SPD fordert Qualitätsoffensive in der Landwirtschaft

"Um dauerhaft zum einen Verbraucherschutz zu gewährleisten, zum anderen den Bauern Absatzchancen ihrer Produkte zu gewährleisten, brauchen wir Qualitätssi-cherungssysteme in allen landwirtschaftlichen Betrieben für alle landwirtschaftlichen Produkte, selbstverständlich auch für Obst und Gemüse. Das ist ein ehrgeiziges Ziel und wir fordern die Landesregierung auf, sich auf diesen Weg der Qualitätsoffensive zu begeben.

Lassen wir Revue passieren, was wir im letzten Jahr nach dem ersten BSE-Fall in Deutschland erlebt haben: Es waren verunsicherte Verbraucher auf der einen Seite, die sich gefragt haben, sind denn die Lebensmittel, die wir essen, sicher? Es waren auf der anderen Seite die Bauern, die genauso verunsichert waren und noch sind, wie die Investitionszurückhaltung zeigt.

Die Verbraucher haben wieder Vertrauen gefasst. Aber was passiert, wenn der nächste Lebensmittelskandal kommt? Natürlich will den niemand. Aber sind dann die Bauern in der Lage, zu dokumentieren und klar zu belegen, dass ihre Produkte sicher sind? Sie werden es nicht sein. Genau dazu brauchen wir Qualitätssicherungsysteme auch in der Landwirtschaft! Da hilft auch der Dringliche Antrag von CDU und FDP nicht viel weiter, der sagt: weiter wie bisher, was wir tun ist sicher!

Bei der Anhörung "Die Folgen von BSE" hier im Landtag hat der Komplex "Qualitätslandwirtschaft" eine große Rolle gespielt. Damals ging es zentral darum, welche Qualitätssicherungssysteme gibt es in der Landwirtschaft? Wie können sie in hessischen Betrieben eingesetzt werden? Welche Kosten entstehen den Betrieben für Eigenkontrolle und Dokumentation? Wer kontrolliert die Eigenkontrolle? Was ist dann Aufgabe der staatlichen Kontrolle? Welche Anstöße dazu sollte die Landesregierung geben? Das wurde alles ganz konkret erörtert. Nur – Konsequenzen hat die Landesregierung daraus nicht gezogen.

Der einzige Landesbedienstete, der sich mit Qualitätssicherung in der Landwirt-schaftlichen Erzeugung beschäftigt hat, ist mittlerweile zur Marketing-Gesellschaft gewechselt. Er hatte schon damals die politische Unterstützung für Qualitätssicherungssysteme eingefordert.

Wir erkennen an, dass die Landesregierung die Stellen der Lebensmittel- und Futterkontrolleure erhöht hat. Wir erkennen auch an, dass die Marketing-Gesellschaft finanziell besser ausgestattet ist. Bei der Marketing-Gesellschaft gibt es bereits ein kontrollierte Qualität, eingeführt von SPD-Landwirtschaftsminister Gerhard Bökel. Die ökologisch wirtschaftenden Betriebe haben ihr eigenes Kontrollsystem entwickelt.

Die größere Anzahl der hessischen landwirtschaftlichen Betriebe kann aber nicht von sich sagen, dass sie kontrollierte Qualitäten liefern. Ich will keinem Landwirt unterstellen, dass er sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben hält. Dadurch ist bereits vieles in den Betrieben dokumentiert, z.B. in der Düngerschlagkartei oder im Arznei-mittelbuch. Es gibt aber keine kontrollierte Dokumentation der gesamten Erzeugung. Das ist erforderlich für Qualitätssicherheit.

Wir brauchen Qualitätssicherungsysteme in allen Stufen der Wertschöpfungskette der Lebensmittelerzeugung, auch und gerade in der Landwirtschaft, im Gartenbau und im Obstanbau.

Ich will den Unterschied an den Grenzen der staatlichen Lebensmittelkontrolle darle-gen: Die amtlichen Kontrollen beruhen zu einem erheblichen Teil auf der Untersu-chung von Stichproben. Fehler werden durch diese stichprobenhaft Kontrolle aber nicht unbedingt an ihrer Quelle, sondern oft spät in der Wertschöpfungskette ent-deckt. Eine Rückverfolgung ist oft schwierig und langwierig. Und es kann oft auch nicht verhindert werden, dass andere Produkte mit dem gleichen Fehler in den Handel gelangen.

Bei einer kontrollierten Produktion, die in allen Schritten dokumentiert wird, werden Fehler vermieden. Wenn sie aber dennoch auftreten, können sie zurückverfolgt werden. An dieser Stelle sei auch daran erinnert, dass das Landwirtschaftsprivileg im Produkthaftungsgsetz weggefallen ist.

Uns ist bewußt, dass Qualitätssicherungsysteme für viele Landwirte Neuland sind. Es ist aber in ihrem eigenen Interesse, sich dem nicht zu verschließen. In der Nah-rungsmittelindustrie gibt es bereits Diskussionen darüber, in Zukunft nur noch zertifi-zierte Rohprodukte zu verwenden.

Die Aufgabe der Landesregierung ist es, zusammen mit den Landwirten in Hessen solche Systeme zu entwickeln, die auch in kleineren landwirtschaftlichen Betrieben und auch in Nebenerwerbsbetrieben eingesetzt werden können. Hier ist besonders die landwirtschaftliche Fachverwaltung gefragt und auch die landwirtschaftliche Beratung."