispielen will ich belegen, dass sie Makulatur sind:
1. Es fehlt das Ziel, Natur und Landschaft wiederherzustellen.
In der Begründung heißt es dazu lapidar: dieser Auftrag sei zu pauschal und zu unbestimmt. Dass die Wiederherstellung von Natur nicht mehr zu den Zielen des hessischen Naturschutzgesetzes zählen soll, verstößt klar gegen das Rahmengesetz des Bundes. Und: Gerade die Wiederherstellung der Natur ist allerdings ein Merkmal für Nachhaltigkeit.
2. Der absolute Vorrang des Vertragsnaturschutzes.
Grundsätzlich: Vertragsnaturschutz in Hessen wird bereits seit mehr als einem Jahrzehnt in Hessen erfolgreich praktiziert. Er ist ein Instrument, das in bestimmten Gebieten dazu gehören sicher FFH-Gebiete hervorragend eingesetzt werden kann. Allerdings kann nicht auf ordnungsrechtliche Maßnahmen bei der Schutzgebietsausweisung verzichtet werden, wenn es beispielsweise um Betretungsregelungen geht. Hier verwechseln Sie Ziele und Instrumente im Naturschutz. Aber: für Lebensräume mit langer Regenerationsdauer sind vertragliche Vereinbarungen nur mit langfristiger Absicherung sinnvoll. Dass Sie das überhaupt nicht anstreben, geht aus den Eingriffsregelungen hervor: Danach gilt es nicht als Eingriff, wenn nach Ablauf einer vertraglichen Vereinbarung die Bodennutzung ohne Bewirtschaftungsbeschränkung wieder aufgenommen wird.
Also, keine Rede mehr davon wie in § 1, Natur und Landschaft dauerhaft zu schützen.
Zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen im Naturschutz fällt dem Minister lediglich ein, dass Aufwand und Zweck der Maßnahme in angemessenem Verhältnis zueinander stehen müssen. Damit will der Minister rechtsverbindlich "Naturschutz mit Augenmaß" einfordern, heißt es in der Begründung. Grundlage einer jeden Behörden-Entscheidung ist die Verhältnismäßigkeit. Das ist eine Selbstverständlichkeit, die nicht ins Gesetz gehört.
Eine dämlichere Begründung konnte Ihnen wirklich nicht einfallen. Sie zeigt allerdings deutlich, dass die Ziele "Natur und Landschaft um ihres eigenen Wertes und in Verantwortung für zukünftige Generationen zu schützen" nur leere Formulierungen und damit Makulatur sind.
Bemerkung zu 2.:
Die Landesregierung baut den Naturschutz als Feindbild gegenüber der Landwirtschaft auf.
Der Minister spricht zwar unentwegt davon, Kooperation statt Konfrontation wolle er mit dem Gesetz anstreben. Aber es spricht eine andere Sprache. Denn: Im Vorblatt heißt es bei den landesspezifischen Eckpunkten: Die Position der land- forst- und fischereiwirtschaftlichen Betriebe bei naturschutzrechtlichen Belastungen wird insgesamt verbessert. Damit ist auch folgendes klar: bei Konflikten zwischen Landwirtschaft und Naturschutz, die es immer wieder geben wird, findet keine Abwägung mehr statt. Im Konfliktfall wird gegen den Naturschutz entschieden.
Bemerkung zu 3.:
Die Landesregierung ist weitgehend beratungsresistent
Von den vielen Kritikpunkten, die gerade die Naturschutzverbände vorgebracht haben, findet sich kaum etwas im Gesetzentwurf wieder. Dazu zwei Beispiele: Die Landschaftsrahmenplanung wird abgeschafft. Die Einvernehmensregelung mit den Naturschutzbehörden bei der Genehmigung von Eingriffen wird durch eine Benehmensregelung ersetzt.
