Kahl: Finanzpolitik unter dem Motto „nach uns die Sintflut“ 40 Prozent mehr Schulden durch Nachtrag 2001

"Die hessische Finanzpolitik ist zu einer großen Belastung für die Landesregierung geworden. Der Nachtrag 2001 offenbart das Scheitern der Politik des Finanzministers auf ganzer Linie, oder knapp und deutlich ausgedrückt: Sie können es schlicht nicht. Wie beim verabschiedeten Haushalt 2002 reduziert sich im Kern die Anwort der Finanzpolitik dieser Regierung auf die aktuellen Herausforderungen auf das schlichte Motto "Mehr Schulden, nach uns die Sintflut".

In den beiden ersten Jahren ihrer Regierungsverantwortung stand die Finanzpolitik nicht so sehr im Vordergrund. Durch deutliche Steuermehreinnahmen nach Länderfinanzausgleich – rund 1,6 Mrd. DM – konnten sie aus dem Vollen schöpfen. Mahnende Worte, wurden ignoriert. Die zentralen Fehler ihrer ersten beiden Haushalte rächen sich jetzt bitter. Erstens haben Sie den Konsolidierungskurs leichtfertig aufgeben und zweitens haben Sie nicht ausreichend Vorsorge für die kommenden Jahre getroffen. Heute zeigt sich, dass wir mit unserer Kritik an den Haushalten 1999 und 2000 Recht hatten.

Das zweite Halbjahr 2001 präsentiert dem Parlament und der Öffentlichkeit einen hessischen Finanzminister, der mit zunehmender Geschwindigkeit seine Positionen korrigieren muss. "Sprunghaft, windig, wirr", so ist ein Kommentar der FAZ überschrieben. Innerhalb einer knappen Woche mußte sich der Minister um 1,4 Mrd. DM korrigieren. Dies ist wohl ein einsamer Rekord eines Finanzministers.

Den vorläufigen Höhepunkt fand die neue hessische Finanzpolitik dann in der Beurlaubung eines Beamten des Ministeriums, die aber offensichtlich zu Unrecht erfolgte. Es war jedoch nur ein unzureichendes Ablenkungsmanöver von den eigenen Fehlern auf Kosten eines hochqualifizierten und loyalen Beamten. Sehr wahrscheinlich sogar auf allerhöchsten Rat des Ministerpräsidenten nach der Devise dieser Regierung: "Schuld sind immer die anderen."

Herr Finanzminister, Sie hatten entschieden, dass der Nachtrag wenige Tage vor der Quartalsabrechnung und auf der äußerst wackeligen Basis der eigenen Berechnung von angeblich nur 700 Mio. DM Rückzahlung vorgelegt wurde. Dieser Nachtrag kann ihnen in dieser Form gar nicht von ihren Mitarbeitern aufgezwungen worden sein. Es war ihre eigene Entscheidung und damit auch ihre politische Verantwortung, zu der Sie sich weigern zu stehen.

Beim Länderfinanzausgleich geht der Nachtrag von einer Zahlungsverpflichtung von 5,047 Mrd. DM aus. Nach der Steuerschätzung sollen die LFA-Zahlungen aber bei 4,557 Mrd. DM liegen, also 490 Mio. DM unter ihrem Ansatz. Nun mag es so sein, dass durch die festgelegten Vorauszahlungen Hessen kassenmäßig den Betrag von rund 5 Mrd. DM bis zum Jahresende als Vorauszahlung entrichten muss. Dies würde aber auf der jetzigen Basis dazu führen, dass Hessen in dieser Höhe von 490 Mio. DM eine Rückzahlung im ersten Quartal zu erwarten hätte. Dies werden wir genau beobachten mit der klaren Forderung, dies zur Senkung der Nettokreditaufnahme zu verwenden und nicht als finanzielles Polster im Vorwahljahr oder für konsumtive Ausgaben zu nutzen.

Durch Ihren Nachtragshaushalt steigt die Nettoneuverschuldung um 510 Mio. DM. Dies ist eine Ausweitung um rund 40 %. Wo bleiben denn da die Reden und Sprüche über die angeblich niedrigste Nettoneuverschuldung seit Jahren ?Eine solche Steigerung der Nettoneuverschuldung auf nunmehr über 1,8 Mrd. DM ist nur deshalb zulässig, weil Sie durch den Wiedereinstieg in die Helaba die Investitionsquote rein formal um 600 Mio. DM angehoben haben. Da der Wiedereinstieg des Landes in die Helaba aber durch Vermögensverkauf bezahlt wurde, bleibe ich bei meiner Aussage: Der Nachtrag ist im Kern verfassungswidrig, da die Nettoneuverschuldung die tatsächlichen Eigeninvestitionen deutlich übersteigt.

Auch die mittelfristige Finanzplanung dieser Landesregierung wird durch den Nachtrag und den Haushalt 2002 negativ belastet. Die Nettoneuverschuldung der beiden ersten Jahre der fünfjährigen Finanzplanung der Landesregierung wird von 1315,8 Mio. EUR um stolze 32 % auf nunmehr 1743,2 Mio. EUR unverantwortlich ausgeweitet. Mit dieser Erhöhung der Nettoneuverschuldung haben sie schon rund zwei Drittel der geplanten Neuverschuldung des Jahres 2003 verbraucht.

Der Nachtrag 2001 ist von seiner Entstehung eine einzigartige Blamage für diese Regierung und im Ergebnis eine Ermächtigung zur Aufnahme von noch mehr Schulden. Allein das vom Finanzminister angerichtete Chaos ist schon ausreichender Beweis dafür, dass Hessen eine bessere Regierung verdient hat."