Vor wenigen Wochen wurde im Deutschen Bundestag das grundlegend überarbeitete Bundesnaturschutzgesetz verabschiedet. Das neue Rahmengesetz stellt eine moderne, tragfähige und zukunftsorientierte Rechtsgrundlage dar, die geeignet ist, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit und die nachhaltige Nutzungsfähigkeit des Naturhaushalts dauerhaft zu sichern.
In einigen wichtigen Teilen entspricht das neue Bundesgesetz dem geltenden Hessischen Naturschutzgesetz, das sogar bei einigen Neuregelungen Pate gestanden hat. Nicht nur deswegen findet das neue Bundesrahmenrecht unsere weitestgehende Zustimmung. Da das Bundesgesetz nicht zustimmungspflichtig ist, fordern wir die hessische Landesregierung auf, auch auf das angestrebte Vermittlungsverfahren im Bundesrat zu verzichten.
Gleichzeitig erwarten wir von der Landesregierung, dass sie alle relevanten Punkte des neuen Bundesrechtes in vollem Umfang in Hessen umsetzt, ohne die Standards und Mitwirkungsrechte des bislang geltenden Hessischen Naturschutzrechtes zu verschlechtern.
Eine grundlegende Änderung des Hessischen Naturschutzgesetzes auf der Grundlage des Kabinettsentwurfs, den Herr Dietzel im September vorgestellt hat, lehnen wir entschieden ab. Denn das Kernproblem des hessischen Entwurfes ist es, dass die materiellen Regelungen und die Standards auf den untersten Level abgesenkt werden sollen, den das vorgelegte EU- und Bundesrecht überhaupt hergibt. Wir fordern Sie deshalb auf, ihren Kabinettsentwurf zu überarbeiten und dem Bundesrecht in vollem Umfang Rechnung zu tragen.
Der Kabinettsentwurf hat sämtliche Naturschutzverbände und ehrenamtlichen Naturschützer auf den Plan gerufen. Ihre Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte werden drastisch reduziert. Dies ist ein Schlag ins Gesicht dieser Menschen.
Am Entwurf kritisieren wir insbesondere die Abschaffung der Landschaftsrahmenplanung. Aufgrund der zweistufigen Landschaftsplanung liegen bereits heute 70-80 % der digitalen Daten für die Umweltverträglichkeitsprüfungen im Rahmen von gesetzlich vorgesehenen Planungsverfahren sowie für die ab 2004 von der EU zwingend vorgeschriebenen Strategischen Umweltprüfung vor. Wenn das bisherige bewährte Datensystem auf den Müll gekippt wird, muss eine neue Datengrundlage erstellt werden.
Die Kommunen haben in den vergangenen Jahren bereits viel Geld für ihre Landschaftspläne ausgegeben. Ein neues Datensystem wird erneut Unsummen verschlingen, die wiederum von Kommunen und Land zu erbringen sind.
Wir kritisieren die Aufweichung der Eingriffsregelung, weil sie kontraproduktiv ist. Sie wird im Rahmen der Planungsgenehmigungen nicht zu einer Deregulierung und Vereinfachung führen, sondern einen Beitrag zur weiteren Verfahrensunsicherheit leisten. Insbesondere bei Straßen- und Schienenbauvorhaben wird sie das Klagerisiko erheblich erhöhen. Desgleichen beim Raumordnungsverfahren und Planfeststellungsverfahren des Flughafenausbaus, da die Oberste Luftverkehrsbehörde – Ministerium – ja kein Einvernehmen hinsichtlich der Kompensationsmaßnahmen mit der Oberen Naturschutzbehörde beim RP Darmstadt herstellen muss.
Wir kritisieren die absolute Vorrangstellung des Vertragsnaturschutzes. Wir wollen Schutzgebietsausweisungen und Vertragsnaturschutz nicht als Alternative diskutieren. Wir brauchen beide Instrumente und es muss je nach naturschutzfachlicher Gegebenheit entschieden werden, welches Instrument im speziellen Fall anzuwenden ist. Im übrigen wird der generelle Vorrang der Vertragslösung zu einem unkalkulierbaren Risiko für den Finanzminister führen.
Denn rechtlich gesehen muss künftig stets geprüft werden, ob ein Vertrag mit Dritten abzuschließen ist. Das kostet Geld. Angesichts dieser Tatsache wundere ich mich, dass der Finanzminister diesen Entwurf im Kabinett passieren ließ, da er doch bislang schon die Haushaltslöcher nicht stopfen kann.
Als letzten Punkt möchte ich noch den Wegfall des gesetzlichen Biotopschutzes nach § 23 aufgreifen. Künftig sind herrliche uralte Alleen, typische hessische Lebensräume wie traditionsreiche Obstbaumwiesen, Feldgehölze, Hecken u.a. nicht mehr gesetzlich geschützt und können rigoros beseitigt werden.
Der ganze Entwurf ist ein naturschutzpolitischer Offenbarungseid. Er ist meilenweit von einem modernen Naturschutzrecht entfernt, ganz zu schweigen von der mangelnden handwerklichen Qualität, die sich da offenbart. Wenn sich Hessen und insbesondere Sie Herr Minister Dietzel, auf Bundesebene nicht vollends blamieren will, dann sollten Sie schleunigst Ihren fundamentalistischen Kabinettsentwurf dem Reißwolf übergeben. Denn dort gehört er hin."