Lediglich bei der Liste der gesetzlich geschützten Biotope hat es Einsichten gegeben. Die Biotope aus dem alten Paragraphen 23 werden nun vollständig in den neuen § 15d übernommen; d.h. Alleen, Streuobstwiesenbestände, Feldgehölze und landschaftsprägende Einzelbäume bleiben weiterhin geschützt.
Bemerkung zu 4.:
Die Landesregierung schwächt den ehrenamtlichen Naturschutz. Die Überschrift des § 32 "Betreuung von Schutzgebieten" wird um den Begriff "Ehrenamt" ergänzt. Dort geht es um die ehrenamtlichen Mitglieder der Naturschutzwacht, die bei der Ausübung des Dienstes als Angehörige der Naturschutzbehörde im Außendienst anzusehen sind. Das ist aber auch die einzige Anerkennung von ehrenamtlich Tätigen im Naturschutz. Überall dort, wo Ehrenamtliche im Naturschutz ihre Fachkompetenz einbringen und bei Entscheidungen bisher beteiligt waren, werden ihre Kompetenzen beschnitten.
Selbst der Landesjagdverband, der bisher nicht als Kritiker dieser Landesregierung aufgefallen ist, kritisiert die Abschaffung des Devolutionsverfahrens für die Naturschutzbeiräte.
Die Beteiligungsrechte der Naturschutzverbände werden reduziert.
Es wird das Verbandsklagerecht im § 36 gestrichen.
Es ist nicht so, wie in der Pressemeldung des Ministers behauptet, dass durch die Regelungen im Bundesnaturschutzgesetz der § 36 entfallen kann.
Er hat einen weiteren Umfang als die Regelung des Bundesnaturschutzgesetzes. Außerdem heißt es dort: (§ 61, Abs.5) Die Länder können Rechtsbehelfe von Vereinen auch in anderen Fällen, in den nach § 60 Abs.2 die Mitwirkung der Vereine vorgesehen ist, zulassen.
Ich bin gespannt, ob sich die FDP erneut gegen den Minister und für die Naturschutzverbände durchsetzen kann.
Bemerkung zu 5.:
Das einzige Biotop, das diese Landesregierung schützt, ist der Kompetenzen-Dschungel.
Dirigismus beseitigen und Deregulierung heißen die Zauberworte des Ministers für seinen Gesetzentwurf.
Schauen wir uns an zwei bekannten Beispielen an, was Sie darunter verstehen.
1. Benehmen statt Einvernehmen der Naturschutzbehörden bei der Genehmigung von Eingriffen.
Das wird im Rahmen von Planungsgenehmigungen nicht zu einer Vereinfachung oder zur Beschleunigung führen. Es wird zur Verfahrensunsicherheit führen und das Klagerisiko erheblich erhöhen. Die landespolitischen Konsequenzen, gerade für große Eingriffe, wie den Flughafenausbau sind ganz erheblich.
2. Die Landschaftsplanung
Die Landschaftsrahmenpläne sollen durch ein Landschaftsprogramm ersetzt werden.
Das Landschaftsprogramm soll nicht vom zuständigen Ressortminister als Fachplan für Naturschutz und Landschaftspflege, sondern von der Landesregierung beschlossen werden. Damit wird die oberste hessische Naturschutzfachplanung von Beginn an den Interessen anderer Verwaltungen ausgeliefert. Klare Zielsetzungen und eine eindeutige Zuständigkeit sind nicht mehr zu erkennen.
Zum Abschluss:
Die Naturschutzgesetz-Novelle enthält erhebliche Verschlechterungen gegenüber dem bisherigen Naturschutzgesetz. Die Rahmen des Bundesnaturschutzgesetzes wird nicht ausgeschöpft, wie die Verbandsklage zeigt. Wir sind sicher, dass im Rahmen der Anhörung erhebliche Kritik an diesem Gesetzentwurf vorgebracht werden wird. Mit seinen jetzigen Inhalten kann und darf es nicht beschlossen werden.